Freilich #35: Und tschüss!

Die vierte Lesung: Preislein, deckel dich!

Die Teuerung in Österreich setzt nicht nur die Bürger, sondern auch die Politik unter Druck. Robert Willacker analysiert, warum Preisdeckel und schnelle Eingriffe oft mehr Illusion als Lösung sind.

Robert Willacker
Kommentar von
2.9.2025
/
3 Minuten Lesezeit
Die vierte Lesung: Preislein, deckel dich!

Die Koalition hat sich bereits auf einen umfangreichen Mieterpreisdeckel für das kommende Jahr geeinigt. (Symbolbild)

© IMAGO / CHROMORANGE

„Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst“ – ein altes Schlagwort, das immer dann gerne hervorgeholt wird, wenn es gilt, die gesellschaftlichen Eigenheiten Österreichs zu beschreiben. Nahezu universell anwendbar, besitzt es auch für die aktuelle wirtschaftliche Situation uneingeschränkte Gültigkeit. Zumindest drängt sich dieser Eindruck auf, wenn Bundeskanzler Stocker im Sommergespräch mit der Kronen Zeitung ein mögliches Verschulden von Ex-Finanzminister Magnus Brunner am Budgetdebakel mit den Worten vom Tisch wischt: „Er hat das ja nicht mit Absicht gemacht.“

Wirtschaftsdaten im europäischen Vergleich

Jeder Anflug von Heiterkeit verpufft jedoch recht schnell, wenn man den Blick auf die tatsächliche budgetäre und wirtschaftliche Lage der Alpenrepublik richtet: der zweithöchsten Abgabenquote und den zweithöchsten Staatseinnahmen in der Europäischen Union stehen das vierthöchste Defizit und die drittschlechteste Wirtschaftsentwicklung aller europäischen Staaten seit der Coronakrise entgegen. Auch die Inflation liegt mit 3,6 Prozent im Juli deutlich über dem aktuellen Schnitt der EU-Staaten von zwei Prozent.

Besonders die mit der Geldentwertung verbundene Steigerung der Lebenshaltungskosten dominiert momentan den politischen Diskurs, und wo über Preise gesprochen wird, dort wird früher oder später auch der Ruf nach ihrer Eindämmung laut. Und so hat sich die Koalition für das kommende Jahr bereits auf einen umfangreichen Mietpreisdeckel geeinigt; die staatliche Kontrolle über die Lebensmittelpreise, zunächst in Form der Bekämpfung des sogenannten „Österreich-Aufschlags“, wird ebenfalls bereits in Richtung Startrampe gerollt. 

Mietdeckel und Preisregulierung

Einerseits ist der politische Aktionismus in Fragen der Teuerung nachvollziehbar: steigende Preise erdrücken viele Menschen im Alltag förmlich und naturgemäß wollen diese von ihrer Last befreit werden, zumindest aber einen Schuldigen präsentiert bekommen. Es sei deshalb jedem Politiker mit Ambitionen auf seine Wiederwahl geraten, in dieser Situation schnelle und umfassende Handlungsmacht vorzutäuschen – notfalls auch durch Anwendung eines magischen Artefakts namens „Preisdeckel“. Und seien wir ehrlich, es ist doch ein wahrhaft verlockender Gedanke: Preise mit einem Handstreich kommandieren zu können, wie Goethes Zauberlehrling die Besen. Und wie wohlklingend ist doch das Versprechen vom reich gedeckten Tisch für jedermann, für dessen Gaben niemand bezahlen muss, wie er bei den Gebrüdern Grimm zu finden ist.

Preisdeckel als trügerische Illusion

Die Natur der Preise stellt uns beim Versuch ihrer Zähmung jedoch vor ein schwieriges Problem: Preise sind weder aus Fleisch und Blut, noch aus Holz oder Metall. Sie besitzen keinen Willen, den es zu brechen oder zu biegen gäbe. Sie maßregeln zu wollen, mutet bald ähnlich sinnlos an wie das Vorgehen des persischen Großkönigs und ägyptischen Pharaos Xerxes I., der nach dem misslungenen Bau einer Brücke über die Dardanellen das Meer auspeitschen ließ.

Preise sind immaterielle Objekte ohne physische Substanz, körperlose Träger von Informationen. Sie spiegeln uns gnadenlos all jene Dinge wider, die wir nicht sehen und lieber verdrängen wollen. Preise zeigen uns die wahren Kosten von politischen Eingriffen wie Sanktionen, bürokratischen Vorschriften oder Steuererhöhungen. Sie zeigen uns, was eine Wirtschaftspolitik kostet, die Produktion, Dienstleistung, Arbeit und Unternehmertum zunehmend unrentabel macht. Und Preise zeigen uns, wie das Gelddrucken der Zentralbanken und staatliche Schuldenexzesse letztlich dazu führen, dass der mühsam zusammengesparte Anteil jedes einzelnen Bürgers an der gesamten Geldmenge immer kleiner und wertloser wird, wenn das gelenkte Wirtschaftswachstum nicht mit der magischen Geldvermehrung Schritt zu halten vermag. 

Preise als Signal für echte wirtschaftliche Probleme

Der Wunsch nach der Einhegung davongalloppierender Preise ist in vielerlei Hinsicht verständlich, er geht aber von einer falschen Grundannahme aus. Wenn es draußen unerträglich heiß ist, dann nutzt es für das eigene Wohlbefinden nichts, die Quecksilberskala des Thermometers bei 25 °C abzukleben. Vielmehr muss man sich Gedanken über die Anschaffung einer Klimaanlage oder die häusliche Eiswürfelproduktion machen. Und wenn jemand an der Wohnungstür Sturm läutet, dann bringt es nichts, die Klingel abzustellen, bis derjenige von dannen gezogen ist, denn ohne Klingel weiß man gar nicht, wann dieser Moment eintritt. Man muss vielmehr die Tür öffnen und sich den Problemen stellen, die dort auf einen warten. 

Was bedeutet all dies nun für Österreichs Wirtschaft und Politik? Nun, mittelfristig wäre Arbeitgebern, Arbeitnehmern, Pensionisten, Alleinerziehenden, Familien, Singles und überhaupt jedem in diesem Land am besten gedient, wenn man einmal das ökonomische Märchenbuch beiseitelegen, sich ein paar unangenehmen Realitäten stellen und diese an die Wählerschaft kommunizieren würde. Man wird als Politiker dann zwar nicht wiedergewählt, weil der Leidensdruck noch nicht so hoch und die Staatsgläubigkeit noch nicht so niedrig ist wie in Argentinien kurz vor Milei (die Betonung liegt auf noch), man gewinnt aber genau dadurch viel Zeit zum Lesen gehaltvollerer Bücher.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor
Robert Willacker

Robert Willacker

Robert Willacker ist ein deutscher Politikberater. Ursprünglich in Brasilien geboren und in Franken aufgewachsen, studierte er nach dem Abitur Politikwissenschaften in Innsbruck.

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