100 Millionen Euro zusätzlich: Finanzspritze für Hamburger Migrantenunterkünfte

Der Staatsbetrieb „Fördern & Wohnen“ wird dieses Jahr einen Schuldenberg von 580 Millionen Euro anhäufen. Statt die Notbremse zu ziehen, erhöht Hamburg die Mittel für F&W nun um ein Drittel.

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100 Millionen Euro zusätzlich: Finanzspritze für Hamburger Migrantenunterkünfte
Flüchtlingsunterkunft im Norden Hamburgs© IMAGO / Hanno Bode

Am vergangenen Sonntag berichtete Tichys Einblick, dass sich 60 Prozent aller Hamburgerinnen nachts nicht mehr alleine auf die Straße trauen. Während das Sicherheitsgefühl in Hamburg durch die zunehmende Überfremdung erodiert, alimentiert der Hamburger Senat die Unterbringung von Flüchtlingen bald mit über 100 Millionen Euro zusätzlich pro Jahr: Am 11. Juli 2023 beschloss der Senat, die „Gebührenordnung für öffentlich veranlasste Unterbringung“ des städtischen Unternehmens Fördern & Wohnen (F&W) von 544 auf 733 Euro zu erhöhen. Mit der Gebührenerhöhung würde F&W ab dem 1. September für eine 4-köpfige Flüchtlingsfamilie monatlich 2.932 Euro erhalten. Im Vergleich dazu stehen einer vierköpfigen Hartz-IV-Familie in Hamburg nur 938 Euro pro Monat für die Unterkunft zur Verfügung.

Eine Pressemitteilung des Senats sucht man bislang vergeblich. Nur wer explizit im Hamburgischen Gesetzblatt sucht, wird fündig. Auch in der Hamburger Lokalpresse gab es bislang keine Diskussion über die finanziellen Auswirkungen dieser Entscheidung, die vor allem der Bewältigung der Flüchtlingsunterbringung dienen soll. Lediglich die AfD forderte den Senat in einer Kleinen Anfrage vom 8. August zu einer Stellungnahme auf. Aus der Antwort des Senats geht hervor, dass F&W im vergangenen Jahr 1.830 Mitarbeiter beschäftigte und Kosten in Höhe von 479 Millionen Euro verursachte.

Welche Kosten kommen auf Hamburg zu?

Nach der Gebührenerhöhung erhält Fördern & Wohnen ab dem 1. September 2023 für jeden untergebrachten Flüchtling 733 Euro statt bisher 544 Euro monatlich von der Stadt Hamburg. Am 17. Juli waren 44.727 Flüchtlinge in den Hamburger Unterkünften von F&W untergebracht. Nach diesen Zahlen würde F&W ab September monatlich knapp 32,8 Millionen Euro statt bisher 24,3 Millionen Euro für die Unterbringung von Flüchtlingen erhalten.

Den monatlichen Scheck erhält F&W vom Hamburger Jobcenter. Dieses ist als gemeinsame Einrichtung von Bund und Kommunen für die Unterbringung von Flüchtlingen zuständig. Für die Hamburger Steuerzahler bedeutet dies eine jährliche Mehrbelastung von über 101 Millionen Euro.

Warum gerade jetzt diese Gebührenexplosion?

FREILICH liegen Informationen vor, dass die unterjährige Änderung der Gebühren durch den Senat in den Hamburger Jobcentern mit Befremden aufgenommen wurde. Denn typischerweise treten Gebührenänderungen immer nur zu Beginn eines Kalenderjahres in Kraft. So war es auch bei den letzten vier Gebührenänderungen: Am 19. Dezember 2017 setzte der Senat die monatliche Unterkunftsgebühr für Fördern & Wohnen auf 587 Euro fest. Am 18. Dezember 2020 senkte der Senat die Gebühr auf 538 Euro. Am 21. Dezember 2021 erfolgte eine weitere Senkung auf 518 Euro. Am 6. Dezember 2022 wurde die Gebühr wieder auf 544 Euro erhöht. Alle vier Gebührenänderungen traten jeweils zum 1. Januar des Folgejahres in Kraft.

