Die Gründe für den Bruch des RN mit der AfD

Die französische konservative Partei RN um Parteichefin Marine Le Pen will auf europäischer Ebene nicht mehr mit der AfD zusammenarbeiten. Der französische Publizist Thomas Ferrier erklärt in seiner Analyse die Hintergründe.

Analyse von
23.5.2024
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2 Minuten Lesezeit
Die Gründe für den Bruch des RN mit der AfD
Marine Le Pen und Maximilian Krah© IMAGO / ZUMA Wire / Nordphoto

Marine Le Pen und Jordan Bardella, die Parteichefs der französischen Rechtspartei RN, haben diese Woche bekannt gegeben, dass sie in der nächsten Legislaturperiode nicht mehr neben den Abgeordneten der AfD sitzen werden. Offizielle Begründung: Maximilian Krah, Spitzenkandidat der deutschen Partei für die Europawahlen, habe zu sehr provoziert und sei nun auch intern sehr umstritten.

Auslöser der RN/AfD-Krise war die Berichterstattung in der deutschen Presse, dass Martin Sellner, Gründer der Identitären Bewegung im Nachbarland Österreich und von der Presse vorschnell als „Neonazi“ bezeichnet, an einer privaten Konferenz in Potsdam teilgenommen hatte. Anwesend waren unter anderem auch Vertreter von Alice Weidel, die Vorsitzende der AfD, aber auch Vertreter der Werteunion, des rechten konservativen Flügel der CDU. Bei diesem Treffen wurde der Begriff der Remigration in den Vordergrund gerückt.

Es kriselte schon lange

Marine Le Pen verurteilte daraufhin den Begriff der Remigration und forderte Alice Weidel auf, sich dafür einzusetzen, dass er nicht im Programm der AfD auftaucht. Die AfD reagierte darauf, indem sie Marine Le Pen vorwarf, die völkerrechtswidrige Angliederung Mayottes an Frankreich statt an die Komoren zu unterstützen. Das wiederum empörte die RN-Chefin, die fragte, was das mit den Deutschen zu tun habe.

Mit der noch nicht rechtskräftigen Verurteilung von Björn Höcke wegen der Verwendung einer „SA-Parole“, mit der früheren Unterstützung von Éric Zemmour durch Maximilian Krah im Jahr 2022 (was Marine Le Pen natürlich störte), dazu der Affäre um einen von ihm eingestellten parlamentarischen Mitarbeiter, der chinesischen Interessen gedient haben soll, gab es für den RN viele Gründe, sich von ihm zu distanzieren.

Chance zur Schwächung der Rechtspartei Reconquête

Am 17. Mai 2024 reiste Marine Le Pen auf Einladung der Partei Vox von Santiago Abascal nach Spanien, um an einer Konferenz mit dem Titel „Europa Viva 2024“ teilzunehmen. Bei dieser Gelegenheit bemühte sie sich erneut um eine Annäherung an die liberalkonservative EKR-Fraktion, der Reconquête, die Partei von Éric Zemmour, angehört. Marine Le Pen hofft, dass Reconquête bei den Europawahlen keine Abgeordneten stellen wird und sie die ID (ohne AfD) mit dieser EKR-Fraktion verbinden kann. So kam sie auf die Idee, die AfD diesem Bestreben zu opfern.

Marine Le Pen hat sich also aus internen Gründen und keineswegs wegen der Äußerungen Krahs – zuletzt in einem Interview mit einer italienischen Zeitschrift, in dem er eine mit der Hitlerzeit verbundene Organisation erwähnte, ohne sie pauschal zu verurteilen – entschieden, sich von der AfD zu distanzieren. Krahs jüngste Äußerung war also nur ein weiteres Alibi, um diesen Bruch zu rechtfertigen. Man kann sich vorstellen, dass Jordan Bardella, der offizielle Parteivorsitzende der RN, sich gezwungen sah, diesem Beispiel zu folgen.

Das Ziel: eine große konservative Fraktion

Morgen könnte er genauso gut die Lega ausschließen, deren Kandidat, der ehemalige General Robert Vannacci, die RN intern wegen einer Reihe von als provokativ empfundenen Äußerungen stört.

Marine Le Pen, die hofft, 2027 zur Präsidentin Frankreichs gewählt zu werden, ist zu allem bereit, um sich durchzusetzen, auch in Migrationsfragen. In diesem Zusammenhang ist das Bündnis mit der AfD problematisch geworden. Alles, was spaltet, alles, was diesen persönlichen Ehrgeiz, Kalif anstelle des Kalifen zu sein, stört, wird sie ausklammern. Die Wähler, von denen viele aufgrund zahlreicher Missverständnisse für die RN gestimmt haben und die nichts von der internen Küche der RN wussten, könnten am Ende sehr enttäuscht sein.


Zur Person:

Thomas Ferrier ist französischer Politikwissenschaftler und Verfechter eines vereinten Europas.