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Ein Jahr nach der EU-Wahl: Wo steht die europäische Rechte?

Wie steht es um Europas Rechte? Ein Jahr nach der EU-Wahl zieht Marvin Mergard Bilanz. In seiner Analyse betrachtet er die Parteienlandschaft rechts der Mitte – von Brüssel bis Budapest.

Analyse von
9.6.2025
/
6 Minuten Lesezeit
Ein Jahr nach der EU-Wahl: Wo steht die europäische Rechte?

Am Wochenende diskutierten führende Politiker rechter europäischer Parteien bei einem Treffen im französischen Fontainebleau die politische Lage in ihren jeweiligen Ländern.

© Patriots for Europe

Die Europawahl 2024 liegt auf den Tag ein Jahr zurück. Welche Entwicklungen haben sich nachfolgend eingestellt? Wie hat sich die Parteienwelt rechts der Christdemokraten in den verschiedenen EU-Staaten und im Europäischen Parlament entwickelt und wie haben sich insbesondere die beiden großen deutschsprachigen Rechtsparteien AfD und FPÖ aufstellen können?

Ein Rückblick auf die Europawahl im Juni 2024

Der in mehrere Fraktionen aufgeteilte Block an Rechtsparteien konnte deutliche Zugewinne verzeichnen, während in erster Linie Liberale und Grüne herbe Verluste hinnehmen mussten. Der Erfolg der politischen Rechten wurde jedoch bereits vor dem Wahlkampf durch Spannungen und Zwist behindert. Die Vorwürfe gegenüber der AfD und deren Spitzenkandidaten Maximilian Krah führten zu Distanzierungen aus Teilen der damaligen gemeinsamen Fraktion „Identität und Demokratie“. Insbesondere der Rassemblement National um Marine Le Pen formulierte eine deutlich ablehnende Haltung gegenüber der AfD, was zu deren Ausschluss aus der ID-Fraktion führte.

Somit war bereits vor der Wahl deutlich geworden, dass eine gemeinsame Rechtsfraktion von ID, den Europäischen Konservativen und Reformern (EKR) und neuen nationalkonservativen Kräften in weite Ferne rückte. Schlussendlich spaltete sich das rechte Spektrum in der neuen Legislaturperiode nicht mehr nur in zwei, sondern gleich in drei Fraktionen. Die ID wurde mit Viktor Orbáns Fidesz (zuvor fraktionslos) und der tschechischen ANO (bis 2024 Teil der Liberalenfraktion) sowie weiteren verschiedentlichen Partnern in die neue Fraktion „Patrioten für Europa“ überführt, die seither als drittstärkste Fraktion hinter den Christdemokraten und Sozialdemokraten als führende Rechtsfraktion aufgestellt ist.

Daneben konnte sich die EKR mit wenigen Abgängen und manchen Zugängen knapp auf dem vierten Platz positionieren, büßte jedoch ihre bis dato bestehende Vormachtstellung innerhalb des rechten Lagers ein. Mit Spannung war erwartet worden, ob die fraktionslose AfD mit der Vielzahl an Neulingen im EU-Parlament eine weitere Fraktion bilden könnte. Nach einigen Spekulationen gelang es, die Mindestanforderungen an eine EU-Fraktion zu überwinden: Es fanden sich 26 Abgeordnete aus acht verschiedenen Ländern zusammen, neben der AfD unter anderem die bulgarische Wasraschdane, die ungarische Mi Hazánk und Teile des polnischen Parteienbündnisses Konfederacja. Seitdem kommen die drei Fraktionen PfE, EKR und ESN zusammengerechnet auf 192 Abgeordnete – ein erhebliches Stimmengewicht für die politische Rechte.

Zwischenzeitliche Entwicklungen

Der positive Aufwärtstrend verfestigte sich teilweise ebenfalls in nachfolgenden Nationalwahlen. Insbesondere das Abschneiden der FPÖ bei der Nationalratswahl im September letzten Jahres war bemerkenswert. Wenngleich die vorherigen oberen Schwankungswerte in den Umfragen von etwas mehr als 30 Prozent nicht erreicht werden konnten, fuhren die Freiheitlichen dennoch ein historisches Wahlergebnis ein. Mit fast 29 Prozent und mit deutlichem Abstand auf Platz 1 hat die FPÖ ihren Wiederaufstieg nach ihrem Tief aufgrund der Ibiza-Affäre im Jahre 2019 erreicht. Es gelang ihr zwar keine Regierungsbeteiligung, allerdings bewies damit der FPÖ-Chef Herbert Kickl seine Prinzipientreue, indem er die Interessen des Volkes über rein machtpolitische Interessen stellte. Eine Entscheidung, die sich möglicherweise als nachhaltiger herausstellen könnte als eine übereifrige Regierungsbeteiligung mit erheblichen Zugeständnissen an das politische Establishment.

