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Exklusiv: Deutschlands Abschiebehaft ist teuer, aber teilweise kaum ausgelastet

Abschiebehaft wird in Deutschland höchst unterschiedlich und teils äußerst ineffizient gehandhabt: Während einige Bundesländer ihre Haftplätze kaum auslasten, planen andere weitere Einrichtungen – und die Kosten pro Tag variieren drastisch.

Analyse von
3.5.2025
/
7 Minuten Lesezeit
Exklusiv: Deutschlands Abschiebehaft ist teuer, aber teilweise kaum ausgelastet

In der Abschiebehaftanstalt im nordrhein-westfälischen Büren standen im vergangenen Jahr gut 170 Plätze zur Verfügung.

© IMAGO / Funke Foto Services

Wie viele Personen befanden sich Ende des letzten Jahres in Deutschland in Abschiebehaft? Was kostete ein Haftplatz pro Tag? Und wie ausgelastet waren die Einrichtungen? Eine exklusive FREILICH-Recherche in allen 16 Bundesländern zeigt: Abschiebehaft wird höchst unterschiedlich gehandhabt. Während einige Länder eigene Haftanstalten mit Dutzenden von Plätzen unterhalten, greifen andere auf den Polizeigewahrsam zurück oder verzichten ganz auf eigene Einrichtungen.

Angesichts der Tatsache, dass sich Ende 2024 insgesamt 220.808 vollziehbar ausreisepflichtige Personen – darunter auch zahlreiche Straftäter – im Bundesgebiet aufhielten, wirft aber die Auslastung der Einrichtungen von teilweise unter zehn Prozent massive Zweifel an der Effizienz und dem politischen Willen zur Durchsetzung von Abschiebungen dieser Personengruppe auf. Neben der teils geringen Auslastung stechen zudem auch die immensen Kostenunterschiede ins Auge: Ein Hafttag kostet je nach Land zwischen 44 Euro und rund 643 Euro. FREILICH zeigt, wie uneinheitlich und dürftig ein zentrales Instrument der Migrationspolitik in Deutschland umgesetzt wird.

Teure Plätze in Pforzheim

In Baden-Württemberg gibt es genau eine Abschiebehafteinrichtung – in Pforzheim. Dort standen Ende 2024 insgesamt 51 Plätze zur Verfügung, von denen am 31.12.2024 40 belegt waren. Dies entspricht einer Belegungsquote von 78,4 Prozent. Die Auslastung ist seit dem Wegfall der pandemiebedingten Einschränkungen kontinuierlich gestiegen – von 2020 bis 2022 schwankte sie noch zwischen 38 und 45 Prozent, 2024 lag sie bei 76,5 Prozent.

Zuletzt sei die Einrichtung de facto voll ausgelastet gewesen, wie es aus dem zuständigen Ministerium für Justiz und Migration gegenüber FREILICH hieß. Dass sich das nicht vollumfänglich in den Zahlen niederschlage, liege unter anderem daran, dass eine nahtlose Nachbesetzung eines Platzes nach Austritt eines Untergebrachten aus organisatorischen Gründen nicht möglich sei. Die durchschnittliche Verweildauer lag zuletzt bei 23 Tagen. Auffällig ist aber nicht nur die lange Verweildauer, sondern auch die hohen Kosten: Seit Juli 2024 liegt der Tagessatz für einen Platz bei 427,36 Euro. Selbst bei hoher Auslastung wirft dieser Betrag Fragen nach der Effizienz und Wirtschaftlichkeit des Modells auf.

Auslastung 2016 bis 2024 in Baden-Württemberg

in Prozent

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Quelle: Ministerium der Justiz und für Migration Baden-Württemberg

* Im Jahr 2018 war die Belegungsfähigkeit aufgrund von Baumaßnahmen vorübergehend auf 34 Plätze reduziert, im Jahr 2019 waren es dann zunächst 36 Plätze, später stieg sie auf 51. In den Folgejahren blieb sie bei 51, wurde dann aber aufgrund der Coronapandemie wieder eingeschränkt, um Abstände zu gewährleisten und das Infektionsrisiko zu minimieren. Daher die höhere Auslastung 2018 und 2019.

