Lichtmesz zur Causa Haimbuchner: „Man braucht ein lebendiges und freies Vorfeld“

Nachdem sich bereits Julian Schernthaner, Christian Hafenecker und Martin Sellner zur „Causa Haimbuchner“ geäußert haben, möchte auch Martin Lichtmesz in seinem Kommentar für FREILICH noch ein paar Worte zu Jörg Rüdiger Mayers Stellungnahme verlieren.

Martin Lichtmesz
Kommentar von
31.7.2023
/
6 Minuten Lesezeit
Lichtmesz zur Causa Haimbuchner: „Man braucht ein lebendiges und freies Vorfeld“
Martin Lichtmesz

Mayer ist laut Twitter-Selbstbiografie „Philosoph, Theologe und Religionswissenschafter“, zuständig nicht nur für „politische“, sondern auch noch für „theologische, historische, kulturelle und lebensweltliche (sic) Fragen“. Er ist auch Chefredakteur der wirtschaftsliberalen Zeitschrift Attersee Report, die teilweise mit öffentlichen Geldern, indirekt wohl auch mit FPÖ-Akademiegeldern finanziert wird. Der Atterseekreis, der die Zeitschrift herausgibt, wurde in seiner heutigen Form von Manfred Haimbuchner (wieder-)gegründet. Das war grundsätzlich eine gute Idee und ist ein seltenes Beispiel für eine sinnvolle Investition der FPÖ in ein metapolitisches Vorfeld.

Mayers Kommentar ist leider symptomatisch für eine bestimmte Denkweise in der FPÖ. Beschämend für ihn ist, dass auch ihm kein Argument einfällt, das Haimbuchners Verhalten rechtfertigen könnte. Stattdessen serviert er eine Mischung aus Verdrehungen und rhetorischen Nebelgranaten. Ich sehe drei Hauptstrategien: Verharmlosung, Psychologisierung und Ablenkungsmanöver.

Punkt eins: Verharmlosung

Da ist zunächst die Verharmlosung: Das Ganze sei nur ein Sommerloch-Tam-Tam, das irgendwelche Querulanten losgetreten haben, weil sie nichts Besseres zu tun haben oder sich auf den Schlips getreten fühlen. Das ist es aber bei weitem nicht, sondern es geht um ernsthafte metapolitische Grundsatzfragen, die über die Zukunft der FPÖ, wenn nicht unseres Landes entscheiden werden. Dazu muss man aber erst einmal aus der „Gebietskörperschaften“-Mentalität herauskommen und begreifen, was Metapolitik überhaupt ist und wozu sie notwendig ist.

Zur Verharmlosung gehört auch der Aufruf zur „Gelassenheit“ am Ende seines Kommentars, den Mayer mit einiger Chuzpe an die Adresse der Haimbuchner-Kritiker richtet:

„Bei der AfD ist man in dieser Hinsicht längst weiter. Da werden VS-Berichte einfach ignoriert. (...) Das Randfeld wäre daher gut beraten, mehr thüringische Waldgängerruhe an den Tag zu legen, anstatt sich zu gerieren, als wäre man weniger ein Vorfeld als ein Knittelfeld für die FPÖ.“

Dröseln wir das mal auf. Erstens: Gerade die AfD Thüringen (wie überhaupt die Ost-AfD) wäre nicht da, wo sie heute ist, wenn sie nicht ein sehr aktives Vorfeld hätte, das sich wenig um jene „bürgerlich liberal-konservativen“ Befindlichkeiten schert, die Manfred Haimbuchner so am Herzen liegen. Der Unterschied zu Thüringen ist, dass die dortige AfD keine Parteiführung hat, die sich wie die Haimbuchner-FPÖ mit der Regierung gegen das eigene Vorfeld verbündet. Wie entscheidend dies für den Erfolg einer Partei ist, hat etwa Benedikt Kaiser glänzend analysiert.