Wie ist es vor diesem Hintergrund zu erklären, dass der Senat nun noch vor Jahresende die Gebühren um 189 Euro erhöht? In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der AfD-Abgeordneten Dirk Nockemann und Alexander Wolf verwies F&W auf fehlende Platzkapazitäten angesichts der weiterhin ungebremsten Flüchtlingswelle. Um Plätze für die überwiegend ukrainischen Flüchtlinge zu schaffen, habe F&W rund 10.000 Interimsstandorte wie Hotels oder Wohnwagensiedlungen aus dem Boden stampfen müssen.

Hinzu kämen gestiegene Energie-, Personal- und Baukosten. Steigende Zinsen hätten ebenfalls zu der Gebührenerhöhung beigetragen, so der Senat. Bereits am 11. April hatte der Hamburger CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Andreas Grutzeck die Frage aufgeworfen, ob F&W überfordert sei. FREILICH berichtet im Folgenden über die sehr breiten Tätigkeitsfelder von F&W.

Wohnungen für Flüchtlinge und Drogensüchtige

Derzeit betreibt Fördern & Wohnen nach eigenen Angaben 185 Standorte zur Unterbringung von Flüchtlingen, Wohnungslosen, Behinderten, psychisch Kranken und Suchtkranken. Das Ankunftszentrum für Flüchtlinge in Rahlstedt verfügt über 1.888 Plätze und bietet eine 24-Stunden-Betreuung. In einem Begegnungscafé können sich Migranten mit „Natur und Handwerk“ vertraut machen. Im Jungerwachsenenprogramm in Schnelsen können 26 Wohnungslose untergebracht werden. Neben Männern und Frauen bietet das Jungerwachsenenprogramm auch Plätze für „LSBTIQ-Personen“ an.

Im Treffpunkt Traberweg in Farmsen bietet ein Begegnungscafé psychisch Kranken die Möglichkeit, sich beim „gemeinsamen Plaudern oder Kaffeetrinken“ kennen zu lernen. Im Café InTakt in Sachsenwaldau können Drogenabhängige auf der „Terrasse mit Blick auf den See“ die Seele baumeln lassen. Wer es wirklich ernst meint, kann im nahe gelegenen Sozialtherapeutischen Zentrum Sachsenwaldau eine Unterkunft finden und eine Entziehungskur machen. Eine Sporthalle, Werkstätten und eine Gärtnerei runden das Angebot ab. Das Team der Sachsenwaldau ist „24 Stunden am Tag für Sie erreichbar“.

Alteingesessene unerwünscht? Unterkunft Perspektive Wohnen

Im Rahmen des Programms „Unterkunft Perspektive Wohnen“ finden in der Wohnanlage Am Gleisdreieck 918 Personen in komfortablen Mietwohnungen ein neues Zuhause. Fördern & Wohnen beschreibt das Programm so: „In einer Unterkunft mit der Perspektive Wohnen leben Sie nicht nur mit Geflüchteten zusammen: Auch Menschen aus Hamburg können hier eine Wohnung mieten.“

In einer Großen Anfrage vom 25. April 2023 wollte die Hamburger AfD-Fraktion wissen, ob dieses Versprechen der Durchmischung umgesetzt worden sei. Die Hamburger Regierung musste einräumen, dass in den 12 UPW-Einrichtungen bisher keine Einheimischen untergebracht sind: „Alle in den UPW-Einrichtungen untergebrachten Personen haben einen Asyl- oder Fluchthintergrund“, so der Senat. In den UPW-Einrichtungen sind auch Menschen aus den sicheren Herkunftsstaaten Albanien, Bosnien-Herzegowina, Ghana, Kosovo und Serbien untergebracht.

Fördern & Wohnen überfordert?

Am 11. April 2023 fragte der Hamburger CDU-Abgeordnete Andreas Grutzeck den Hamburger Senat, ob Fördern und Wohnen überfordert sei. In seiner Antwort auf die Kleine Anfrage verwies der Senat auf die ambitionierten Pläne des städtischen Unternehmens. Fördern & Wohnen arbeitet derzeit am Neu- und Umbau von 15 weiteren Flüchtlingsunterkünften. Die Kosten? Für 155 Millionen Euro sollen über 3.100 zusätzliche Unterbringungsplätze geschaffen werden.

