Antisemitismus: Wie die Politik trickst und Straftaten den Rechten zuschreibt

Bisher wurden die meisten antisemitischen Straftaten automatisch dem rechten Spektrum zugeordnet. Das soll sich nun ändern. In den Sozialen Medien gibt es indes Kritik an der bisherigen Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Medien in diesem Zusammenhang.

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Antisemitismus: Wie die Politik trickst und Straftaten den Rechten zuschreibt
Demo und Kundgebung gegen Antisemitismus in Berlin. (Symbolbild)© IMAGO / Sabine Gudath

Berlin. – Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will ein realistischeres Bild über das Ausmaß antisemitischer Straftaten mit ausländischem oder religiösem Hintergrund erhalten. Dazu werde sie sich „in den zuständigen Gremien dafür einsetzen“, die Erfassungskriterien für die Kriminalstatistik zu ändern, berichtet die FAZ. Bisher galt zwischen dem Bundeskriminalamt und den Landeskriminalämtern die Vereinbarung, „fremdenfeindliche sowie antisemitische Straftaten dem Phänomenbereich Rechts zuzuordnen, wenn sich aus den Umständen der Tat und/oder der Einstellung des Täters keine gegenteiligen Anhaltspunkte zur Tätermotivation ergeben“.

Bisher wurden die meisten Straftaten dem Bereich Rechts zugeordnet

Die jüngste verfügbare Statistik für das Jahr 2022 zählt nur 105 antisemitische Straftaten auf, die nachweislich mit „ausländischer oder religiöser Ideologie“ in Zusammenhang standen, und acht Straftaten, die dem Phänomenbereich Links zugeordnet wurden. Demgegenüber wurden 2185 Straftaten dem Phänomenbereich Rechts zugeordnet. Im Innenministerium wird die geplante Streichung der „Sonderregel“ mit der veränderten Lage seit dem Angriff der Hamas auf israelische Staatsbürger begründet. Die Regelung sei „in der Vergangenheit angemessen gewesen, um sicherzustellen, dass antisemitische und fremdenfeindliche Straftaten als solche erfasst und richtig zugeordnet werden“, heißt es. Gleichwohl vertrete das Ministerium die Auffassung, dass es „keinen Bedarf mehr für die Sonderregelung gibt“, da die Polizeibehörden inzwischen „umfassend für die Thematik sensibilisiert“ seien. Zudem bestehe bei Beibehaltung der Sonderregelung „die Gefahr von Missverständnissen und Fehlinterpretationen“.

Bisherige Regelung nicht nachvollziehbar

Es ist nicht ganz nachvollziehbar, warum antisemitische Straftaten bisher als rechts eingestuft werden, wenn der Hintergrund nicht eindeutig ist. Im Haus heißt es, viele Länder hätten es wohl als nicht zufriedenstellend empfunden, wenn zu viele antisemitische Straftaten unter der – ebenfalls vorhandenen – Rubrik „nicht zuzuordnen“ erfasst worden wären.

In den Sozialen Medien wird derweil darüber spekuliert, wie es dazu kommen konnte, dass der radikal-islamistische Antisemitismus in Deutschland statistisch so lange verharmlost wurde. dass bereits 2021 versucht wurde, die falsche Zuordnung ungeklärter antisemitischer Straftaten zum Rechtsextremismus zu beenden. So heißt es in einem Meinungsbeitrag der Tageszeitung Welt vom 14.06.2021: „Die Innenminister von Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg haben dieses Problem endlich erkannt und unternehmen auf der Innenministerkonferenz in dieser Woche einen Vorstoß, die Kriminalitätsstatistik bundesweit zu präzisieren. Wenn keine Tatsachen zur Tätermotivation vorliegen, sollen antisemitische und rassistische Straftaten künftig in der Kategorie 'nicht zuzuordnen' eingeordnet werden.“ Der Autor ruft in dem Beitrag auch dazu auf, der Änderung „unbedingt zuzustimmen“.

IMK setzte bisherige Praxis fort

In der darauf folgenden Sitzung erklärte die Innenministerkonferenz (IMK): „Die IMK ist sich einig, wenn eine eindeutige Zuordnung nicht möglich ist, muss dies auch künftig flächendeckend und bundeseinheitlich entsprechend festgehalten werden“ und führte damit ihre bis dahin bestehende Praxis weiter fort. Außerdem stand für die IMK „außer Zweifel, dass der Rechtsextremismus die häufigste Motivationslage für Antisemitismus ist“.

Laut IMK-Protokoll wurden auch damals Arbeitsgruppen mit verschiedenen Aufgaben betraut. So sollten zwei Arbeitsgruppen ein Sonderlagebild Antisemitismus erstellen, „um darüberhinausgehend Erkenntnisse für Bekämpfungsansätze zu erlangen sowie Prävention und Repression zielgenauer auszurichten“. Eine Suche auf der Website der Innenministerkonferenz ergab indes keine Treffer für „Sonderlagebild Antisemitismus“. Im Bericht zur Politisch motivierten Kriminalität (PMK) für das Jahr 2022 heißt es daher: „Die Fallzahl 'antisemitischer' Straftaten ist um 12,75 % gegenüber dem Jahr 2021 zurückgegangen. Der überwiegende Teil wurde mit 82,73 % dem Phänomenbereich PMK -rechts- zugeordnet.“ Der X-Nutzer kritisiert, dass Pascal Siggelkow, Faktenfinder der Tagesschau, diese Zahlen verwende, „um den islamistischen/importierten Antisemitismus zu relativieren“, obwohl bereits seit 2021 bekannt sei, dass diese Zahlen fragwürdig bis falsch seien. Für den X-Nutzer bestätigt sich damit, dass die öffentlich-rechtlichen Sender sich weigern würden, die „lange bekannten Hinweise“ unter anderem aus der Welt zur Kenntnis zu nehmen und sich stattdessen „lieber auf linke Studien“ verlassen und die PMK-Zahlen nicht hinterfragen würden, weil diese ins Bild des ÖRR passen würden.