Steigende Jugendkriminalität: Experten wollen keine Senkung der Strafmündigkeit

In Österreich hat in den vergangenen Wochen eine Serie von Gewalttaten jugendlicher Täter für Aufregung gesorgt. Die Bundesregierung diskutierte deshalb zuletzt über eine Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters. Ein Expertennetzwerk spricht sich nun gegen eine solche Herabsetzung aus.

/
/
2 Minuten Lesezeit
Steigende Jugendkriminalität: Experten wollen keine Senkung der Strafmündigkeit
Eine Reihe von zum Teil schweren Gewalttaten hat in den vergangenen Wochen die Stadt Wien erschüttert.© IMAGO / CHROMORANGE

Wien. – Wie das Innenministerium Mitte März mitteilte, at sich die Zahl der von Jugendlichen und Kindern unter 14 Jahren begangenen Straftaten verdoppelt. Problematisch sei auch, dass die Täter immer brutaler würden. Vor allem der Missbrauchsfall eines 12-jährigen Mädchens, der sich im vergangenen Jahr über mehrere Wochen hingezogen haben soll und an dem mindestens 17 Buben und Jugendliche beteiligt gewesen sein sollen, veranlasste Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) zu der Forderung, die Strafmündigkeit, die derzeit bei 14 Jahren liegt, zu senken. Mit Verweis etwa auf die Schweiz, wo die Grenze bei 10 Jahren liegt, lässt der Regierungschef nun einen Vorschlag zur Anpassung zumindest für schwere Delikte ausarbeiten.

Das Netzwerk Kriminalpolitik, dem die Richtervereinigung, der Österreichische Rechtsanwaltskammertag, die Vereinigung Österreichischer Strafverteidiger, der Bewährungshilfeverein Neustart, die Verbrechensopferhilfe Weißer Ring sowie namhafte Strafrechtsexperten angehören, spricht sich gegen eine Herabsetzung der Strafmündigkeit aus, wie orf.at berichtet. Für die Experten hat sich die seit 1929 geltende Strafmündigkeitsgrenze von 14 Jahren bewährt. „Das Strafrecht mit seinen auf Bestrafung orientierten Mitteln ist kein geeignetes Instrument, um auf Delikte zu reagieren, die unter 14-Jährige begangen haben“, stellte das Gremium gestern am Dienstag in einer Erklärung klar.

Experten fordern Maßnahmenkatalog

Das Strafverfahren sei ein formales Verfahren, in dem es um den Nachweis der Schuld gehe: „Die Suche nach Sanktionsalternativen ist nicht das primäre Verfahrensziel. Eine intensive Auseinandersetzung mit den Hintergründen der Tat und der Lebenssituation von Kindern kann im Strafverfahren nicht geleistet werden“. Genau das wäre aber notwendig. Das Netzwerk Kinderrechte Österreich – ein Zusammenschluss von 53 Organisationen und Institutionen zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Österreich – wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass eine Herabsetzung auf unter 14 Jahre „eine klare Verletzung der Kinderrechte laut UN-Kinderrechtskonvention“ wäre.

Darüber hinaus halten die im Netzwerk zusammengeschlossenen Experten Gefängnisse für den „denkbar schlechtesten Ort für Kinder“. Es gäbe keine gesicherten Erkenntnisse, dass die Androhung von Haftstrafen eine generalpräventive und abschreckende Wirkung auf Kinder habe. Vielmehr würden Kinder die möglichen Folgen ihres Handelns weit weniger berücksichtigen als Erwachsene. Zielführender sei vielmehr ein bundesweit einheitlicher Katalog wirksamer Maßnahmen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe und des Zivilrechts für die Altersgruppe der Zehn- bis Dreizehnjährigen, insbesondere für die Zwölf- und Dreizehnjährigen.