„Rechtsextreme Problemschulen“ verschleiern die wahren Probleme

Der Brandbrief zweier Lehrer einer Schule im brandenburgischen Landkreis Spree-Neiße sorgt für Aufregung. Hitlergrüße, Chatverläufe und ein „Klima der Angst“ doch was steckt dahinter? FREILICH-Redakteur Mike Gutsing skizziert die Geschehnisse, stößt auf Ungereimtheiten und beschreibt die wahren Probleme der betroffenen Gemeinde.

Kommentar von
3.6.2023
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4 Minuten Lesezeit
„Rechtsextreme Problemschulen“ verschleiern die wahren Probleme
Was steckt hinter dem Brandbrief zweier Lehrer?© IMAGO / CHROMORANGE

Ist die Oberschule Burg im Landkreis Spree-Neiße eine „Nazischule“? Diese Frage suggeriert das Titelbild des Videobeitrags der ZDFheute Nachrichten auf YouTube. Der Beitrag zeichnet ein düsteres Bild von der Gemeinde Burg und dem mutigen Kampf engagierter Einwohner gegen eine übermächtige Welle von Ausgrenzung, Diskriminierung und Gleichgültigkeit. Doch was war passiert? Zwei Lehrer hatten sich in einem anonymen Brandbrief an Politik und Medien gewandt und die Zustände am Gymnasium angeprangert. Hakenkreuzschmierereien, diskriminierende Beschimpfungen von Nichtdeutschen, Homosexuellen und Linken, das Herunterspielen von Konflikten durch Kollegen und Schulleitung.

Zynisch könnte man nun anmerken, dass dies für nicht-linke Lehrer an Schulen mit hohem Migrantenanteil und Integrationsproblemen zum Alltag gehört, von deutschen Schülern ganz zu schweigen. Wie oft sich die geschilderten Szenen tatsächlich ereignet haben oder wie repräsentativ sie für die gesamte Schülerschaft sind, soll an dieser Stelle dahingestellt bleiben. Auch dass die Forderung der beiden Lehrer nach „mehr Sozialarbeitern“, einer stärkeren Förderung „demokratiefördernder Projekte“ und einem „niedrigschwelligen Fortbildungsangebot für Lehrer“ wie der feuchte Traum eines Antifa-Aktivisten klingt, spielt zunächst keine Rolle. Die Existenz des Brandbriefes und die beschriebenen Szenen, die zum Teil durchaus dokumentiert sind, legen aber auch andere Forderungen nahe.

Die Forderungen gehen über den Brief hinaus

Zunächst aber noch ein paar Worte zu den Vorgängen in Burg und der Berichterstattung des ZDF. Es muss mittlerweile als intellektuelle Beleidigung für jeden Zuschauer gewertet werden, dass Mitarbeiter der Amadeu-Antonio-Stiftung als „Experten“ ihre Einschätzungen ohne jegliche Einordnung kundtun dürfen. Das patriotische Bürgernetzwerk EinProzent hat bereits zahlreiche Recherchen über die teilweise linksextremen Umtriebe der Stiftung und ihre ständigen Angriffe auf jede politische Variante rechts der Grünen veröffentlicht. Würde diese völlige Fehlbesetzung der Glaubwürdigkeit des Beitrages und der Problematik nicht schon genug schaden, wird auch noch der angebliche Schülerbrief 1:1 in das Framing des ZDF übernommen.

Dieser Brief, der vollständig und teilweise grob falsch wiedergegeben wurde, strotzt bis auf den obligatorischen Hitlergruß nur so vor Belanglosigkeiten und vergisst zudem einen zentralen Aspekt: Wir befinden uns in einer Schule. Wer eigene Kinder hat oder sie zumindest aufwachsen sieht, kennt die Erfahrung geärgert wird, wer Anlass dazu gibt. Das ist nicht gerecht und ein real existierendes Problem, aber inwieweit es sich um ein ernsthaftes Politikfeld handelt, muss sorgfältig abgewogen werden.