Zwei Einrichtungen in Bayern mit Unterschieden

Bayern betreibt derzeit zwei eigene Einrichtungen in Eichstätt und Hof mit insgesamt 240 Plätzen. Am 31. Dezember 2024 waren davon lediglich 150 Plätze belegt – 65 in Eichstätt und 85 in Hof – was einer Gesamtauslastung von rund 62,5 Prozent entspricht. In Hof lag die durchschnittliche Belegung im Jahr 2024 bei 103,9 Personen – bei einer Kapazität von 150 Plätzen. Demgegenüber war die Einrichtung in Eichstätt mit 54,1 Prozent deutlich geringer ausgelastet. Die durchschnittliche Verweildauer lag dort bei knapp 29 Tagen, in Hof bei gut 30 Tagen. Hinsichtlich der Kosten weist Bayern keine gesonderten Zahlen für die Abschiebehaft aus, sondern verweist auf einen Durchschnittswert für alle Haftformen von 192,95 Euro pro Tag.

Belegung im bayerischen Eichstätt und Hof im Jahr 2024

Durchschnittliche Personenbelegung

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Quelle: Bayerisches Justizministerium

Nur zwei Abschiebeplätze in Berlin

In Berlin wurde die Abschiebehaft im Jahr 2024 aufgrund von Sanierungsmaßnahmen und Bauarbeiten in der eigentlichen Abschiebungshaft für Gefährder Berlin (AHEG BE) in der JVA Tegel mit nur zwei Plätzen vollzogen. Zum Stichtag war dort eine Person untergebracht, was einer Auslastung von 50 Prozent entspricht. Eine systematische Planung ist bei einer derart geringen Kapazität kaum möglich. Die eigentliche Hafteinrichtung in Berlin soll nach Fertigstellung der Arbeiten im Oktober 2025 wieder eröffnet werden – allerdings auch nur mit zehn Plätzen.

Auffällig ist dafür die stark schwankende Verweildauer: Lag sie 2018 noch bei durchschnittlich 59 Tagen, sank sie in den Folgejahren deutlich und lag 2024 nur noch bei 13,8 Tagen. Eine Besonderheit in Berlin: Die Kosten variieren je nach Anzahl der Inhaftierten – zwischen 140 Euro (für 1-3 Personen) und 56 Euro (für 9-10 Personen), ohne Personal. Da die zwei Haftplätze in der JVA Tegel in Amtshilfe gewährt werden, entstünden dafür keine spezifischen Kosten, wie die Berliner Senatsverwaltung für Inneres gegenüber FREILICH erklärte.

Sachsen-Anhalt plant Einrichtung mit 30 Plätzen

Während Hessen und Rheinland-Pfalz trotz Nachfrage bis zur Veröffentlichung dieser Recherche nicht auf die Anfrage reagiert haben, gaben Brandenburg, das Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen an, derzeit über keine eigenen Abschiebehaftanstalten zu verfügen. Brandenburg greift daher weiterhin auf andere Länder zurück, Sachsen-Anhalt kündigte unterdessen den Bau einer Einrichtung in Volkstedt mit 30 Plätzen an. Diese soll möglichst kurzfristig belegt werden, um eine hohe Durchlaufquote zu erreichen. Auch Thüringen plant bis Sommer 2025 eine eigene Einrichtung.

