Freilich #34: Am Weg zur Volkspartei?

Hörsaalgeflüster (4): Lob der Burschenschaft

Nicht nur innerhalb der öffentlichen Wahrnehmung sind Burschenschaften oftmals Stein des Anstoßes. Auch im rechten Spektrum sind die historischen Korporationen teils umstritten. Marc Brunner, selbst Burschenschafter, hebt trotzdem zu einem unverhohlenen Lob dieser besonderen und wichtigen Studentenverbindungen an.

Kommentar von
29.6.2025
/
4 Minuten Lesezeit
Hörsaalgeflüster (4): Lob der Burschenschaft

Ende der Probezeit: Der junge Fuchs legt seinen Burscheneid ab und verpflichtet sich damit gegenüber der Verbindung zur lebenslangen Treue.

© Grazer akad. B! Marko-Germania

Elitär und verschlossen, bisweilen reaktionär, jedenfalls streng traditionalistisch, hier und dort versoffen, oftmals eingebildet: die Liste der Vorurteile und Meinungen der Deutschen Burschenschaft gegenüber ist nicht kurz. Dabei scheint es vor allem im Auge des Betrachters zu liegen, ob es sich bei den historischen Korporationen um verschwiegene Kaderschmieden mit hohen Ansprüchen an ihre Mitglieder oder doch eher um Versammlungen von patriotischen Langzeitstudenten mit einer Leidenschaft fürs Biertrinken handelt. Während etwa in Österreich die Burschenschaften seit jeher im Dritten Lager äußerst prominent vertreten waren, entdeckte auch die bundesdeutsche AfD in den letzten Jahren die konservativen Studentenverbindungen als Quelle fähigen Personals – seien es Mandatsträger oder Mitarbeiter: die Parteibuchinhaber mit korporativen Hintergrund nehmen zu.

Viel Feind, viel Ehr

Während die öffentlichen Anfeindungen bis hin zu gewalttätigen Ausschreitungen insbesondere gegen die Korporationshäuser in letzter Zeit wieder zunehmen, ist die Rolle und Stellung der Burschenschaften auch innerhalb des rechten Spektrums keineswegs unumstritten. So wird schon seit geraumer Zeit aus aktivistischen Kreisen insbesondere die Selbstgenügsamkeit der Korporationen beklagt, welche ihren Mitgliedern zwischen Kneipen, Konventen und dem Mensurboden kaum noch Zeit für das Studium (geschweige denn für die explizit politische Betätigung) lasse. Eine durchaus berechtigte Kritik, die schon anderswo diskutiert wurde und weiterhin zu beachten ist. Denn zur Wahrheit gehört: Einem aktiven Mitglied eines funktionierenden Bundes wird tatsächlich kaum Zeit für irgendwas jenseits der Burschenschaft bleiben. Zwei Wochen nach dem alljährlichen Burschentag in Eisenach scheint der Zeitpunkt jedoch reif, dennoch einmal eine kleine Lobeshymne auf diese wichtigste Form der Studentenverbindung zu singen, indem nun im Folgenden von ihren schönsten Seiten erzählt werden soll.

Von Füxen, Burschen und Mensuren

Es ist wohl geläufig, dass Burschenschaften ihre aktiven Mitglieder – das sind die Studenten, die den Bund am Ort aufrechterhalten – in probende und vollwertige Mitglieder aufteilen. Diese Unterscheidung von neuen Füxen und arrivierten Burschen hat vor allem den Sinn, die Neuen angesichts der Fülle der Herausforderungen des burschenschaftlichen Lebens nicht zu überfordern; weiterhin dient die Fuxenzeit als Bewährung, denn nicht jeder, der bereitwillig ein Band aufnimmt, ist würdig und fähig, Burschenschafter zu sein.

Gleich zu Beginn der Aktivenlaufbahn obliegt es dem frischen Fuxen, sich einen Leibburschen zu suchen. Dieser leitet den neuen Burschenschafter während seiner ersten Schritte im korporativen Spektrum an und übernimmt zumeist über die gesamte Aktivenzeit die Rolle eines Mentors. Nicht selten entstehen so tiefe, lebenslängliche Freundschaften, die sich nach Aufnahme des Burschenbandes – welche gleichbedeutend mit der Aufnahme in den Lebensbund der Korporation ist – durch die Übergabe des Bandknopfes und eines Bierzipfels von Leibbursch an Leibfux in zwei starken Symbolen niederschlägt, die dann das ganze restliche Leben zum Vollcouleur getragen werden.

