AfD-Politiker Hansel zum Gaza-Krieg: „Neutralität kann es nicht geben“

In den Medien wird behauptet, die AfD sei in der Frage der Unterstützung Israels tief gespalten. Frank-Christian Hansel (AfD), Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, sieht das anders. Im Interview mit FREILICH spricht er über den Gaza-Konflikt und wie sich Deutschland bzw. die AfD in dieser Frage positionieren sollte.

Interview von
24.10.2023
/
13 Minuten Lesezeit
AfD-Politiker Hansel zum Gaza-Krieg: „Neutralität kann es nicht geben“
Frank-Christian Hansel, MdA© Frank-Christian Hansel / AfD Hauptstadtfraktion

FREILICH: Herr Hansel, das ZDF titelte „AfD streitet über Israel-Unterstützung“ und zitierte einige Parteikollegen, die sich eher kritisch zu einer Unterstützung Israels äußerten. Das ZDF spricht von einem „tiefen Riss“. Gibt es den wirklich?

Frank-Christian Hansel: Das sehe ich nicht. Die AfD steht auch in dieser Situation vor und hinter Israel. Ich sehe nicht, dass die Unterstützung Israels in Frage gestellt wird. Es mag allenfalls Unterschiede in der Frage geben, wie weit diese gehen soll. Richtig ist, einige Kollegen, insbesondere aus dem Osten Deutschlands mit einer anderen politischen Sozialisation als in der alten Bundesrepublik, verbinden den aktuellen Konflikt im Rahmen geopolitischer Überlegungen in Richtung multipolarer Welt mit dem Wirken der USA. 

Stichwort Multipolarität. Das ist ein Thema, das in den letzten Wochen verstärkt auf die Tagesordnung gekommen ist – auch Bundeskanzler Scholz hat von der multipolaren Weltordnung gesprochen. Im Fachdiskurs wird zunehmend davon ausgegangen, dass die unipolare Weltordnung, die nach dem Ende der Blockkonfrontation ihren Triumph feierte, an ihr Ende gekommen ist. Ist eine Analyse der aktuellen Entwicklungen und Konfliktherde hinter der Folie der Multipolarität nicht der richtige Ansatz?

Analytisch scheint mir das richtig zu sein. Der unilaterale imperiale Anspruch der USA stößt an seine Grenzen, man kann durchaus von einer Überdehnung sprechen. In diesem Kontext würde ich sagen, dass es als Konsens gelten kann, übrigens auch in der gesamten AfD jenseits der Ost-West-Frage, dass die amerikanischen Regierungen, also die Eliten an der Macht – in den letzten Jahrzehnten außen- und sicherheitspolitisch fast alles falsch gemacht haben, was man falsch machen kann: Afghanistan, Irakkrieg, Libyen, das alles waren – vom Ende her gesehen – keine Beiträge in Richtung mehr Demokratie oder in Richtung einer sichereren Welt, im Gegenteil.

Diese Kritik kann und muss man üben dürfen, ohne als Antiamerikaner beschimpft zu werden. Mit dieser Kritik muss aber nicht gleich das (amerikanische) Kind mit dem Bade ausgeschüttet werden, wie es bei dem einen oder anderen Amerikakritiker auch bei uns in der AfD den Anschein hat, der quasi die „westliche Wertegemeinschaft“ in Bausch und Bogen als dekadent verdammt und in Putin das östliche, noch wahrhaft „männliche“ zivilisatorische Gegenmodell zu entdecken glaubt. Damit verbunden wäre dann ein normativer multipolarer Ansatz, der damit quasi zum Kampfbegriff gegen die USA wird. Das würde ich für falsch halten. Hier nur der Hinweis: Trump hat gezeigt, dass es auch das andere Amerika gibt.

