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Von Niqab zum GPS-Tracker: Russland schlägt bei Ausländerkriminalität zurück

Mit neuen Gesetzen, Sprachtests und digitaler Überwachung will Russland die Probleme im Zusammenhang mit der Migration in den Griff bekommen. Ilia Ryvkin zeigt, wie der Staat dabei vorgeht.

Kommentar von
31.5.2025
/
5 Minuten Lesezeit
Von Niqab zum GPS-Tracker: Russland schlägt bei Ausländerkriminalität zurück

Russische Polizeibeamte bei einer Personenkontrolle in Moskau.

© IMAGO / Russian Look

Der ehemalige Präsident Kasachstans, Nursultan Nasarbajew, ließ mitten in der Steppe eine neue Hauptstadt errichten – und benannte sie kurzerhand nach sich selbst. Nursultan wirkt wie eine Raumstation, die versehentlich in der kasachischen Einöde gelandet ist und beschlossen hat, zu bleiben. Zwischen glitzernden Gold-Eiern, Glaspyramiden und Denkmälern, die an Bildschirmschoner aus den frühen 2000ern erinnern, trotzen die Bewohner tapfer den extremen Temperaturen: minus 40 Grad im Winter, plus 40 Grad im Sommer. Getröstet von dem Gedanken, in der futuristischsten Stadt der Welt zu leben – auch wenn diese außerhalb Kasachstans kaum jemand kennt.

Altes Wladimir, stiller Kontrast zur Steppe

In Russland wäre so ein Geniestreich schwer vorstellbar – nicht zuletzt, weil die Stadt Wladimir bereits im Jahr 1108 vom Fürsten Wladimir Monomach gegründet wurde. Im Laufe der Jahrhunderte war sie Hauptstadt der Rus, wurde von den Mongolen zerstört, verliebte sich in den weißen Stein und bekam sogar ein Goldenes Tor – kleiner als das in Kiew, aber ein echtes.

Heute präsentiert sich Wladimir als gemütlicher Mix aus altrussischer Erhabenheit, Plattenbauten an den Hängen und Kleinbussen mit der Aufschrift „Susdal“. Touristen kommen wegen der Uspenski-Kathedrale und den alten Fresken von Rubljow. Die Einheimischen dagegen leben ihren Alltag – und blicken gelegentlich hinüber nach Moskau, zu dem lärmenden Nachbarn, der längst erwachsen sein sollte.

Kulturkonflikt im Klinikalltag

Doch auch hier mangelt es nicht an Absurditäten – manche davon sind leider makaber. Neulich stürmte in Wladimir ein Wahhabit in eine Klinik und attackierte einen Arzt, weil dieser es gewagt hatte, seine Ehefrau medizinisch zu untersuchen.

Der Arzt, ein erfahrener Facharzt mit über zehn Jahren Berufspraxis, hatte vor einigen Wochen eine Patientin „mit orientalischem Erscheinungsbild“ behandelt, die vollständig im Nikab verhüllt war und von einer Dolmetscherin begleitet wurde. Die Frau sprach kaum Russisch und brauchte eine Koloskopie – eine Darmspiegelung. Pikant: Sie war heimlich gekommen, ohne Wissen ihres Ehemanns, der eine medizinische Untersuchung offenbar als „Ehrverletzung“ wertete – mit potenziell tödlichen Folgen.

„Wenn ihr Mann erfährt, dass sie jemandem außer ihm ihre Reize gezeigt hat, liegt sie bald irgendwo im Wald – ohne Kopf, Arme und Beine. Und ich gleich mit“, erklärte der Arzt später. Trotz der Bedrohung tat er, was seine Berufsethik verlangte – und bezahlte das beinahe mit seinem Augenlicht: Der Ehemann stürmte kürzlich mit einem Messer die Klinik und verletzte den Arzt schwer. Der Zustand des Mediziners ist ernst. Ob die Frau noch lebt, ist unbekannt. Ist das ein tragischer Einzelfall oder ein kulturell bedingtes Missverständnis?

Kriminalitätsbilanz und politische Reaktion

Im März 2025 veröffentlichte das russische „Zentrum für Analyse von Migrationsbewegungen“ (ZAMT) einen brisanten Bericht zur Migrantenkriminalität. Demnach begehen Migranten in Russland zwei- bis dreimal häufiger Straftaten als sie Opfer werden – und diese sind oft besonders schwerwiegend. Besonders häufig handelt es sich um Terrorismus, Sexualdelikte, Drogenhandel oder Raub – vor allem in Ballungsräumen wie Moskau. Auffällig: Die Zahl der von illegalen Migranten begangenen Straftaten hat sich 2024 beinahe verdreifacht. Extremistische Delikte nahmen sogar um 147 Prozent zu. Offizielle Statistiken blenden oft „neue Staatsbürger“ aus, also frisch eingebürgerte Migranten, was das Bild weiter verfälscht.

Der russische Staat zieht die Schrauben in der Migrationspolitik nun kräftig an: Schnellabschiebungen, Sprachpflicht für Schulkinder, regionale Beschäftigungsbeschränkungen, digitale Kontrolle – eine elektronische Migranten-ID und ein scharfes Kontrollregister gehören zum Maßnahmenpaket.