Fehlende eigene Einrichtungen und neue Pläne

Bremen nutzt keinen klassischen Gewahrsam, sondern den Polizeigewahrsam auf dem Gelände des Polizeipräsidiums. Es stehen 17 Plätze zur Verfügung, von denen zum Stichtag nur ein einziger belegt war – eine Auslastung von nur 5,9 Prozent. Die Zahlen der letzten Jahre zeigen zwar eine steigende Tendenz – 2021 wurden sieben Personen untergebracht, 2024 waren es 23 – und geringe Kosten, die sich inklusive 8,03 Euro für Verpflegung auf 44,58 Euro pro Tag belaufen – allerdings lag die Verweildauer im vergangenen Jahr auch in Bremen teilweise bei 34 Tagen.

Belegte Abschiebehaftplätze in Bremen am 31.12.2024

in absoluten Zahlen

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Quelle: Innenministerium Bremen

Hamburg unterhält keine eigene Einrichtung, sondern beteiligt sich an der länderübergreifenden Abschiebehafteinrichtung im schleswig-holsteinischen Glückstadt. Auch Mecklenburg-Vorpommern beteiligt sich an dieser Einrichtung und verfügt dort – ebenso wie Hamburg und Schleswig-Holstein – über 14 Plätze. Damit standen insgesamt 42 Plätze zur Verfügung, wobei geplant ist, dass künftig die maximalen Kapazitäten von 60 Plätzen zur Verfügung stehen sollen. Diese können allerdings erst dann genutzt werden, wenn der Personalaufwuchs erfolgt ist, hieß es seitens des Justizministeriums gegenüber FREILICH.

Glückstadt mit der teuersten Abschiebehaft

Die Einrichtung in Glückstadt wurde im August 2021 eröffnet und hatte laut Angaben aus Schleswig-Holstein Ende 2024 eine durchschnittliche Auslastung von 24,5 Personen, durchschnittlich waren die Plätze im vergangenen Jahr 21,80 Tage belegt. Mecklenburg-Vorpommern gibt eine Auslastung von 40 Personen für das vergangene Jahr an. Da die Belegungsdauer von Einzelfall zu Einzelfall variiere, könne keine valide durchschnittliche Belegungsdauer ermittelt werden, hieß es.

Bemerkenswert sind jedoch die Kosten: Schleswig-Holstein gibt die Kosten pro Hafttag mit 556,09 Euro an. Mecklenburg-Vorpommern gibt sogar 642,78 Euro für den Tageshaftkostensatz an. Damit ist Glückstadt von den genannten Standorten bundesweit der teuerste.

In Niedersachsen ist die JVA Hannover, Abteilung Langenhagen, für die Abschiebehaft zuständig. Sie verfügt über 48 Haftplätze, davon 42 für Männer und sechs für Frauen. Im Jahr 2024 waren durchschnittlich 17,3 Männer und 1,6 Frauen inhaftiert, was einer Auslastung von 41,2 Prozent bei den Männern und nur 26,7 Prozent bei den Frauen entspricht. Am 31.12.2024 lag die Auslastung der zuständigen Abteilung JVA Hannover bei 61,9 Prozent bei den Männern beziehungsweise 33,3 Prozent bei den Frauen. Die durchschnittliche Haftdauer betrug 19 Tage, der Tagessatz 289,13 Euro.

Durchschnittliche Belegung in Niedersachsen

Anteil der untergebrachten Männer und Frauen im Jahr 2024

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Quelle: Justizministerium Niedersachsen

Wachsende Kapazitäten in NRW

Nordrhein-Westfalen unterhält derzeit eine zentrale Einrichtung, die Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige (UfA) in Büren, die ausschließlich für die Unterbringung von Männern vorgesehen ist. Bis zu fünf weibliche Ausreisepflichtige können hingegen in der Gewahrsamseinrichtung für Ausreisepflichtige (GfA) in Ingelheim untergebracht werden.