„Das andere Amerika unter Trump“ – sind Sie sich da so sicher? In seiner Amtszeit haben die USA auch Sanktionen gegen Deutschland und internationale Unternehmen wegen ihrer Beteiligung an Nord Stream 2 verhängt, um nur ein Beispiel zu nennen. Was macht Sie so sicher, dass die westliche Wertegemeinschaft doch mehr ist als kalte US-Interessenpolitik, wie Kritiker der US-Politik meinen? Ihr Parteifreund Norbert Kleinwächter hat sich dazu klar geäußert: „Wir sind die Partei der westlichen Werte! Denn wir werden nur dann die deutsche Souveränität wiedergewinnen können, wenn wir die wahren westlichen Werte von ihrer grünen Umdeutung befreien und wieder in ihrem ursprünglichen Sinne leben.“ Müssen wir also nur an einigen Stellen etwas ändern?

Erstens hat Trump keine neuen Kriege begonnen, sondern sie beendet. Er sprach auch für ein anderes Amerika und wurde von anders denkenden Amerikanern gewählt. Sein Wahlsieg wurde von den bisher regierenden Eliten als Unfall der Geschichte angesehen. Das kann man so sagen. Richtig ist aber auch: Aus amerikanischer Sicht ist die Interessenlage in Bezug auf Europa und insbesondere Deutschland nicht identisch mit der unsrigen. Die alte geostrategische Erzählung, dass es nicht im Interesse Amerikas ist, dass sich – verkürzt gesagt – die deutsche Industrie langfristig mit den russischen Rohstoffen verbindet (oder verbündet), um so zu einem großen wirtschaftlichen Konkurrenten heranzuwachsen, entbehrt nicht einer gewissen Logik. Naivität in dieser Hinsicht wäre hier fehl am Platz. Auf dieser realpolitischen Grundlage müssen und können dann auch deutsche Interessen definiert werden, die den amerikanischen durchaus zuwiderlaufen können. Das setzt aber auch den politischen Willen voraus, die eigenen Interessen souverän zu definieren und danach zu handeln. Auch das dürfte durchaus parteiweiter Konsens sein. Dass die Ampel-Bundesregierung nicht gewillt ist, sich stärker in eine souveränistische Richtung zu entwickeln, zeigt ihr beredtes Schweigen zu Nord Stream 2.

Ich denke, Armin Mohler hat in seiner Denkschrift „Was die Deutschen fürchten“, die er 1965 auf Anregung von Franz-Josef Strauß verfasste, eine interessante Option aufgezeigt: eine Vision für eine eigenständige Rolle Deutschlands nach gaullistischem Vorbild. Er plädierte für eine aktivere und selbstbestimmtere Rolle Deutschlands in der internationalen Politik, ähnlich der Frankreichs unter Charles de Gaulle, einschließlich der nuklearen Option für Deutschland, um sich von den USA zu emanzipieren. Ich glaube, dass wir hier anknüpfen könnten.

Verstehe ich Sie also richtig: Sie teilen in den Grundzügen die Analyse der multipolaren US-Kritiker und sprechen sich – um noch einmal de Gaulle zu zitieren, wonach Staaten Interessen, aber keine Freunde haben – für eine souveräne und interessengeleitete Politik aus. Ihr Dissens zu Parteikollegen wie Tillschneider oder Krah liegt also nur in der Reaktion auf die Situation, richtig? Konkret: Sie glauben, dass sich der Westen von innen heraus reformieren kann. Es braucht keinen externen Akteur.

Ich teile, wie gesagt, den analytischen Rahmen und denke, dass wir im Rahmen einer antiglobalistischen Politik im Konzert mit unseren europäischen Nachbarn selbstbewusster und selbstsicherer in unseren eigenen Interessen auftreten sollten. Die „gaullistische Option“, die Strauß letztlich einschlagen wollte, ist durch die Einbindung der SPD-Minister in die Große Koalition leider nicht mehr zustande gekommen. Aber als wiedervereinigtes Deutschland können wir jetzt daran anknüpfen. Gerhard Schröder hat ja mit seinem Nein zur deutschen Beteiligung am Irakkrieg einen ersten kleinen Schritt in diese Richtung getan, wenn auch nicht in aller Konsequenz, Stichwort Airbase Ramstein etc.

