Wieso es KI-Start-ups in Österreich so schwer haben

Künstliche Intelligenz hat die Welt voll im Griff. Es vergeht aktuell kein Tag, an dem man nicht über einen Artikel zu neuen Entwicklungen in diesem Bereich stolpert. In so gut wie jedem Land wird fleißig daran gearbeitet, ein noch besseres, noch schnelleres, noch innovativeres KI-System zu entwickeln, das man an den Mann bringen kann. Dass das manchmal aber gar nicht so einfach ist, zeigen Beispiele aus Österreich.

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Wieso es KI-Start-ups in Österreich so schwer haben
KI-Start-ups haben es in Österreich nicht gerade einfach© IMAGO / Alexander Limbach

Hierzulande haben es KI-Start-ups nicht gerade leicht. In der aktuellen Ausgabe des FREILICH-Magazins erklärt Sepp Hochreiter, einer der weltweit führenden KI-Forscher im Interview, dass es bei der Zusammenarbeit von österreichischen Firmen mit Forschern aus dem Bereich KI großen Aufholbedarf gibt. Oft ist es so, dass sich eher große Firmen aus dem Ausland an die Experten wenden und fragen, wie man gewisse Dinge umsetzen könnte. Es sei schade, dass das Potenzial nicht von heimischen Unternehmen genutzt wird, sondern sich am Ende etwa amerikanische Firmen die Expertise abholen, betont Hochreiter.

Wenig Interesse an EnliteAI am heimischen Markt

Ein Beispiel für ein heimisches Start-up, das in Österreich keinen Anklang findet, im Ausland aber sehr wohl, ist EnliteAI. Das 2017 gegründete Unternehmen hat ein Programm mit einer Künstlichen Intelligenz entwickelt, mit dem man den Zustand von Straßen untersuchen kann. Das System erkennt, ob und wie kaputt die Straßen sind, ob noch alle Bodenmarkierungen sichtbar sind, und ob die Mülleimer alle noch dort sind, wo sie ursprünglich aufgestellt worden waren. Bisher wurde das aufgenommene Bildmaterial größtenteils händisch ausgewertet. Menschen zeichneten auf Karten die Stellen ein, bei denen es Abweichungen gab. Nun kann dieser Schritt dank des EnliteAI-Programms automatisiert erfolgen. Inzwischen nutzt auch die Stadt Wien diese moderne Lösung. Wenn es keine internationalen Partner gegeben hätte, würde es das Unternehmen aber gar nicht geben, erklärte Clemens Wasner, einer der Gründer von EnliteAI, gegenüber futurezone.

Auch das zweite Produkt, das EnliteAI mit Forschungsförderungen aus und in Österreich entwickelt hat, stößt ausgerechnet am heimischen Markt auf weniger Interesse als im Rest der Welt. Damit lassen sich Stromübertragungsnetze automatisiert steuern. Die KI trifft dann selbstständig Entscheidungen über den Zustand des Stromnetzes. Dadurch lassen sich teure Kosten, die bei einer manuellen Schaltung mit Zukäufen am Strommarkt erfolgen, vermeiden. Das System basiert auf „Reinforcement Learning“, einer Form von maschinellem Lernen, mit dem Computer lernen, Aufgaben durch wiederholte Interaktionen in einer dynamischen Umgebung auszuführen. EnliteAI hat jahrelang daran geforscht und auch den Staatspreis Innovation dafür in Österreich erhalten.

Mit dem System ließen sich bis zu 60 Prozent der derzeit entstehenden Kosten einsparen, in Österreich wären das 80 bis 120 Millionen Euro pro Jahr, so Wasner. Das System müsste jetzt in der Praxis erprobt werden. Interessent finden sich in Österreich trotz des großen Potenzials jedoch nicht. „Wir haben jetzt einige Pilotprojekte mit internationalen Stromnetzbetreibern gestartet, unter anderem mit dem französischen Netzbetreiber RTE“, sagt Wasner. „Mich macht das sprachlos, dass wir in Österreich hören: Pilotprojekt gerne, aber wir wollen nichts dafür zahlen. Dabei reden wir hier nicht einmal von sechsstelligen Beträgen“, so der Gründer des KI-Start-ups. Wasner, dessen System es bei einer weltweiten Stromnetz-Blackout-Challenge sogar einmal unter die Top 3 geschafft hat, kritisierte die EU dafür, dass es keine andere Region der Welt gäbe, die so wenig in Künstliche Intelligenz investiert wie sie.


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Deep Opinion geht es ähnlich wie EnliteAI

Stefan Engl vom Tiroler KI-Start-up Deep Opinion geht es ähnlich wie Wasner. Österreich sei ein super Land, aber als Umgebung, um ein schnell wachsendes Technologieunternehmen aufzubauen, sei es im internationalen Vergleich relativ schlecht, erklärte der CEO des Unternehmens. Und dabei spricht er nicht nur vom Silicon Valley, sondern auch von Deutschland, Frankreich, Großbritannien oder der Schweiz. „Ich will es aber von hier aus machen und dafür nehmen wir Widrigkeiten auf uns. Das Gute ist: Seit Covid-19 ist die Welt remoter geworden“, zitiert ihn futurezone.

Das 2021 gegründete Start-up Deep Opinion automatisiert wiederkehrende kognitive Aufgaben mit Hilfe einer KI. „Das können Tätigkeiten sein wie E-Mails von einem allgemeinen Postfach in andere Folder zu verschieben, oder an andere Zielpersonen zu versenden, oder das Verbuchen von Rechnungen“. Menschen sollten stattdessen wieder für wichtige Dinge eingesetzt werden können, findet er. Etwa zum Treffen von Entscheidungen oder für strategisches Denken“. „Die Jobs, die sich um repetitive Aufgaben drehen, das waren sowieso keine schönen Jobs. Sie haben niemandem Spaß gemacht“, ist er sich sicher.

Herausforderungen für KI-Start-ups gewaltig

Die Herausforderungen für das KI-Start-up seien aber gewaltig. „Wir sind nicht gerade mit Investoren gesegnet, die breite Masse sitzt in London, Berlin oder den USA. Auch die österreichischen Betriebe agieren nicht super schnell, wenn es darum geht, das Risiko einzugehen, mit einem Start-up zusammenzuarbeiten. Deshalb müssen wir international sowohl auf Kapital- als auch auf Kundenjagd gehen“, erklärt Engl. Auch die Mitarbeiter in dem Bereich, die Talente, seien großteils im Ausland zu finden. „Und plötzlich sitzt nur noch das Kernteam hier in Österreich, und der Firmensitz. Aber wenn du erfolgreich sein willst, musst du diese Schritte setzen“, erklärt Engl.

Beide Start-up-Gründer sind sich – wie auch Sepp Hochreiter – einig, dass Österreich hier großes Potenzial verspielt. Wasner von EnliteAI sieht noch „Aufholbedarf auf Investorenseite“. „Es handelt es sich bei KI um eine Kern-Zukunftstechnologie, die die nächsten 10 bis 30 Jahre prägen wird“, sagt Engl. Dafür würde in Österreich „viel zu wenig Geld“ in diese Technologie gesteckt. „Wir leisten einen kleinen Beitrag und versuchen auch, das Bewusstsein dafür zu schaffen, aber letztendlich hängt es an den Entscheidungsträgern“, erklärt Engl.