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Macht durch Malz: Wie Bier zum politischen Hebel wurde

Was hat Weißbier mit Staatsmacht zu tun? Mehr, als man denkt. Im Bayern des 17. Jahrhunderts entwickelte sich das Braugewerbe unter Kurfürst Maximilian I. zum strategischen Machtinstrument. Eine historische Spurensuche über Bier als wirtschaftliches Rückgrat und politische Waffe.

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 Macht durch Malz: Wie Bier zum politischen Hebel wurde

Kurfürst Maximilian I. nutzte früh das Potenzial des Weißbieres. (Symbolbild)

© IMAGO / Karo

Wenn wir heute an Bier und Bayern denken, kommen uns Begriffe wie Oktoberfest, Reinheitsgebot und das Hofbräuhaus in den Sinn. Doch was heute als folkloristisches Kulturgut gilt, hatte in der Frühen Neuzeit politische Brisanz. Der bayerische Kurfürst Maximilian I. (1573–1651), einer der prägendsten Fürsten seiner Zeit, erkannte das wirtschaftliche und staatspolitische Potenzial des Bieres – genauer gesagt: des Weißbiers – und machte es zum Dreh- und Angelpunkt seiner Herrschaftsstrategie.

Bier, Macht und Schulden – Ein unerwarteter Dreiklang

Dabei ging es nicht um das Biertrinken an sich, sondern um die wirtschaftliche Kontrolle eines Konsumgutes, das flächendeckend nachgefragt wurde. Maximilian I. erbte ein hoch verschuldetes Herzogtum, in dem die Landstände – die Vertreter von Adel, Städten und Märkten – über eine starke politische Stellung verfügten. Um seine eigene Position zu stärken und finanzielle Unabhängigkeit zu gewinnen, setzte er auf das, was schon seine Vorfahren in Ansätzen genutzt hatten: das Biergewerbe. Doch während diese meist reaktiv agierten, schlug Maximilian einen aktiven, strategischen Weg ein.

Das Brauwesen wurde unter seiner Regierung nicht nur zur Geldquelle, sondern auch zur Stellschraube in der Beziehung zwischen Fürsten, Ständen und Bevölkerung. Die Frage lautet also: Wie konnte ein Alltagsgetränk zur Grundlage eines souveräneren Staatswesens werden?

Vom Handwerk zum Instrument der Herrschaft

Schon vor Maximilian hatte das Braugewerbe im Herzogtum Bayern Bedeutung. Das berühmte Reinheitsgebot von 1516, das die Zutaten für Bier festlegte, war ursprünglich ein Versuch der Landstände, Qualitäts- und Preisregulierung zu betreiben. In Wahrheit ermöglichte es aber auch Einnahmen durch Privilegien, etwa beim Weißbierbrauen mit Weizen – ein Monopol, das später Maximilian I. strategisch übernehmen sollte.

In der Regierungszeit von Maximilians Vater, Wilhelm V., wurde das berühmte Münchner Hofbräuhaus gegründet, um eigene Bierproduktion zu fördern und die Haushaltskassen zu entlasten. Doch trotz solcher Maßnahmen stieg die Verschuldung des Hauses Wittelsbach weiter. Die Fürsten standen unter dem Druck der Stände, mussten Privilegien verkaufen, religiöse Riten lockern und sogar neue Steuern einführen, um zahlungsfähig zu bleiben.

Maximilian I. übernahm dieses problematische Erbe – und erkannte, dass er nicht nur sparen, sondern auch kontrollieren musste. Schon früh zentralisierte er die Aufsicht über den Bierhandel, baute ein Monopol für das besonders lukrative Weißbier auf und machte das Braugewerbe zu einem landesherrlichen Vorzeigebetrieb. Dabei verknüpfte er das wirtschaftliche Potenzial des Bieres mit der Etablierung eines professionellen Beamtenapparates – ein Schritt in Richtung frühmoderner Staatsbildung.

Bier als Werkzeug der Zentralisierung

Das wirtschaftliche Potenzial des Weißbiers trat besonders bei den Landtagen 1605 und 1612 zutage. In diesen politischen Verhandlungen versuchte Maximilian, sich von der Abhängigkeit der Landstände zu lösen – mit dem Weißbier als Hebel. Die Stände beklagten, „dass die Beamten des Herzogs die Wirte nötigen würden, das teurere weiße (Weizen-)Bier des Herzogs zu kaufen“, was Maximilian kaum zu stören schien. Im Gegenteil nutzte er diese Vorwürfe zur Rechtfertigung seiner zentralen Politik.