Ja, Souveränität beginnt im Kopf und kann sich daher durchaus von innen heraus entwickeln, wenn auch nicht im luftleeren Raum. Ich sage es so: Es ist ein Prozess und kein plötzliches Ergebnis. Deshalb stellt sich die NATO-Frage erst perspektivisch, wenn eigene Fähigkeiten zur Selbstverteidigung entwickelt sind. Futur 2!

Ja, der Ton und die Tonalität machen die Musik. Und: Man kann nicht zu jeder Zeit und in jeder Situation alles sagen. Nicht, wenn man politische Verantwortung trägt. Da kann auch der größte „Mut zur Wahrheit“ falsch werden, wenn alle anderen einen absichtlich falsch verstehen wollen.

Das sind klare Worte. Kommen wir vom Abstrakten zum Konkreten. Sie sprachen eben von der Forderung, deutsche Interessen realpolitisch zu definieren. Da möchte ich direkt einhaken und Sie um ein aktuelles Beispiel bitten: Seit zwei Wochen herrschen kriegsähnliche Zustände zwischen der Hamas im Gazastreifen und Israel. Wie sollen Deutschland und die westliche Wertegemeinschaft sowie die AfD darauf reagieren und Stellung beziehen? Einige in der Partei haben sich für ein gewisses Maß an Neutralität und Diplomatie ausgesprochen.

Neutralität kann es in dieser Frage nicht geben. Alexander Gauland hat dazu in seiner Rede im Bundestag unmissverständlich die richtigen Worte gefunden, auch mit Blick auf die deutsche Staatsräson in Richtung Israel. Darüber sollte es in der AfD keine zwei Meinungen geben. Der Terrorangriff der Hamas auf Israel und seine Menschen erschüttert, weil er das durch lange Phasen bilateraler Untergrund- und Geheimdienstdiplomatie verblasste und vielleicht auch in Israel verdrängte Existenzmotiv der Hamas plötzlich manifest an die Oberfläche brachte: das Ziel der Vernichtung Israels und des jüdischen Staates.

Insofern reagiert Israel zu Recht mit einem erklärten Krieg gegen die Hamas, der aber explizit kein Krieg gegen die Palästinenser ist. Ja, wo gehobelt wird, da fallen Späne. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass der Staat Israel als Nation der Juden die Ethik der Lebensheiligkeit, die im „L'chaim
ihren Ausdruck findet, als Leitprinzip verinnerlicht hat und danach handelt.

Oder um es so auszudrücken und den essentiell-existenziellen Unterschied deutlich zu machen: Bilder des Vorgehens gegen Menschen, wie wir sie von der Hamas als Täter am 7. Oktober oder vom Islamischen Dschihad gesehen haben, sind von Juden als Täter aufgrund ihrer ethischen Prägung undenkbar. Das muss im Vorfeld grundsätzlich geklärt und anerkannt werden, erst dann kann Diplomatie wieder wirken.

Bevor wir weiter über Hamas und Islamismus sprechen, vor allem über die Ereignisse in unseren Städten, muss ich kurz auf einen Satz zurückkommen und nachhaken – Sie sagten: „(...) auch mit Blick auf die deutsche Staatsräson in Richtung Israel“. Sie unterstützen also die Aussage von Frau Merkel, dass der Schutz Israels deutsche Staatsräson sei? Das müssen Sie mir bitte erklären. Angesichts der Tatsache, dass 78 Prozent der AfD-Anhänger und die Hälfte aller Deutschen verneinen, dass Deutschland eine besondere Verpflichtung gegenüber Israel habe, und dass die anderen politischen Mitbewerber und auch Israel selbst – der ehemalige Botschafter Israels meinte kürzlich, man dürfe der AfD keine Legitimität zugestehen – diese Position der AfD nicht akzeptieren, ist das schon gewagt. Ist die Frage der Staatsräson und des Schutzes Israels eher eine moralische als eine politische?

