EU setzt auf Wegzugsteuern, um Millionärsflucht zu stoppen
Um vermögende Bürger vom Wohnsitzwechsel in Steueroasen abzuhalten, führen immer mehr EU-Staaten Wegzugsteuern ein. Dadurch geraten insbesondere Unternehmer und Erben zunehmend unter finanziellen Druck.
Luxusyachten in einem Hafen von Monaco. (Symbolbild)
© IMAGO / Pond5 ImagesBrüssel. – Immer mehr wohlhabende Europäer spielen mit dem Gedanken, ihren Wohnsitz in Länder mit geringerer Steuerlast zu verlegen. Doch Regierungen innerhalb der EU und darüber hinaus setzen zunehmend auf Wegzugsteuern, um diese Abwanderung zu bremsen und neue Einnahmequellen zu erschließen.
Harte Kante gegen Steuerflucht
In Deutschland, Norwegen, Belgien und den Niederlanden wurden Wegzugsteuern eingeführt oder verschärft. Das Ziel besteht darin, Kapitalgewinne auch dann zu besteuern, wenn diese noch nicht realisiert wurden, beispielsweise bei Anteilen an Unternehmen oder Fonds. So besteuert Norwegen nicht realisierte Gewinne mit bis zu 38 Prozent und Deutschland mit etwa 27 Prozent, jeweils im Einklang mit den nationalen Steuersätzen. Belgien hat kürzlich ein Gesetz verabschiedet, das ab Juli eine Wegzugssteuer von zehn Prozent auf Kapitalgewinne vorsieht.
„Viele Länder führen Wegzugsteuern ein“, sagt David Lesperance, Gründer einer Vermögensberatung in Polen. Er beobachtet, dass Kunden mit illiquiden Vermögenswerten oder bestehenden Hypotheken oft zögern, das Land zu verlassen.
Druckmittel gegen Kapitalverlagerung
Gerade für Unternehmer und Start-up-Gründer können diese Regelungen schnell existenzbedrohend werden. Ein Beispiel aus Deutschland zeigt dies eindrucksvoll: Ein Medizinstudent, der ein Start-up gegründet hatte, musste beim Wechsel nach Harvard eine Wegzugsteuer von 200.000 Euro auf Unternehmensanteile in Höhe von 800.000 Euro zahlen. Immerhin konnte er die Zahlung aufschieben, wodurch er eine sofortige Zahlung vermeiden konnte, wie Steuerberater Tobias Stöhr laut Bloomberg erklärte.
Auch der Fall eines Unternehmers, der mit seiner Tochter in die USA zog, um ihr den Schulbesuch dort zu ermöglichen, macht die praktische Relevanz deutlich. Der Vater kehrte nach Deutschland zurück, während die Tochter blieb – nur so konnten hohe Wegzugsteuern vermieden werden. In einem weiteren Fall wurde eine Tochter von der Nachfolge im Familienbetrieb ausgeschlossen, da eine Übertragung erhebliche Steuerlasten ausgelöst hätte.
Reiche als Zielgruppe wachsender Besteuerung
Der Trend zu einer stärkeren Besteuerung Wohlhabender hat europaweit politischen Rückhalt. So erhebt Frankreich beispielsweise eine Wegzugsteuer von 30 Prozent auf Aktienvermögen ab 800.000 Euro. Auch eine Erhöhung der Vermögensteuer wird dort diskutiert. In Großbritannien wurde das 200 Jahre alte Non-Dom-Regime jüngst abgeschafft und in Portugal das steuerlich attraktive NHR-System.
Parallel dazu wurden in Norwegen die Dividendenregeln verschärft, um Umgehungsstrategien zu verhindern. So soll verhindert werden, dass Rückkehrer durch vorab ausgeschüttete Gewinne im Ausland Steuern vermeiden.
Attraktive Alternativen unter Druck
Staaten wie die Schweiz, Monaco oder die Vereinigten Arabischen Emirate profitieren bisher vom Exodus der Reichen. Allein in der Schweiz ermöglicht das Pauschalbesteuerungsmodell vermögenden Ausländern eine attraktive Steuergestaltung. Doch auch diese Staaten stehen zunehmend unter Druck: In der Schweiz ist für November ein Referendum über eine Erbschaftssteuer von 50 Prozent für Spitzenverdiener angesetzt. Gleichzeitig verliert das Land durch seine Positionierung im Ukrainekrieg seinen Ruf der Neutralität.
Auch wenn einige Experten bezweifeln, dass Staaten effektiv gegen Wegzüge vorgehen können, setzen viele Länder auf Wegzugsteuern als wirtschaftliches und politisches Signal: Wer von öffentlichen Leistungen profitiert hat, soll sich beim Wegzug finanziell beteiligen. Ein Rückzug ins Steuerparadies wird so zur kostspieligen Entscheidung – oder bleibt ganz aus.