Besonders aufschlussreich ist seine Rückschau auf den Landtag 1612, wo er sich beklagte, „dass die Stände ‚mehreren gewalts […] yber das Landtschafftische Gelt und Einkommen, als ihnen gebühre, anmassen wollen‘“. Das verdeutlicht seine wachsende Entfremdung gegenüber der Mitbestimmung der Stände – und seine klare Vision eines souveränen Fürstentums.

Maximilian bot 1612 sogar eine Steuersenkung an – jedoch unter der Bedingung, dass seine Weißbierbrauereien vom Weißbieraufschlag befreit würden. Die Einnahmen aus dem Monopol wuchsen so weiter, und die politische Abhängigkeit vom guten Willen der Landstände schwand.

Bürokratie im Dienst des Bieres

Der wirtschaftliche Erfolg des Brauwesens verlangte eine effektive Verwaltung. Maximilian reorganisierte deshalb die Hofkammer – die zentrale Finanz- und Verwaltungsbehörde des Kurfürsten – und machte sie zur treibenden Kraft der fiskalischen Modernisierung. Die Beamten hatten nicht nur die Einnahmen aus dem Braugewerbe zu verwalten, sondern auch für Preiskontrollen, Rohstoffversorgung und Produktionsaufsicht zu sorgen.

Interessant ist dabei Maximilians Haltung zu seinen eigenen Beamten: misstrauisch und kontrollierend. In geheimen Instruktionen legte er Wert auf strenge Rechenschaftspflicht, untersagte Nebenverdienste und verlangte regelmäßige Kontrollen der Brauereien. Die Rentmeister – eine Art lokaler Finanzinspektoren – sollten die Umsetzung der Anordnungen vor Ort prüfen. Der Vergleich zum preußischen Soldatenkönig liegt nahe.

Diese Durchdringung der Verwaltung mit landesherrlicher Kontrolle zeigt: Aus der Notwendigkeit, ein komplexes wirtschaftliches System zu überwachen, entstand ein professionelles, hierarchisches und kontrolliertes Verwaltungssystem – ein Kernmerkmal des frühabsolutistischen Staates.

Bier als Erbe – und als Vermächtnis

In den testamentarischen Schriften Maximilians, darunter den „monita paterna“, rückt das Bier zwar nicht prominent ins Zentrum – aber seine Bedeutung schimmert zwischen den Zeilen durch. Der Kurfürst schreibt seinem Sohn ins Stammbuch: „Schlechte Beamte können dem Herzogtum größeren Schaden zufügen als ein schlechter Fürst.“ Und weiter: „Die Einnahmen aus Salz- und Brauwesen [seien] jährlich zu prüfen.“

In der „Notwendigen treuherzigen Information“ an seine Gemahlin unterstreicht er die Bedeutung dieser Einkommensquellen erneut. Er verlangt, dass sie „einen Schlüssel zum geheimen Vorrat“ erhält – ein Zeichen seines Misstrauens gegenüber der Hofkammer, aber auch seines Vertrauens in die Bedeutung dieser Einnahmen für die Zukunft.

Dass das Brauwesen in den testamentarischen Texten nicht dominanter thematisiert wird, ist vermutlich ein Zeichen seiner Etablierung. Die Wirtschaftsstruktur war konsolidiert, die Einkünfte gesichert. Maximilian hatte ein System hinterlassen, das auch ohne seine persönliche Kontrolle funktionierte – aber nur, solange dessen Prinzipien gewahrt wurden.

Der stille Held der Staatsbildung

Bier war in Maximilians Bayern mehr als ein Genussmittel – es war Staatsräson. In einem Zeitalter konfessioneller Konflikte, wirtschaftlicher Unsicherheit und politischer Zersplitterung ermöglichte es dem bayerischen Kurfürsten, ein souveräneres Fürstentum zu formen. Das Bier war Motor, Katalysator und Profiteur zugleich.

Es schuf Einnahmen, disziplinierte die Verwaltung und entmachtete die Stände – ein Dreiklang, der den Weg zum bayerischen Absolutismus bereitete. Der Historiker Günter Albrecht formuliert die Bedeutung des Bieres in Bayern im Kontext des Dreißigjährigen Krieges treffend: „Wenn Süddeutschland heute katholisch ist, verdankt es das auch dem Durst der Bayern.“

Was als wirtschaftliche Notlösung begann, entwickelte sich zu einem Modellfall frühmoderner Staatsbildung. Bier war dabei nicht nur das „flüssige Brot“ der Bevölkerung – es war der festere Boden, auf dem ein Kurfürst seine Macht errichtete.

Über den Autor

Mike Gutsing

Mike Gutsing, Jahrgang 1999, hat Geschichte studiert und lebt in Mitteldeutschland. Das besondere Interesse des Korporierten gilt der deutschen Geschichte und Kultur.

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