Im Regelfall hat der dem Fuxenstatus entwachsene neue Bursch zu diesem Zeitpunkt bereits seine erste Mensur geschlagen und durch die freiwillige Aufnahme eines gewissen Risikos gezeigt, dass er für seinen Bund auch in schwierigen Situationen einstehen kann und will. Man braucht die Mensur hierbei nicht zum letzten verbliebenen Mythos des deutschen Studententums hochzustilisieren, um die integrativen und persönlichkeitsbildenden Aspekte dieser Mutprobe herauszustellen. In einer Zeit jedoch, in welcher nichts wichtiger erscheint als das oberflächliche und aalglatte Zurechtkommen mit alles und jedem, kann aber auch nicht verschwiegen werden, dass der Mensuren schlagende Waffenstudent in seiner Haltung, welche die körperliche Unversehrtheit und das möglichst angenehme persönliche Vorankommen für sekundär erklärt, sich durch eine grundsätzliche Differenz gegen den Hauptstrom der charakterlich weichgespülten und intellektuell zunehmend deformierten Studenten auszeichnet.

Wer die scharfen Gänge erstmals gewagt hat, ist nach gestandener Partie sicherlich zumindest in dieser Hinsicht ein grundsätzlich Anderer. So gerüstet, beginnt für den jungen Burschen eine Zeit, in welcher er durch die Übernahme von Vorstandsämtern den aktiven Bund leiten kann und – angesichts der nunmehr schon chronisch dünnen Personaldecke – dies im Regelfall auch muss. Diese verantwortungsvollen Aufgaben sind es, welche neben dem Pauken (also dem Erlernen des akademischen Fechtens) die meiste Zeit beanspruchen und in welchen ein jeder Führungspotenzial und Engagement beweisen kann.

Auch eine Schule des Lebens

Wer diese tatsächlich bisweilen schulmäßige Ausbildung besteht, darf sich – oftmals nach vier bis sechs aktiven Semestern – inaktivieren lassen und verliert sodann mehr oder minder augenblicklich die meisten Pflichten, die er bis hierhin auferlegt bekommen hat – sei es das obligate Pauken oder die Anwesenheitspflicht bei gängigen Veranstaltungen. Während die Inaktiven oftmals schon aufgrund ihrer Erfahrung und der internen Hierarchie die Granden des Bundes darstellen und sich als solche auch gerne mal bedienen und bewundern lassen, so ist die Inaktivität doch der Zeitpunkt, in welchem das Studium und andere Dinge endgültig wichtiger werden als das Bundesleben. Denn nun gilt es, was bisweilen durch harte Lektionen gelernt wurde, auf das restliche Leben zu übertragen.

Dass dies im Regelfall gelingt, zeigen die mithin höchst erfolgreichen Karrieren, in die es viele Alte Herren verschlägt. Oftmals wird diese Abnabelungsphase des Inaktiven von seinem Bund begleitet von Gefühlen des Überdrusses; zu prägend waren meist die vergangenen Jahre, um von vornherein zu erkennen, wie sehr man von ihnen profitiert hat. Wer aber erstmal über ein oder zwei Jahre einen gesunden Abstand zum eigenen Bund bekommen hat, dürfte wie ich – der auf fast fünf Jahre als Burschenschafter zurückblickt – vor allem eine große Dankbarkeit empfinden: für die einzigartige Gemeinschaft mit ihren teilweise verschrobenen, bisweilen aber sehr erhebenden Ritualen; für die gemeisterten Herausforderungen; für die Möglichkeit, ein besonderes und lebendiges Erbe in diese traditionsvergessenen Zeiten tragen zu dürfen.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor

Marc Brunner

Marc Brunner wurde 1997 in Westdeutschland geboren. Der studierte Philosoph interessiert sich für das griechische Denken und antike Geschichtsschreibung.

Kann FREILICH auf Ihre Unterstützung zählen?

FREILICH steht für mutigen, konservativ-freiheitlichen Journalismus, der in einer zunehmend gleichgeschalteten Medienlandschaft unverzichtbar ist. Wir berichten mutig über Themen, die oft zu kurz kommen, und geben einer konservativen Öffentlichkeit eine starke Stimme. Schon mit einer Spende ab 4 Euro helfen Sie uns, weiterhin kritisch und unabhängig zu arbeiten.

Helfen auch Sie mit, konservativen Journalismus zu stärken. Jeder Beitrag zählt!