Bulgarien zeichnet sich bereits seit Jahren durch mangelnde politische Stabilität aus. Von 2021 bis Ende 2024 wählten die Bulgaren gleich siebenmal ihr Parlament neu, was sich auch in der Dynamik der Parteienkonstellation widerspiegelt. Die bereits zuvor genannte Rechtspartei „Wasraschdane“ konnte im Zuge dieser Instabilität aus der Bedeutungslosigkeit aufsteigen und bei den letzten Wahlen den jeweils dritten oder vierten Platz mit rund 13 bis 14 Prozent einnehmen. Ein mehr als nur beachtlicher Erfolg, den sie sich mit anderen rechten Kräften teilen muss. Während beispielsweise in Deutschland und Österreich mit der AfD und der FPÖ jeweils ein großer Platzhirsch das gesamte Spektrum an liberalkonservativen, libertären, rechtskonservativen und sozialkonservativen Strömungen zusammenführt, finden sich derzeit im bulgarischen Nationalparlament gleich vier Parteien, die sich rechts der Christdemokratie verorten. Neben der Wasraschdane mit 33 von 240 Abgeordneten sind dies „Ima takaw narod“ (ITN) mit 18 Abgeordneten, „MECh“ mit elf Abgeordneten und Welitschie mit weiteren zehn Abgeordneten. Die relativ gleichbleibenden Wahlergebnisse der Wasraschdane gehen mit einer Fragmentierung des rechten Lagers einher, das andernfalls mit insgesamt 72 Abgeordneten deutlich auf Platz 1 stehen würde. Ob tatsächlich erst im Jahr 2029 regulär neu gewählt wird? Wie wird sich die bulgarische Rechte bis zur nächsten Wahl aufgestellt haben? Weiterhin zersplittert oder vereint? Da die Wasraschdane ein gewichtiger Partner für die AfD in der ESN-Fraktion darstellt (die dazugehörige ESN-Partei wird von einem Wasraschdane-Abgeordneten angeführt), sind dies keine unwichtigen Fragestellungen.

Nicht nur der FPÖ gelang ein historisches Hoch, auch der Fraktionspartner Rassemblement National konnte bei der vorgezogenen Parlamentswahl im Oktober 2024 mit erheblichen Zugewinnen reüssieren. Der RN verfehlt zwar ebenfalls knapp die symbolische 30-Prozent-Marke im ersten Wahlgang und durch die Bildung einer Einheitsfront aus linken und liberalen Kräften wurde der prognostizierte Erdrutschsieg des RN verhindert, dennoch blieb das Ergebnis nicht nur prozentual, sondern auch mit der Erreichung von mehr als 120 Abgeordneten herausragend.

Bereits Ende letzten Jahres zeigte sich, dass die Schwächung des Mitte-Lagers und das Erstarken der Rechten sowie der Linken zu instabilen Verhältnissen für den zentristischen Präsidenten Emmanuel Macron führten. Ob es möglich ist, auf Dauer die politische Rechte von der Macht fernzuhalten? Die Vermutung lässt dies eher nicht zu.

Was uns noch erwarten könnte

In den Niederlanden konnte die „Partij voor de Vrijheid“ von Geert Wilders das erreichen, was den zuvor genannten Rechtsparteien aktuell nicht gelungen ist. Sie schmiedete als stärkste Kraft nach der Parlamentswahl im Jahre 2023 eine Koalition mit der konservativen VVD, christdemokratischen NSC und der Bauernpartei BBB unter der Führung des Parteilosen Dick Schoof. Allerdings blieb dieser Erfolg einer rechten Regierungsbeteiligung nur ein kurzes Intermezzo, da die PVV ihre Asylpolitik nicht durchsetzen konnte. Sie forderte eine rigorose Sperrung der nationalen Grenzen für sämtliche Asylbewerber, die Abschiebung syrischer Migranten ohne Asylstatus, die Einstellung des Familiennachzugs und die Abschiebung von Straftätern mit doppelter Staatsangehörigkeit mit Aberkennung der niederländischen Staatsangehörigkeit. Ein migrationspolitisches Durchgreifen, das zum Standardrepertoire der um Remigration bemühten Parteien gehört, jedoch seitens der gemäßigt-konservativen Parteien nicht mitgetragen wurde. Hier zeigt sich die Diskrepanz zwischen dem, was die politische Rechte mit ihrer politischen Macht durchsetzen möchte und was ihr das Establishment ermöglicht. Folglich wird es auch in den Niederlanden zu vorgezogenen Neuwahlen kommen. Es wird sich Ende Oktober diesen Jahres zeigen, ob Geert Wilders durch diese Standfestigkeit seine Glaubwürdigkeit erhalten und nach sinkenden Umfragewerten erneut mit Abstand den ersten Platz einnehmen und die anderen Parteien unter Druck setzen kann.