66 Flüchtlingshotels

In einer Kleinen Anfrage, ebenfalls vom 11. April, wollten drei Hamburger AfD-Abgeordnete wissen, wie viel sich Fördern & Wohnen die Unterbringung von Flüchtlingen in Hotels kosten lässt. Laut Senat seien bis März 2023 14,2 Millionen Euro für Migrantenhotels mit insgesamt 6.500 Plätzen angefallen. Die Kosten umfassen die Anmietung der Hotelzimmer, die Verpflegung und die Reinigung. Im Juli beliefen sich die Kosten für die Migrantenhotels auf 6,8 Millionen Euro, so der Senat in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der AfD vom 2. August. Ob dies eine signifikante Senkung der Hotelkosten im Vergleich zum März darstellt, ist fraglich, da der Senat die Kosten für Catering und Reinigung für den Juli nicht angab.

Zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Artikels hat F&W nach eigenen Angaben 66 Hotels für die Unterbringung von Flüchtlingen angemietet. Im Leonardo-Hotel am Hamburger Flughafen konnte sich FREILICH vor Ort davon überzeugen: Beim Betreten des Foyers fällt ein schwarzes Brett auf, das mit kyrillischen Buchstaben beschriftet ist. Auf die Frage, wo denn die Hotelbar sei, schüttelt der Rezeptionist nur den Kopf: „Bis Ende 2023 ist hier alles ausgebucht. Alle 440 Zimmer sind mit Ukrainern belegt.“

Millionengrab Mundsburg Tower?

In der Antwort auf die Kleine Anfrage der AfD vom 11. April äußerte sich der Senat auch zum Kauf des Mundsburg Towers durch Fördern & Wohnen. Den konkreten Kaufpreis für den Gewerbekomplex mit 133 Mietwohnungen verschwieg der Senat in seiner Antwort jedoch. Zur Begründung verwies der Senat auf ein geschütztes Betriebs- und Geschäftsgeheimnis des Verkäufers". F&W-Geschäftsführer Arne Nilsson sagte dem NDR: „Mit den Wohnungen im Mundsburg Tower können wir langfristig Perspektiven für Menschen schaffen, die es auf dem Wohnungsmarkt besonders schwer haben“.

Mit 580 Millionen in den Miesen

Die Hamburger AfD-Abgeordneten Alexander Wolf und Thomas Reich haben in einer Kleinen Anfrage vom 7. August 2023 auf die finanzielle Situation von Fördern und Wohnen hingewiesen. Im Laufe des Jahres 2023 werde F&W mit 580 Millionen Euro verschuldet sein. Die Abgeordneten wiesen auch auf die Diskrepanzen zwischen der Erhöhung der Gebühren von 544 auf 733 pro untergebrachter Person hin. In der UPW-Einrichtung Ohlendiekshöhe in Wandsbek betrügen die monatlichen Unterbringungskosten pro Person nur 271 Euro. Vor diesem Hintergrund stelle sich die Frage, warum eine solch „drastische Erhöhung um fast 35 Prozent“ notwendig sei.

Die Abgeordneten fragten weiter, wie die Kostenexplosion in den Bereichen Bewachung und Catering zu erklären sei: Während 2019 für die Bewachung nur 10,5 Millionen Euro ausgegeben wurden, waren es 2022 fast 29 Millionen Euro. Ähnlich beim Catering: Hier stiegen die Kosten von 3,8 Millionen im Jahr 2019 auf „sage und schreibe“ 63,7 Millionen Euro im Jahr 2022. Die Antwort des Senats lag zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels noch nicht vor. Interessierte können die Antwort zu einem späteren Zeitpunkt hier einsehen.

Weiter so oder Notbremse?

F&W-Pressesprecherin Susanne Schwendtke begründete die Verschuldung des städtischen Unternehmens gegenüber FREILICH mit der „Verbesserung der sozialen Infrastruktur der Stadt“. Den Schulden stünden zudem „langfristige Vermögenswerte gegenüber, die F&W auch an strategisch wichtigen Standorten für die Freie und Hansestadt Hamburg sichert.“

Alexander Wolf gehen die Ausgaben von F&W „zu weit“. In einer Pressemitteilung vom 11. August bezeichnete der AfD-Abgeordnete den Finanzbedarf von F&W als „immens“. Im vergangenen Jahr habe F&W 479 Millionen Euro benötigt. Für eine Sozialunterkunft in Bahrenfeld wolle F&W weitere 35 Millionen Euro ausgeben. Die vom Senat beschlossene Gebührenerhöhung koste die Hamburger Steuerzahler ab September monatlich 8,5 Millionen Euro mehr.