Ich beziehe mich auf die Worte unseres Ehrenvorsitzenden Gauland und seine unmissverständliche Rede im Deutschen Bundestag, in der er für die AfD erklärt und deutlich gemacht hat, dass der Angriff auf Israel ein Angriff auf „uns, den gesamten Westen“ ist. Wörtlich: „Israel, das ist der Westen in einer Umgebung, die den Westen ablehnt und bekämpft. Wenn wir uns an die Seite Israels stellen, verteidigen wir unsere Art zu leben und zu denken gegen einen politisierten Islam und das ist ganz bestimmt deutsche Staatsräson.“ In diesem Sinne erhält die Rede von der Staatsräson in Richtung Israel ihre eigentliche Substanz. Und das ist mehr als eine moralische. Dass sich daraus – und das ist das eminent dilemmatische Problem von Merkels Narrativ – nicht ableiten lässt, dass Deutschland Israel tatsächlich politisch, also militärisch beistehen kann, liegt auf der Hand. Allein die Mittel fehlen. Zumal, und das ist der eigentliche Skandal: Wir können jüdisches Leben bei uns kaum wirklich schützen, weil – und da kommt Merkel wieder ins Spiel – Deutschland die Einwanderung muslimischer Israel- und Judenhasser in unkontrolliertem Ausmaß zugelassen hat.

Noch einmal: Sie sagen das und nehmen diese Position ein, obwohl 51 Prozent der Deutschen das anders sehen und keine besondere Verpflichtung gegenüber Israel empfinden, ebenso wie zwei Drittel der Wähler Ihrer Partei? Mit anderen Worten: Machen Sie und Herr Gauland und einige andere vielleicht Politik an der Basis und an den Wählern vorbei?

Wollen Sie mich missverstehen? Es geht mir hier nicht um das Merkelsche Lippenbekenntnis, das aufgrund realpolitischer Zwänge letztlich folgenlos bleiben muss. Im Rahmen der Wertegemeinschaft und unserer Art, frei zu leben, stehen wir natürlich an der Seite Israels und der politischen Verteidigung seines Existenzrechts; anders als oftmals das bisherige deutsche Abstimmungsverhalten bei den Vereinten Nationen.

Das offensichtliche Lippenbekenntnis des Mainstreams hat doch nichts damit zu tun, dass 78 Prozent der AfD-Anhänger in einer Forsa-Umfrage auf die Aussage „Deutschland hat eine besondere Verpflichtung gegenüber Israel“ mit „Nein“ geantwortet haben. Das ist für mich ein Indiz dafür, dass der von Ihnen skizzierte Kurs bei den eigenen Anhängern nicht unbedingt auf Wohlwollen stößt. Auf die Frage „Es ist richtig, dass sich die Bundesregierung angesichts der aktuellen Lage auf die Seite Israels gestellt hat“ antworteten nur 49 Prozent der AfD-Anhänger mit „Ja“, 35 Prozent mit „Nein“. Ich sehe hier also keine klare Unterstützung Ihrer Position durch AfD-Sympathisanten, Herr Hansel! Liegen Sie mit Ihrem Kurs also vielleicht falsch?

Das ist nicht „mein“ Kurs, sondern er wird von und für die AfD im Deutschen Bundestag so vertreten, und das ist gut und richtig so. Wenn 35 Prozent unserer Sympathisanten das ablehnen, dann ist das eine deutliche Minderheit. Und die Frage nach der „besonderen Verpflichtung gegenüber Israel“ des SPD-Meinungsmacht-Instituts Forsa ist insofern eine vergiftete Frage, als sie latent wieder die „Schuldfrage“ impliziert, die die Mehrheit ablehnt; auch weil es eine Kollektivschuld per se nicht geben kann. Forsa macht damit Politik, indem es unsere vermeintliche Anhängerschaft wieder in eine entsprechende Schublade stecken kann. Ich gehe übrigens davon aus, dass bei einer neutralen Frage nach der historischen Verantwortung der deutschen Politik andere Zahlen herauskämen.