Noch rund ein Jahr haben Fidesz und der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán Zeit, um die sinkenden Umfragewerte aufzuholen und die langjährige Dominanz nationalkonservativer Politik aufrechtzuerhalten. Derzeit kann Orbán mit einer bequemen Zweidrittelmehrheit im Parlament regieren – ein Zustand, der bereits seit rund 15 Jahren anhält. Die zersplitterte Opposition aus linken bis liberalen Kräften konnte bisher bei keiner Wahl die Bürger von ihrer Politik überzeugen und den Fidesz vom Thron stoßen. Die neue gemäßigt-konservative Formation „Tisztelet és Szabadság Párt“ (kurz: TISZA) versucht mit einer Fidesz-ähnlichen Politik in Fragen der Außen- und Innenpolitik als die Alternative zu einer als von ihr korrupt betrachteten nationalkonservativen Fidesz aufzutreten. Seit Ende letzten Jahres löste die TISZA erstmalig Orbáns Partei als umfragenstärkste Kraft ab und ebnete das Feld der Opposition ein. Einzig die rechts der Fidesz stehende Mi Hazánk, die sozialliberale Demokratische Koalition und die Satirepartei MKKP würden nach aktuellem Stand ebenfalls in das neue Parlament einziehen.

Wo steht die europäische Rechte?

Der allgemeine Trend für rechte Parteien scheint sich weiter fortzusetzen. Wenngleich je nach Land die Gegebenheiten andere sind und die Leistungen der Parteien vor Ort entscheidend sind, zeichnet sich weiterhin ein Siegeszug ab. Ein aktuelles Beispiel ist hierbei die portugiesische Chega, die zuletzt bei der Parlamentswahl Mitte Mai mit mehr als 20 Prozent nur knapp den zweiten Platz verfehlte. Ein beachtlicher Erfolg für eine Partei, die im Jahr ihrer Gründung vor rund sechs Jahren mit gerade einmal etwas mehr als einem Prozent maximal als interessante, aber nicht sonderlich präsente Randerscheinung galt.

Ähnliches gilt für die AfD, die in diesem Jahr erstmalig in den Umfragen mit der Union um den ersten Platz konkurrieren konnte. Eine Entwicklung, an die im Jahre der Gründung vor rund 12 Jahren nicht einmal zu denken gewesen wäre. Jedoch ist nicht nur der Vergleich zwischen damaliger und heutiger gesellschaftlicher sowie politischer Verankerung in den Blick zu nehmen, auch die noch vor einem Jahr bestehenden innerrechten Spannungen in Europa bezüglich der AfD scheinen einem Normalisierungsprozess zu weichen. Nach den diversen unterstützenden Worten aus den Reihen der Trump-Regierung durfte nun Alice Weidel als Rednerin auf der „Conservative Political Action Conference“ (CPAC) in Ungarn teilnehmen. Ein Schritt, der vor einem Jahr vermutlich nicht möglich gewesen wäre.

Sowohl der mittelfristige Aufstieg rechter Parteien als auch der zunehmende Wunsch nach engerer Zusammenarbeit schaffen Gründe für vorsichtigen Optimismus. Selbstverständlich entsteht durch ein temporäres Hoch kein Automatismus zur Erlangung politischer Macht oder gesellschaftlichen Einflusses (man beachte den leichten Abwärtstrend der AfD in den Umfragen), jedoch bilden einzelne Erfolge meistens die Chance zur Vergrößerung der eigenen Machtbasis. Neue Interessenten, neue Mitglieder, neue Wähler können erschlossen werden, und die eigene Stärke führt nicht nur zu größerem Gewicht im jeweiligen nationalen Parteiengefüge, sondern auch im gesamteuropäischen Kontext.

Es bleibt abzuwarten, ob die europäische Rechte langfristig eine Strategie der engeren Zusammenarbeit finden wird. Das vormalige Projekt einer gemeinsamen und gewaltigen Rechtsfraktion ist bisher gescheitert, jedoch muss die Aufteilung in mehrere Fraktionen kein Hindernis für entscheidende inhaltliche Zusammenarbeit darstellen. Die Zuspitzung verschiedentlicher Politikfelder aufgrund der Massenmigration und auch die zunehmenden Repressionsmaßnahmen diverser Staaten gegenüber oppositionellen, souveränistischen Kräften sollten allemal gewichtige Gründe für eine engere Koordination und Zusammenarbeit sein – nicht nur innerhalb der EU, sondern in ganz Europa.

Über den Autor

Marvin Mergard

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