Linksextreme Verstrickungen

Sind die Briefschreiber vielleicht selbst sehr offensiv mit ihren politischen Ansichten nach außen getreten? Wie viel Sendungsbewusstsein bekommen die linken Schüler von ihren Eltern mit in die Schule? Ist die überbordende rechte Politisierung mit Hitlergruß und Hitler-Memes eine Reaktion auf die alltägliche Beschallung mit links-grünen Inhalten aus dem Munde einiger Mitschüler oder Lehrer? Diese Informationen sind bislang unbekannt, verändern aber im schulischen Kontext die Ausgangslage und den notwendigen Umgang mit diesen Vorfällen grundlegend.

Diese unklare Gemengelage wird auch nicht durch das lokale Engagement der rechten Splitterpartei „III. Weg“ entkräftet, immerhin ist diese nicht einmal im örtlichen Kreistag vertreten und müsste eine geradezu revolutionär erfolgreiche Graswurzelarbeit leisten, hätte sie das gesamte Gymnasium unter ihre ideologischen Fittiche genommen. Nein, das eigentliche Problem der beiden Brandbriefschreiber und auch die unausgesprochene Pointe des ZDF-Beitrags ist die völlige Erschöpfung der ideologischen Kampfmittel.

Der Landkreis Spree-Neiße ist keine abgehängte Region mit glatzentragenden Dorf-Nazis. Es sind auch nicht plötzlich alle vermeintlichen „Rechtsextremen“ seit dem letzten Wahlerfolg der AfD 2019 (26,5 Prozent) aus ihren Verstecken gekrochen und unterwandern nun die bürgerliche Zivilgesellschaft. Sowohl die Lokalpolitik als auch die interviewten Anwohner vor Ort haben dem ZDF offenbar nicht die gewünschten hysterischen Reaktionen geliefert. Ist dies ein weiteres Indiz für die Verharmlosung und Gleichgültigkeit gegenüber dem Rechtsextremismus in weiten Teilen der (mittel-)deutschen Gesellschaft? Nein, lediglich die Glaubwürdigkeit der selbsternannten „Rechtsextremismusexperten“ und ihrer Sprachrohre von taz über Springerpresse bis hin zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk hat sich in weiten Teilen der Bevölkerung in Luft aufgelöst.

Ein starker Verlust der Glaubwürdigkeit

Das eigentliche Problem des Ortes Burg ist, dass er seinen Jugendlichen keine identitätsstiftenden Strukturen bieten kann. Die Jugendlichen haben keine Möglichkeit, ein positives Selbstbild über ihre Herkunft und Heimat zu entwickeln. Sie setzen einem System der totalen Selbstverleugnung das in ihren Augen ultimative Zeichen des Engagements für das Eigene entgegen. Rechtfertigt das Vandalismus in der Schule? Nein. Staatliche Einrichtungen müssen neutrale Begegnungsstätten sein, auch wenn der Unterricht das manchmal nicht ist. Den Schülern in Burg, in Brandenburg und in ganz Deutschland muss gezeigt werden (dürfen), dass es ein positives Bekenntnis zu Deutschland jenseits von Faschismus und Nationalsozialismus gibt.

Dabei muss es ihnen erlaubt sein, auch einmal über die Stränge zu schlagen, nicht jeder erhobene Arm ist eine Staatsaffäre und nicht jede jugendliche Grenzerfahrung eine Einstellung fürs Leben. Ein Mensch mit einem gesunden Selbstbild muss nicht nur sein eigenes Profil, sondern auch das der Gemeinschaft um ihn herum kennen und schätzen lernen. Die Schule kann nicht alles Lebensnotwendige vermitteln, aber die Liebe zum Eigenen gehört zweifellos dazu.


Zur Person:

Mike Gutsing, Jahrgang 1999, hat Geschichte studiert und lebt in Mitteldeutschland. Das besondere Interesse des Korporierten gilt der deutschen Geschichte und Kultur.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.