Es wird sich zeigen, wie die Basis und die AfD-Anhänger den Kurs der Bundestagsfraktion bewerten. Kommen wir zum Thema Islamismus, Hamas und Terrorismus in Deutschland. In Berlin, ihrem Wohn- und Arbeitsort, sind seit Tagen abends ganze Straßenzüge, vor allem im stark migrantisch geprägten Neukölln, von Blaulicht erhellt, behelmte Bereitschaftspolizisten sichern Straßenzüge, vermummte junge Männer brüllen „Free Palestine!“, manch einer relativiert in Videos, die in Sozialen Netzwerken zu sehen sind, die Taten der Hamas. Der Mainstream ist erschüttert. Zynisch formuliert: Erntet die bunte Gesellschaft jetzt, was sie jahrelang gesät hat?

Ja, so ist es leider. Seit 2015 hat nur die AfD davor gewarnt und darauf hingewiesen, dass unsere Gesellschaft bei der inneren Sicherheit (Terroranschläge wie Breitscheidplatz, Stichwort Messerkriminalität, Gewalt gegen Frauen etc.) und bei der Finanzierbarkeit des Sozialstaates (steigende migrationsbedingte Milliardenbudgets in den Bundes- und Landeshaushalten) an logische Grenzen stößt, die die Bürger irgendwann nicht mehr akzeptieren werden. Die zynische Dialektik besteht nun darin: Der linke Mainstream von Linkspartei über Grüne, SPD bis CDU wird nun gnadenlos von der Realität der aktuellen Ereignisse eingeholt.

Das politische Dilemma, vor dem die deutsche Innenpolitik jetzt steht, besteht darin, die gedankliche Möglichkeit anerkennen zu müssen, die ihr die Wähler in Hessen und Bayern aufgezeigt haben: Dass die AfD Recht hatte und die Diffamierung als ausländerfeindlich oder extremistisch nicht mehr greift, weil sie eben nur auf die Realität hingewiesen hat. Die einzig realpolitische Antwort lautet: Die Politik muss die Massenmigration stoppen, wie wir es als AfD seit Jahren konsequent fordern, nicht „zu rechts“, sondern „zu Recht“.

Was muss getan werden, um schnell, aber auch nachhaltig Abhilfe zu schaffen? Es sieht ja nicht so aus, als würden sich die unhaltbaren Zustände mit den Altparteien verbessern. Sie sprachen davon, die Massenmigration zu stoppen – können Sie das näher erläutern? Welche konkreten Schritte müssen jetzt umgesetzt werden?

Die AfD-Bundestagsfraktion hat kürzlich in einem Zehn-Punkte-Programm für eine AfD-geführte Bundesregierung die notwendigen Schritte aufgezeigt: Das Wichtigste ist der sofortige umfassende Grenzschutz und der Beginn der Abschiebung illegal aufhältiger und straffälliger Migranten. Nicht als Phrase, sondern ganz real! Als politisches Signal nach außen muss es jetzt kommen: Der „Sozialmagnet“ ist abgeschaltet. Es lohnt sich nicht, tausende Kilometer nach Deutschland zu reisen.

Weder die Ampel noch eine Neuauflage der Groko unter Einschluss der CDU werden dazu in der Lage sein, schon wegen der linken Kräfte in der SPD.

Deshalb müssen wir den Wählern immer wieder deutlich machen, dass es nur mit uns eine wirkliche Lösung geben wird. 

Nicht nur ich frage mich seit einigen Tagen, ob es auf den Straßen wirklich um „Palästina“ geht. Ich denke, es geht längst um eine islamische Machtdemonstration in Europa und um die Einschüchterung der deutschen Öffentlichkeit. Gerade hier in Berlin. Die „besetzten Gebiete“ befinden sich zunehmend nicht mehr im Nahen Osten, sondern in unseren europäischen Großstädten, in den Parallel- oder, wie Emmanuel Macron sie schon nennt, Gegengesellschaften. Ich will nicht ausschließen, dass diese gefährliche Entwicklung an Dynamik gewinnt und die „Brandmauer“ gegen uns schneller zum Einsturz bringen könnte, als viele zu denken wagen. Einen echten „Deutschlandpakt“ gäbe es nur mit der Alternative für Deutschland, nachdem zu lange an der Alternative zu Deutschland gebastelt wurde.

