Österreich: NEOS fordern Pflichtfach „Leben in einer Demokratie“

„Leben in einer Demokratie“ soll ab der ersten Klasse Volksschule unterrichtet werden. Die NEOS begründen dies vor allem mit der Zunahme antisemitischer Vorfälle.

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Österreich: NEOS fordern Pflichtfach „Leben in einer Demokratie“
Mit dem Schulfach soll das Demokratieverständnis gefördert werden.© IMAGO / SEPA.Media

Wien. – Mit einem neuen Pflichtfach wollen die NEOS das Demokratiebewusstsein fördern. „Leben in einer Demokratie“ soll ab der ersten Klasse Volksschule über die gesamte Schullaufbahn unterrichtet werden, wie die Presse berichtet. NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger und der Wiener Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr begründeten dies bei einer Pressekonferenz am Freitag vor allem mit der Zunahme antisemitischer Vorfälle. Sie appellierten an die Bundespolitik, das Vorhaben zu unterstützen.

Religiöse und kulturelle Konflikte auf Wiens Straßen

Seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober hätten zunehmende religiöse Spannungen und kulturelle Konflikte auch vor den Straßen und Schulen Wiens nicht Halt gemacht, sprach Meinl-Reisinger von einer Welle des Hasses und der Radikalisierung. Antisemitische Vorfälle hätten sich in Wien fast vervierfacht, berichtete Wiederkehr. Er berichtete von Gesprächen mit Wiener Juden, die aus diesem Grund über eine Auswanderung nach Israel nachdenken würden.

Die liberale Demokratie, die eine pluralistische und offene Gesellschaft ermögliche und Freiheiten wie Religions-, Versammlungs- und Meinungsfreiheit garantiere, müsse daher verteidigt werden. Die NEOS-Chefin will bei den Schulen ansetzen und dort nicht nur den Kindern, sondern auch „der Demokratie die Flügel heben“. Derzeit gebe es viele externe Angebote für Schulen, diese reichten aber nicht aus, um die „wehrhafte Demokratie zu verteidigen“, so Wiederkehr.

Runder Tisch für Montag geplant

Das neue Fach soll einen eigenen Lehrplan bekommen und allen Kindern demokratische Grundwerte und Grundlagen vermitteln. Dazu gehöre auch politische Bildung, so Wiederkehr. Die NEOS haben dazu auch eine Petition auf ihrer Website gestartet. Für Montag lade sie zu einem runden Tisch unter anderem mit Experten und Lehrern ein, sagte Meinl-Reisinger. Danach werde sie auf alle Parteien zugehen, ihr Ziel sei ein breiter Konsens. Das Fach müsse jedenfalls interdisziplinär angelegt sein. Eine eigene pädagogische Ausbildung sei daher nicht notwendig, so die NEOS-Chefin. Lehrer, die Philosophie, Geschichte oder Politische Bildung unterrichten, könnten auch für „Leben in einer Demokratie“ vor der Klasse stehen.

NEOS-Abgeordneter spricht von „failed communities“

Indes warnte der NEOS-Abgeordnete Yannick Shetty angesichts offen antisemitischer und homophober Stimmungen unter Jugendlichen vor „failed communities“. Vor allem im schulischen Kontext seien die aktuellen Vorfälle unter migrantischen Jugendlichen in Wien (Bombendrohungen mit IS-Bezug, explosionsartige Zunahme antisemitischer Vorfälle) nur Symptome eines Gesamtproblems: „Wir müssen uns eingestehen, dass wir vor Herausforderungen stehen, die kaum lösbar erscheinen. Viele von uns in der Politik waren auf einem Auge blind. Da kann man auch einmal selbstkritisch sein.“ Gravierende Probleme bei der Integration seien „jahrelang unterschätzt“ worden. Gemeint seien damit vor allem der eigene Koalitionspartner in Wien, die SPÖ, sowie die Grünen, die „aus einem gutgläubigen Menschenbild heraus nicht anstreifen wollten an der FPÖ“.

„Es geht nicht darum, sich an die FPÖ anzubiedern“, sagt er. Aber der Blick in die Nachbarländer sei quasi ein Blick in die Zukunft, wenn die Politik nicht reagiere. Er verweist etwa auf die Banlieus der französischen Städte: „Was dort abgeht, ist eigentlich nicht mehr zu retten.“ Tatsächlich sind selbst die Wiener „Problemgrätzl“ nicht mit den Zuständen zu vergleichen, die heute ganze Pariser Vorstädte in eine Art „No-Go-Area“ verwandeln, in der sich nicht einmal mehr die Polizei zu zeigen traut. Der Staat hat dort sein Gewaltmonopol verloren. Ähnliches wird aus Berliner Stadtteilen berichtet, in denen Familienclans „regieren“. Hier wie dort fehlt es den Schulen an kompetenten Lehrern, die sich der verbalen und körperlichen Gewalt im Klassenzimmer noch aussetzen wollen. Für Shetty sind dies „failed communities“.