Wer nicht registriert ist, verliert fast alles

Seit dem 5. Februar 2025 gilt das „Register kontrollierter Personen“ – eine Datenbank des Innenministeriums, die alle illegal im Land lebenden Ausländer erfasst. Viermal täglich wird sie aktualisiert, und Arbeitgeber, Behörden sowie staatliche Stellen können jederzeit darauf zugreifen. Mit diesem System wird überprüft, ob Ausländer legal in Russland sind, bevor sie staatliche Leistungen erhalten, einen Job antreten, Immobilien anmelden oder ihre Kinder in Schulen und Kindergärten eingeschult werden. Wer im Register steht, hat diese Rechte nicht.

Aktuell leben laut Innenministerium rund 670.000 Ausländer illegal in Russland – die Hälfte davon Frauen und Kinder. Wer bis zum 1. Mai 2025 keine Legalisierung erreichte, muss mit Abschiebung rechnen. Danach gibt es keinen freiwilligen Ausweg mehr.

Seit dem 1. April 2025 gilt zudem: Kein Schulbesuch mehr für ausländische Kinder ohne bestandenen Russisch-Test. Schon Mitte Mai legte die Bildungsaufsicht erste Zahlen vor: 81 Prozent der migrantischen Antragsteller scheiterten bereits daran, überhaupt zum Test zugelassen zu werden – meist wegen fehlender oder gefälschter Dokumente. Von den wenigen, die den Test absolvieren durften, fielen weitere 39 Prozent durch – sie beherrschten die Sprache nicht auf dem geforderten Niveau. Prognostiziert man die Ergebnisse auf die rund 200.000 zugewanderten Schulkinder – so die Zahl, die Dmitri Medwedew im Dezember nannte – erfüllen nur etwa 23.000 die Voraussetzungen für einen Schulplatz. Der Rest muss draußen bleiben.

Arbeitsverbot für ganze Branchen

Die seit Juli letzten Jahres in dutzenden Regionen geltenden Regeln für ausländische Arbeitskräfte werden 2025 weiter verschärft. Mittlerweile haben 35 Regionen branchenspezifische Verbote für Migranten erlassen. In immer mehr Landesteilen gilt: Keine Jobs mehr für Ausländer in Gastronomie, Taxi, Einzelhandel, Hotellerie – teils sogar in der Landwirtschaft. Selbst Bereiche wie Kultur, Bildung, Freizeitangebote, Personaldienste und temporäre Unterkünfte werden für Migranten zunehmend zur Sperrzone. Wer nicht dazugehört, soll nicht in Schlüsselbereichen arbeiten, in denen er regelmäßig mit Einheimischen in Kontakt kommt. Russland schützt damit gezielt seine sozialen Strukturen und nimmt Migranten die Berufe, in denen sie bisher oft überrepräsentiert waren. Legal arbeiten dürfen Ausländer nur noch mit einem sogenannten Patent – einer speziellen Arbeitserlaubnis, die genau regelt, was wo erlaubt ist. Und auch hier entscheidet die Region.

Totale Überwachung per Smartphone

Vor wenigen Tagen verabschiedete die Duma ein Gesetz zur digitalen Kontrolle von Migranten. Der Staat will wissen, wer sich wo aufhält und was er dort tut. Behörden dürfen jetzt den Standort ausländischer Arbeitskräfte per Mobiltelefon orten – lückenlose Überwachung in Echtzeit. Zudem gilt eine Meldepflicht: Jeder Migrant muss sich an seinem Wohnort registrieren und innerhalb von drei Tagen bei einem Umzug die neuen Daten melden. Schluss mit Tricks wie dem Erwerb eines Patents in der Provinz, um dann schwarz in Moskau zu arbeiten. Die Polizei sieht jetzt, wer wo ist, und kann sofort einschreiten.

Ausreden wie „Das GPS hat sich geirrt“ zählen nicht mehr. Wer täglich zur Baustelle fährt, hinterlässt Spuren, und die Behörden sammeln sie. Am Ende entsteht ein vollständiges Bewegungsprofil. Die Zeiten des Herumtricksens sind vorbei. Finanziert wird die Migranten-ID übrigens von den Migranten selbst – sie zahlen für ihre eigene digitale Überwachung.

In Moskau und Umgebung startet ab 1. September 2025 ein Pilotprojekt zur Überwachung von Ausländern per Smartphone. Das entsprechende Gesetz wurde am 20. Mai verabschiedet. Wie sich der Ausbau der umfassenden digitalen Überwachung langfristig auswirkt – auch für die einheimische Bevölkerung – und wie ich persönlich dazu stehe, würde hier zu weit führen. Sicher ist: Die Behörden der Region gehen das Thema mit Nachdruck an. „Unsere Hauptaufgabe“, so der Sprecher der regionalen Polizei, „ist es, die Moskauer Region ,aufzuhellen‘, damit sie nicht von Ausländern ,geschwärzt‘ wird.“ Auch die gewählte rhetorische Direktheit bedarf keiner weiteren Kommentare.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor

Ilia Ryvkin

Ilia Ryvkin Jahrgang 1974, wurde im russischen Petrosawodsk geboren und lebt derzeit in Berlin. Als Journalist und Dramaturg erhielt er zahlreiche Auszeichnungen und Stipendien. Ryvkin ist als Korrespondent für Osteuropa und Zentralasien tätig.

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