Enttäuschend für den Westen

Überwiegende Mehrheit der Russen steht stabil hinter der Regierung

Wie aktuelle Umfragen zeigen, können sich die staatlichen Institutionen in Russland auf stabile und unverändert hohe Zustimmungsraten vonseiten der Bevölkerung stützen.

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Überwiegende Mehrheit der Russen steht stabil hinter der Regierung
Moskauer Kreml© W. Bulach, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Westliche Ukraine-Unterstützer setzen ihre Hoffnungen nicht zuletzt auf die innerrussische Opposition gegen Präsident Wladimir Putin und dass die russische Bevölkerung der Regierung sukzessive ihre Unterstützung entzieht. Doch danach sieht es nach Einschätzung mehrerer russischer Umfrageinstitute nicht aus.

Auch wenn die russischen Demoskopen davon ausgehen, dass die Zahl der „radikalen“ Unterstützer der russischen Militäroperation in der Ukraine bei lediglich 20 bis 25 Prozent liegt, wird die Politik des Kreml nicht zuletzt durch die „passive Akzeptanz“ vonseiten der Bevölkerung ermöglicht, die sich in anhaltend hohen Zustimmungswerten zur Regierung ausdrückt. Aktuelle Umfragedaten sowohl des unabhängigen regierungskritischen Meinungsforschungsinstitutes Levada-Zentrum als auch des staatlichen Markt- und Meinungsforschungsunternehmens WCIOM deuten darauf hin, dass sich daran auf absehbare Zeit hinaus nichts ändern dürfte.

Mehrheit der Russen sieht „richtige Richtung“ im Land

Die staatlichen Institutionen können sich demnach auf stabile und unverändert hohe Zustimmungsraten vonseiten der Bevölkerung stützen. Selbst die traditionell verbreitete Missbilligung der Arbeit der Duma – des russischen Unterhauses – ging laut den Levada-Demoskopen von 51 Prozent im Januar 2022 auf 35 Prozent im Juli 2022 und 37 Prozent im Dezember 2022 zurück; einer der niedrigsten Werte seit Beginn der Levada-Umfragen im Januar 2000.

Insgesamt sind über 63 Prozent der Befragten der Überzeugung, dass sich Russland in die „richtige Richtung“ entwickelt. Lediglich 24 Prozent sind der gegenteiligen Ansicht. Noch Anfang des Jahres 2022 – vor Beginn des Krieges – waren 39 Prozent der Meinung, dass sich Russland auf dem „falschen Pfad“ bewegt.

Auch die Unterstützung für Kremlchef Putin stieg seit Beginn der sogenannten Spezialmilitäroperation (Ukrainekrieg) stark an und ist mit derzeit 81 Prozent hoch. Seit Beginn des Waffengangs in der Ukraine fiel dieser Wert zu keinem Zeitpunkt unter 77 Prozent. Im Januar 2022 lag die Unterstützung für den russischen Präsidenten noch bei 69 Prozent. Und die Zahl der Kritiker Putins ist mit 17 Prozent derzeit die niedrigste seit April 2018.

Interesse am Krieg ging in Russland zurück

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch das staatliche Markt- und Meinungsforschungsunternehmen WCIOM. Auch wenn die Datenerhebung von WCIOM bei Beobachtern Fragen nach der Unabhängigkeit des Instituts aufwirft, legt der direkte Vergleich der Umfrageergebnisse nahe, dass beide Institute die Grundstimmung der Mehrheit der russischen Bevölkerung im wesentlichen richtig erfassen.

Laut Umfragen des Levada-Zentrums vom 23. Dezember 2022 ging das Interesse der russischen Bevölkerung an der Militäraktion in der Ukraine im Vergleich zum September 2022 deutlich zurück. Während im September 2022 66 Prozent der Befragten die Entwicklungen aufmerksam verfolgten (davon 32 Prozent „sehr aufmerksam“ und 34 Prozent „ziemlich aufmerksam“), waren es im Dezember 2022 nur noch 59 Prozent der Befragten (27 Prozent „sehr aufmerksam“ und 32 Prozent „ziemlich aufmerksam“). Dabei sind die Älteren grundsätzlich interessierter als die Jüngeren.

Auch die Zustimmung zur Militäroperation bewegt sich unerachtet der Mobilisierung im September auf einem nach wie vor hohen Niveau; die bislang höchsten Werte vom März 2022 mit 80 Prozent (davon 52 Prozent „definitiv ja“ und 28 Prozent „eher ja“) wurden zwar seither nicht wieder erreicht. Aber noch immer unterstützten im Dezember 71 Prozent der Befragten das Vorgehen der russischen Streitkräfte in der Ukraine. Gleichzeitig stagniert seit September die Zahl derjenigen, die den Kriegshandlungen gegenüber eine ablehnende Haltung zeigen, bei mageren 20 bis 21 Prozent. Selbst der Anteil der Befürworter einer Verhandlungslösung ist seit Oktober mit 57 Prozent und November 2022 mit 53 Prozent stetig gesunken.

Die Zahl derjenigen, die zumindest ein gewisses Maß an moralischer Verantwortung für das Vorgehen der russischen Streitkräfte in der Ukraine, den Tod von Zivilisten und die Zerstörung von Infrastruktur zu übernehmen bereit sind, hat sich mit 34 Prozent gegenüber den Werten vom August 2022 mit 33 Prozent kaum verändert und ging im Vergleich zu den Werten vom Mai 2022 mit 36 Prozent sogar leicht zurück. Die Zahl der Befragten, die „definitiv“ Verantwortung zu übernehmen bereit sind, stagniert seit April 2022 bei rund zehn Prozent – gleichzeitig ist die Zahl derjenigen, die jedwede moralische Verantwortung von sich weisen, mit rund 60 Prozent (im April waren es gar 65 Prozent) stabil hoch.

Russen sehen Schuld bei der Ukraine und beim Westen

Der überwiegende Teil der russischen Bevölkerung betrachtet das Vorgehen der russischen Streitkräfte den Umfragen zufolge als notwendiges Übel, sieht die Schuld für die Notwendigkeit der Operation aber ganz klar bei der Ukraine sowie beim Westen.

Damit verbunden ist die anhaltend hohe Bereitschaft, auch die mit den westlichen Sanktionen verbundenen Einbußen mitzutragen. Laut einer Levada-Umfrage vom Dezember 2021 machten sich 66 Prozent der Befragten wenig oder gar keine Sorgen über die Auswirkungen der Sanktionen. Ein ähnliches Bild gegenüber der Sanktionspolitik zeichnet auch die jüngste Levada-Umfrage vom November 2022.

Zumindest beim Levada-Institut wird unterstrichen, dass es sich bei den Umfragezahlen um reine „Momentaufnahmen“ handle – und dass unpopuläre Maßnahmen der Regierung rasch zu niedrigeren Zustimmungswerten führen könnten. Aber in den letzten zehn Monaten des Krieges war das so gut wie nie der Fall. Die Demoskopen räumen deshalb ein, dass die Wahrscheinlichkeit für sozial motivierte Massenproteste gering ist.