Medienbericht: Bild-Zeitung soll in israelischen Geheimdienstskandal verwickelt sein
Ein Vertrauter von Netanjahu soll der deutschen Bild-Zeitung streng geheime Militärdaten weitergegeben haben, mutmaßlich, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen.
Laut israelischen Medienberichten ist die Bild-Zeitung in einen Geheimdienstskandal verwickelt.
© IMAGO / photothekTel Aviv. – Ein hochrangiger Berater des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu steht im Mittelpunkt eines weitreichenden Geheimdienstskandals. Wie die israelische Wirtschaftszeitung Calcalist berichtet, soll Yonatan Urich, Kommunikationsberater des Premierministers, wegen schwerer Sicherheitsvergehen angeklagt werden, vorbehaltlich einer Anhörung. Hintergrund ist die mutmaßliche Weitergabe streng geheimer Informationen an die deutsche Bild-Zeitung, die am 6. September 2024 über geheime Hamas-Dokumente berichtet hatte.
Geheime Informationen zur Einflussnahme genutzt
Laut Anklage soll Ulrich gemeinsam mit Eli Feldstein, dem ehemaligen Sprecher des Premierministers, geheime Rohdaten aus Systemen der israelischen Streitkräfte extrahiert haben. Die Informationen stammen aus geheimdienstlichen Quellen und wurden demnach gezielt veröffentlicht, um die öffentliche Wahrnehmung des Premierministers zu beeinflussen und den damaligen Diskurs über die Ermordung der sechs Entführten im August 2024 in einem Tunnel in Rafah zu verändern. Die Veröffentlichung der Dokumente habe die Absicht verfolgt, die Staatssicherheit zu gefährden, heißt es in der Anklage.
Der Vorwurf lautet, die Weitergabe solcher Informationen hätte potenziell Menschenleben gefährden und militärische Operationen im Gazastreifen kompromittieren können. Das von der Bild-Zeitung veröffentlichte „Hamas-Dokument“ soll unter anderem Anweisungen zu strategischen Maßnahmen enthalten, „wie die Familien der Geiseln gefoltert und die internationale Gemeinschaft manipuliert werden sollen“. Ziel sei unter anderem gewesen, die militärischen Fähigkeiten für Maßnahmen gegen Israel wiederherzustellen, den politischen und militärischen Apparat Israels zu erschöpfen und den internationalen Druck auf Israel zu erhöhen.
„Niemals vertrauliche Informationen preisgegeben“
Yonatan Urichs Anwälte wiesen die Anschuldigungen entschieden zurück. Er habe niemals vertrauliche Informationen besessen oder preisgegeben und sicherlich nicht die Staatssicherheit gefährdet. Die Verdächtigungen seien unbegründet. Auch Feldsteins Anwälte erklärten, ihr Mandant habe mit Urich im Wissen gehandelt, dass die Aktion nach Ermessen und Zustimmung des Premierministers erfolgte. Sie kritisierten, dass die Staatsanwaltschaft neun Monate gebraucht habe, um zu einem durch das Ermittlungsmaterial gestützten Schluss zu gelangen.
Dokument soll nicht existieren
Der Skandal weitete sich aus, als der israelische Journalist Ronen Bergman von Ynet und Yedioth Ahronoth aufdeckte, dass das von der Bild-Zeitung veröffentlichte „Sinwar-Dokument“ entweder gar nicht existiere oder auf einem internen Hamas-Papier der mittleren Funktionärsebene beruhe, das nie offiziell angenommen wurde. Die Darstellung in der Zeitung erwecke den Eindruck, sein Inhalt sei das Gegenteil von dem, was es tatsächlich sagt. Mit anderen Worten habe eine deutsche Zeitung nicht nur geheime IDF-Dokumente erhalten, sondern auch eine sehr subjektive Zusammenfassung und Erklärung des Inhalts, heißt es im Calcalist-Bericht dazu.
Auch die britische Zeitung Jewish Chronicle veröffentlichte demnach wenige Tage zuvor ein weiteres angebliches „Sinwar-Dokument“. Später stellte sich jedoch heraus, dass es dieses Dokument nie gegeben hatte. Die Zeitung nahm den Artikel zurück und veröffentlichte eine Entschuldigung.
„Bild“-Bericht als Reaktion auf Rafah
Die Veröffentlichung des Dokuments durch Feldstein soll gezielt nach der Ermordung der sechs Geiseln im Rafah-Tunnel und den daraufhin eskalierenden Protesten im September erfolgt sein. Damit wollte er offenbar den öffentlichen Diskurs und einen möglichen Geiseldeal beeinflussen, heißt es in dem Calcalist-Bericht. Dem Bericht zufolge steht Reservist Ari Rosenfeld im Verdacht, mehrere dieser Dokumente – darunter das zentrale Hamas-Papier – an Feldstein weitergegeben zu haben. Nach der Veröffentlichung soll er sich mit Feldstein getroffen und ihm die Unterlagen in Papierform übergeben haben.
Nach ersten Prüfungen durch die israelische Armee übernahm der Inlandsgeheimdienst Schin Bet die Ermittlungen. Im Rahmen einer verdeckten Operation wurde schließlich der ursprüngliche Informant identifiziert. Im Verlauf der nun offenen Ermittlungen wurden weitere Verdächtige identifiziert. Auch die Polizei ist an den Untersuchungen beteiligt.
Während gegen Feldstein bereits Anklage erhoben wurde, gilt Urich offiziell noch als Verdächtiger. Für Dienstag ist vor dem Bezirksgericht in Tel Aviv eine gerichtliche Anhörung zu Feldsteins Hausarrest sowie dem Vorwurf der selektiven Strafverfolgung gegen Urich angesetzt. Generalstaatsanwalt Amit Isman erklärte jedoch, dass auch Urich vorbehaltlich einer Anhörung angeklagt werden soll.