Punkt zwei: Psychologisierung

Zweitens: Mayers Botschaft an das Vorfeld (von ihm abwertend als „Randfeld“ bezeichnet) lautet also etwa so: „Jetzt regt euch nicht so auf, ihr Möchtegern-Waldgänger, weil ihr im LVT-Bericht steht! Seid cool und schaut auch an, wie die AfD das macht!“ Aus einer solchen Haltung spricht eine tiefe Orientierungslosigkeit. Natürlich ist es nicht das kritische Vorfeld, sondern Haimbuchner selbst (samt den ähnlich gewickelten „parlamentspatriotischen“ Fossilien der FPÖ), an den sich Mayers Empfehlung, den LVT-Bericht zu „ignorieren“, konsequenterweise richten müsste. Denn diesem ist es offenbar gerade nicht egal, was darin steht, wie sein Herumlavieren angesichts der heftigen internen Kritik leider allzu deutlich zeigt. Er hat sehr deutlich signalisiert, dass er bereit ist, weite Teile des eigenen Spektrums den Löwen zum Fraß vorzuwerfen, solange er sich dabei die Weste abputzen kann und sein Aschnitt auf der Salami (noch) verschont bleibt.

Auch der nächste schlaue Vorschlag Mayers (aus der Kategorie „Ablenkung“) müsste sich logischerweise an Haimbuchner richten:

„Von Verrat ist die Rede, einer Kriminalisierung von Patrioten, überhaupt sei Manfred Haimbuchner ja das Letzte, ein ÖVP-Agent! Dass der LVT-Bericht in besagter Behörde und nicht im Parteibüro verfasst wird und auch keiner demokratischen Abstimmung unterliegt, bleibt Detail am Rande. Ein kühner Gedanke: Wäre Kritik vielleicht beim LVT besser adressiert?“

Auf die Idee, den LVT zu kritisieren, ist in unserem Spektrum natürlich noch niemand gekommen, aber nicht jeder kann so kühn sein wie Jörg Rüdiger Mayer. Ich verstehe das. Ein noch kühnerer Gedanke: Wäre es vielleicht Haimbuchners Aufgabe (wenn nicht gar Pflicht) gewesen, den „Aktionsplan“, der eindeutig auf eine „Kriminalisierung von Patrioten“ abzielte, gerade auf dieser LVT-kritischen Grundlage abzulehnen? Nach jahrzehntelanger Tätigkeit in der österreichischen Politik sollte man eigentlich begriffen haben, dass die Deutungshoheit linksextremer „Rechtsextremismusexperten“ eine Waffe gegen das gesamte rechte Lager ist, mit der FPÖ selbst als großer Billardkugel, die es langfristig einzulochen gilt.

Und weil er schon dabei ist, die Realität auf den Kopf zu stellen, setzt Mayer noch einen drauf:

„Es bleibt trotzdem die Frage: cui bono? Und nutzen tut all dies allein der ÖVP, die gesehen hat, mit welch simplen Mitteln es gelingt, Spaltung in die FPÖ zu tragen. Ein bisschen Semantik in einem LVT-Bericht genügt.“

Martin Sellner hat dazu treffend bemerkt:

„Wenn Letzterer [Mayer] behauptet, 'Spaltung' wurde 'in die FPÖ getragen', hat er recht. Aber nicht die ÖVP sei dafür verantwortlich, sondern Manfred Haimbuchner selbst. Doch das hat nicht die ÖVP zu verantworten, sondern Manfred Haimbuchner selbst. Niemand hat ihn gezwungen, den Aktionsplan gegen rechts zu bestätigen. Niemand hat ihn gezwungen, danach tagelang zu schweigen, anstatt, wie Hafenecker, die entscheidenden Punkte zur kritisieren. Niemand hat ihn dazu genötigt, stattdessen hinter den Kulissen zu spalten und die Burschenschaften gegen Alternativmedien, IB und Coronawiderstand auszuspielen.“

Punkt drei: Ablenkungsmanöver

Mayers dritter Trick ist eine Art Psychologisierung oder Pathologisierung mit geheuchelter Sympathie. Hinter dem „Shitstorm“, so Dr. Mayer, stecke in Wahrheit eine „Kränkungserfahrung“:

„Es gibt ein selbsternanntes politisches Vorfeld aus rechten Journalisten und Aktivisten, das sich als Avantgarde ansieht und gerne ein Richterkollegium über die reine Lehre sein will, das aber eher „außen vor“ ist. Man bleibt in Wahrheit ein Randfeld. Der Bonus, den man vor knapp einem Jahrzehnt (Stichwort: Migrationskrise) bekam, ist passé. Zwischenzeitlich sattelte man um (Stichwort: Covidkrise). Was ist der Dank? Nicht einmal die Partei schützt einen. Ja, das ist ein veritabler Schlag, ich verstehe das. Das tut weh.“

Noch ein durchsichtiges Manöver: Weil er nicht zugeben kann oder will, dass die Kritik an Haimbuchners Verhalten objektive Gründe hat, muss er sie ins Subjektive verlagern, zum privaten Wehwehchen ohne weitere Relevanz erklären. Das dient ihm zugleich als Gelegenheit, wieder einmal jenen Teil des rechten Spektrums abzuwerten, gegen den er bekanntlich eine besonders innige Abneigung hegt. Das hat natürlich ein „Geschmäckle“. Es hat ein wenig den Anschein, als würde Mayer es mit einer gewissen Genugtuung betrachten, wenn ausgerechnet jener Teil des Vorfeldes, der ihm persönlich nicht passt und den er offenbar als Konkurrenz betrachtet, gebrandmarkt und ausgegrenzt wird. Natürlich würde ich ihm niemals solch niedere und egoistische Motive unterstellen. Aber es hat – ein „Geschmäckle“. Das ihm scheinbar nicht bewusst ist.

Die Partei als Selbstzweck

Klar ist jedenfalls, dass er nicht will, dass dieses intellektuell-aktivistische Vorfeld, dessen bekanntester und ideenreichster Kopf Martin Sellner ist, in der FPÖ an Bedeutung gewinnt. Verdächtig oft betont er, wie unbedeutend und unwichtig und erfolglos und randständig diese unbedeutenden und unwichtigen und erfolglosen Randgruppen doch seien, womit er gleichzeitig indirekt seine eigene vermeintliche Bedeutung, seinen eigenen vermeintlichen Erfolg, sein „Insidertum“, seinen Status innerhalb der Partei signalisiert. Hier lässt er zu, dass seine privaten Animositäten seine Analyse- und Strategiefähigkeit trüben.

Psychologisieren kann ich jetzt auch, im Handumdrehen. Es gibt eine Reihe von Leuten in der Partei, denen nichts wichtiger ist als der eigene persönliche Vorteil und die eigene persönliche Position, und die über diesen Horizont nicht hinausschauen können oder wollen. Für sie ist die Partei ein Selbstzweck, ein Klüngel, eine Karriereleiter und nicht ein Mittel, um bestimmte politische und gesellschaftliche Veränderungen voranzutreiben, zu unterstützen und durchzusetzen.

Und dann gibt es auch manche, auf die zutrifft, was Patrick Lenart unlängst auf Twitter schrieb:

„Das gegenseitige Runterziehen in der politischen Rechten hat schon mehr gute Leute zum Aufhören gebracht, als es Antifa und Linke jemals könnten. Wem unser Land am Herzen liegt, der motiviert Andere, das Beste aus sich herauszuholen. Wer sie hingegen niedermacht oder sogar zum Aufgeben bringt, ist ein Zersetzer und sollte auch so behandelt werden.“

Es geht der Partei aber nicht darum, sich mit irgendjemandem „gemein [zu] machen“ (Mayer) (mit der Kronen Zeitung etwa? Mit der ÖVP? Den „Rechtsextremismusexperten“? Dem LVT?). Es geht auch nicht in erster Linie darum, jemandem „dankbar“ zu sein oder jemanden zu „schützen“, obwohl Haimbuchner, wie Mayer implizit zugibt, dazu durchaus in der Lage gewesen wäre. Es geht schlicht und einfach darum, der Linken nicht noch mehr Terrain zu überlassen, als es ohnehin schon der Fall ist. Und im nächsten Schritt darum, möglichst viel Terrain und Hinterland zurückzugewinnen. Und dazu braucht man ein freies und lebendiges Vorfeld.


Zur Person:

Martin Lichtmesz wurde 1976 in Wien geboren. Nach Jahren in Berlin lebt er inzwischen wieder in seiner Heimat und arbeitet als freier Publizist.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.