Eine Woche wie jede andere: Migrantengewalt in Europa – Empörung reicht nicht aus

Mit einer neuen Welle der Gewalt stellen sich viele Menschen die Frage: Wie soll das weitergehen? FREILICH-Redakteur Mike Gutsing kritisiert die moderne Empörungskultur in den Medien und spielt den Ball zurück – Was wollen wir tun?

Kommentar von
28.11.2023
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3 Minuten Lesezeit
Eine Woche wie jede andere: Migrantengewalt in Europa – Empörung reicht nicht aus
Polizisten bei einem Einsatz. (Symbolbild)© IMAGO / Noah Wedel

Kein Tag vergeht, an dem nicht in Deutschland, Frankreich, Italien, England oder einem der vielen anderen Länder unseres Kontinents Blut durch jene vergossen wird, die hier Schutz vor Verfolgung und Gewalt ersuchen. Was vor wenigen Jahren noch ein Problem von Sozialbaus und Vororten war, ist längst auch auf dem Land angekommen. So etwa im französischen Dorf Crépol, in dem eine Bande Migranten ein Ortsfest überfallen und nach aktuellen Informationen gezielt Angriffe auf Weiße durchgeführt hat. Opfer bislang: ein Toter und 15 Verletzte. Weiter geht es in Irland, in dessen Hauptstadt Dublin ein mutmaßlich nicht-irischstämmiger Staatsbürger vor einer Mädchenschule auf mehrere Kinder eingestochen hat, auch hier gab es mehrere Verletzte. Als Drittes ein weiterer Messerangriff in Brokstedt, bei dem zwei Menschen getötet und weitere Personen verletzt wurden. Ähnlich sieht es mit Sexualstraftaten aus, bei denen die Tatverdächtigen ebenfalls überproportional nicht-deutscher Herkunft sind. Im Jahr 2022 stieg die Zahl der schweren Sexualdelikte um rund 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, allein in Nordrhein-Westfalen entspräche das einem Schnitt von acht Vergewaltigungen pro Tag.

Das Herumwerfen mit solchen und ähnlichen Zahlen steht besonders bei der AfD in Mode – und das durchaus zu Recht. Denn weder die Medien noch die anderen Parteien thematisieren sie nicht nur nicht in dem Umfang und mit der Bedeutung, wie es diesen Fallzahlen eigentlich gebührt, sondern sie werden zum Teil sogar offen geleugnet. Ihnen gegenüber stehen Medien, Blogs oder Kanäle, die keinen Fall auslassen und nicht selten deutlich umfassender bei diesen Themen berichten als ihre Artgenossen im Mainstream. Das hat bei nicht wenigen Konsumenten einen ganz bestimmten Effekt, den ich auch bereits an mir festgestellt habe. Nach der hundertsten oder tausendsten Nachricht über einen Messermord hier, eine Massenvergewaltigung da oder tote und verletzte Kinder dort kann man einfach nicht mehr die gleiche Menge an Schrecken und Empörung mobilisieren wie am Anfang.

Gegen die Gewohnheit

Dieser Gewöhnungseffekt ist noch grausiger, wenn man die eigenen Erinnerungen bemüht und sich ins Gedächtnis ruft, welche Reaktion derartige Vorfälle noch vor einigen Jahren hervorgerufen haben. Ich erinnere mich noch sehr deutlich, wie lang der Amoklauf in Winnenden 2009 oder die Vergewaltigung und Ermordung des kleinen Mitja 2007 erst in den Medien und dann in den Gesprächen der Verwandtschaft thematisiert wurde. Heute schaffen es solche Meldungen nicht einmal mehr in die Tagesschau. Dort redet man sich mit der Beteuerung von einer rein „regionalen Bedeutung“ heraus, während sich eine regelrechte Sexualdeliktsepidemie mit immer jüngeren Tätern und Opfern in Deutschland ausbreitet.

Wie schnell sich Menschen an scheinbar neue Gegebenheiten gewöhnen, ist selbstverständlich nicht nur bei dem Thema der inneren Sicherheit spürbar. Drei Jahre Coronaeinschränkungen haben gezeigt, dass die bundesdeutsche Sozialisation Generationen an Blockwarten, Stiefelleckern und domestizierten Kleinstbürgern hervorgebracht hat. Danach gewöhnte man sich an steigende Lebensmittel-, Kraftstoff- und Energiepreise, während die Medien jeweils mit neuen „Endsieg“-Meldungen der russischen oder ukrainischen Truppen um sich warfen. Wer tagesaktuell informiert werden will, der wird auf die eine oder andere Weise besonders eins: politikverdrossen.

Dublin ist überall

Nun ließen sich ein flammendes Plädoyer gegen die populistische Verbreitung solcher Meldungen, ein ethischer Appell an die Medien oder drohende Worte gegen die Politik anschließen und dieser Kommentar könnte sein Ende finden, aber an dieser Stelle hilft nur der kalte Entzug. Einfach mal das Scrollen über die Nachrichtenseiten einstellen, statt der zehnten Meldung über Mord, Raub und Vergewaltigung einfach mal ein gutes Buch zur Hand nehmen und sich nicht durch andauernde Empörung abstumpfen lassen. Der emotionale Ausbruch beim Zeitungslesen verändert nichts, im Gegenteil, er ist ein Garant für die Stabilität der Zustände. Die politische Partizipation in einem demokratischen System endet nicht mit der Abgabe einer Stimme aller paar Jahre – sie endet dort.

Gegen eine umfassende Informationssuche ist nichts einzuwenden und sie ist in der global vernetzten Welt sogar notwendig, um Entwicklungen hierzulande nachvollziehen zu können. Wenn sich die eigenen Emotionen bei Meldungen aus Indonesien oder dem Nachbarort in der Intensität annähern, ist man bereits Opfer einer emotionalen Entwurzelung geworden. Gerechter Zorn, wie man ihn derzeit in Irland erlebt, kann nur entstehen, wenn ein Schockeffekt erzeugt wird. Dieser Schock sollte nicht darin liegen, dass es Migrantengewalt in Europa gibt, sondern dass Crépol, Dublin und Hildesheim auch tagtäglich vor der eigenen Haustür liegen können. 


Zur Person:

Mike Gutsing, Jahrgang 1999, hat Geschichte studiert und lebt in Mitteldeutschland. Das besondere Interesse des Korporierten gilt der deutschen Geschichte und Kultur.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.