Kommen wir noch mal auf Ihre Partei zurück. Dieter Stein, Chefredakteur der liberalkonservativen Berliner Wochenzeitung Junge Freiheit, hat in der US-Zeitschrift Chronicles einen Beitrag veröffentlicht, in dem er angelsächsischen Lesern die Situation der AfD erklärt. Darin schreibt er auch einige interessante Sätze über den Kampf des Establishments gegen die AfD. Zum Beispiel führt er die im Mainstream oft bemühte Einstufung der AfD als rechtsextrem unter anderem auf den Thüringer AfD-Politiker Höcke zurück. Zitat: „Ich habe in mehreren Kommentaren keinen Hehl daraus gemacht, dass ich große Vorbehalte gegen Höcke, seine Rhetorik und seine Vorgehensweise habe. Im schlimmsten Fall führt das die AfD in eine politische Sackgasse.“ Außerdem befürchtet Stein ein Parteienverbot. Herr Hansel, sehen Sie die AfD trotz des aktuellen Höhenflugs und der jüngsten Erfolge auf dem Weg in eine politische Sackgasse? Ist Herr Höcke ein Problem für den weiteren Erfolg?

Ich bin ja bekannt dafür, dass ich angesichts der bis vor kurzem noch deutlich schwächeren Zustimmungswerte der AfD im Westen rein analytisch von Höcke als „Chiffre für die Unwählbarkeit der AfD“ gesprochen habe. Das wirkt immer noch nach, weil man auf der Straße im Westen immer wieder hörte: „Ihr seid ja gut, und wir würden euch wählen, aber ...“

Inzwischen haben die Menschen gemerkt, dass es nicht Björn Höcke ist, der dem Land schadet, sondern diejenigen, die jetzt an der Macht sind und das Land nicht mehr nur gefühlt, sondern real in eine Abwärtsspirale treiben, und zwar in einem Ausmaß, von dem ich nicht gedacht hätte, dass die Zustimmungswerte für uns jetzt auch im Westen so rasant nach oben gehen. Dieses „aber“ war vielleicht oft eine defensive Ausrede, um nicht negativ aufzufallen oder eine vom Mainstream abweichende Meinung zuzugeben, denn die permanente mediale Negativzuschreibung hat natürlich gewirkt. Mittlerweile sind die gefühlten Zustände in Deutschland aber offenbar so schlimm und bedrückend, dass auch dieses „Aber“ nicht mehr zu einer Wahlverweigerung der AfD führt. Insofern wird die AfD nicht an Höcke scheitern, auch wenn seine Dämonisierung nachwirkt und das Wachstum der AfD im Westen nicht unbedingt beflügelt.

Dass selbst Innenministerin Faeser vor wenigen Tagen verlauten ließ, sie lehne ein Verbot der AfD ab, zeigt bereits, dass es aus rechtsstaatlichen Gründen nicht dazu kommen wird, auch wenn es ursprünglich sicherlich beabsichtigt war, weil keine demokratiefeindlichen Tendenzen verfassungsrechtlich nachgewiesen werden können.

Ich komme auf meine Antwort zu Ihrer Vorfrage zurück: Angesichts der Möglichkeit, dass es tatsächlich notwendig werden könnte, die AfD in einen sich als notwendig erweisenden Deutschlandpakt einzubinden, um Maßnahmen durchzusetzen, die sich nicht einmal eine Groko traut, sehe ich die besten Zeiten der AfD noch vor uns. Aber es wird kein Zuckerschlecken.

Herr Hansel, vielen Dank für das Gespräch!


Zur Person:

Frank-Christian Hansel, Jahrgang 1964, ist seit 2016 für die AfD Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses. Dort ist er unter anderem im Ausschuss für Wissenschaft und Forschung aktiv. Der gebürtige Hesse studierte Politische Wissenschaften, Philosophie und Lateinamerikanistik.

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