In der UfA standen Ende 2024 insgesamt 175 Plätze zur Verfügung. Zum Stichtag 31.12.2024 waren lediglich 100 Personen untergebracht, was einer Auslastung von gerade einmal etwa 57 Prozent entspricht. Hinzu kommt, dass die Zahlen auch die in Amtshilfe für die Bundespolizei und die Ausländerbehörden anderer Länder in Nordrhein-Westfalen untergebrachte Abschiebungshaftfälle einschließen, erklärte ein Sprecher des Ministeriums für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration (MKJFGFI) gegenüber FREILICH. Fälle aus Nordrhein-Westfalen, die in einem anderen Bundesland untergebracht wurden, seien dagegen statistisch nicht erfasst und dementsprechend auch nicht in den Angaben aus der Anfragenbeantwortung berücksichtigt.

Durchschnittsbelegung von 2015 bis 2025 in NRW

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Quelle: MKJFGFI NRW

Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in der UfA lag 2024 bei 22,7 Tagen, der Tageshaftkostensatz beträgt aktuell 222,10 Euro und liegt damit im unteren Mittelfeld. Im Rahmen eines Maßnahmenpakets plant das Land aktuell, in Mönchengladbach eine zweite Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige zu schaffen. Hintergrund sind erwartete steigende Bedarfe aufgrund bundes- und europarechtlicher Veränderungen. Die durchschnittliche Belegung der UfA Büren stieg seit Mai 2015 – als die Einrichtung ihren Betrieb aufgenommen hat – von zunächst 40,3 auf 95,2 Personen im Jahr 2024 an und lag Anfang 2025 bei 122,8 Personen.

Der Freistaat Sachsen betreibt seit 2018 eine eigene Einrichtung in Dresden mit regulär 58 Plätzen. Aufgrund von Baumaßnahmen waren Ende 2024 jedoch lediglich 24 Plätze nutzbar, von denen wiederum nur sechs belegt waren. Damit lag die Auslastung bei gerade einmal 25 Prozent. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer betrug 17 Tage, der Tagessatz 239,30 Euro.

Belegung am 31.12.2024 in Sachsen

in absoluten Zahlen

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Quelle: Innenministerium Sachsen

Ein zersplittertes System

Die zum Teil erhebliche Unterauslastung der Abschiebehafteinrichtungen in den Bundesländern offenbart ein komplexes und vielfach dysfunktionales System. Während einige Bundesländer ihre Anstalten kaum auslasten, planen andere Länder wie Nordrhein-Westfalen bereits neue Einrichtungen, um künftig noch mehr Kapazitäten in diesem Bereich zu haben.

Auslastung nach Bundesland am 31.12.2024

ausgewählte Länder, Angaben in Prozent

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Quelle: Zuständige Ministerien

*Die Auslastung von 50 Prozent in Berlin resultiert aus der geringen Anzahl von nur zwei Plätzen, wovon am Stichtag einer belegt war.

Besonders auffällig sind auch die enormen Kostenunterschiede: Von unter 50 Euro in Bremen bis über 600 Euro in Mecklenburg-Vorpommern – je nach Bundesland können sich die Kosten für die Abschiebehaft mehr als verzehnfachen.

Tageshaftkosten nach Bundesländern pro Platz

*In Berlin variieren die Kosten zwischen 56 und 140 Euro

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Quelle: Zuständige Ministerien der Länder

Auch die Haftdauer variiert stark, von wenigen Tagen bis zu zwei Monaten. Zudem sind die rechtlichen Rahmenbedingungen nicht immer ausschlaggebend für die tatsächliche Belegung: Kapazitätsengpässe, organisatorische Abläufe und politische Prioritäten scheinen vielerorts ebenso ausschlaggebend zu sein und offenbaren damit Defizite eines Systems, damit Defizite eines Systems, das vor allem im Hinblick auf die Zahl der Ausreisepflichtigen reformbedürftig erscheint.

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Über den Autor

Monika Šimić

Monika Šimić wurde 1992 in Zenica (Bosnien und Herzegowina) geboren. Die gebürtige Kroatin wuchs in Kärnten auf und studierte Übersetzen mit der Sprachkombination Russisch und Englisch in Graz.

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