Freilich #34: Am Weg zur Volkspartei?

„Dschihad in der Partei“ – AfD-NRW-Fraktionsvize rechnet mit Machtpolitik ab

Kurz vor der Kommunalwahl eskaliert ein interner Machtkampf in der nordrhein-westfälischen AfD. In einem Schreiben werden dem Pressesprecher der Fraktion schwere Vorwürfe gemacht, darunter mutmaßliche Jobdeals und Spitzelversuche.

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„Dschihad in der Partei“ – AfD-NRW-Fraktionsvize rechnet mit Machtpolitik ab

Tritschler behauptet, dass gegen ihn intrigiert wurde, weil er sich nicht dem Lager um den NRW-Landeschef Vincentz anschloss.

© IMAGO / Revierfoto

Düsseldorf. – In der nordrhein-westfälischen AfD sorgt ein interner Konflikt für erhebliche Unruhe. Weniger als zwei Monate vor der Kommunalwahl erhebt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sven Tritschler in einem internen Schreiben, das FREILICH vorliegt, schwere Vorwürfe gegen führende Mitarbeiter der AfD-Landtagsfraktion. Im Zentrum der Kritik steht unter anderem Pressesprecher Kris Schnappertz, dem vorgeworfen wird, eine studentische Hilfskraft angestiftet zu haben, belastendes Material über Tritschler zu sammeln – im Gegenzug für lukrative Stellenangebote.

Tritschler sieht „hochgradig verwerfliche“ Vorgänge

In dem Schreiben spricht Tritschler von Vorgängen, die „möglicherweise strafrechtlich, zumindest aber arbeitsrechtlich relevant sind – jedenfalls aber hochgradig verwerflich“. Er beschreibt den Versuch einer gezielten Intrige gegen seine Person. Betroffen ist sein früherer Mitarbeiter Tim Schramm, der nach einem persönlichen Zerwürfnis mit Tritschler offenbar von anderen Fraktionsmitgliedern instrumentalisiert worden sei. „Herr Schramm wurde in seiner jugendlichen Naivität gegen mich aufgehetzt, ihm wurde jeglicher Kontakt mit mir ausgeredet“, heißt es in dem Schreiben.

Dem 22-jährigen Schramm wurden „eine Reihe von Jobs mit – für einen 22jährigen Studenten – unverhältnismäßig hohem Gehalt bei verschiedenen Bundestagsabgeordneten und in unserer Fraktion“ in Aussicht gestellt. Zwischenzeitlich sei ihm sogar ein leitungsloses Einkommen bei einem Bundestagsabgeordneten angeboten worden.

Druck durch Jobversprechen und Ausschluss

Das Ziel sei gewesen, kompromittierendes Material gegen Tritschler zu sammeln. Laut Schreiben sei Schramm aufgefordert worden, „Kopien und Fotografien“ aus Tritschlers Büro zu liefern, sowie „Personalunterlagen“ zu kopieren. Neben Schnappertz nennt Tritschler Lisa Oheim sowie einen „Parteifreund aus Köln“ als Hauptverantwortliche. Letzterer habe in letzter Zeit häufig deren Büros frequentiert.

Später sei der Druck auf Schramm intensiviert worden, ein 3.000-Euro-Job und eine geringfügige Beschäftigung in der Fraktion seien für ihn drin. Aber nur, wenn „geliefert wird“. Als Schramm jedoch nicht lieferte, wurde ihm stattdessen ein Parteiausschlussverfahren samt Entzug seiner Mitgliedsrechte angedroht – „obwohl Leute, die darauf unmittelbaren Einfluss haben, ihm das Gegenteil versprochen hatten“, so Tritschler in dem Schreiben weiter.

Tritschler sieht sich als Ziel einer Fraktionsintrige

Tritschler vermutet ein koordiniertes Vorgehen gegen ihn. Er müsse „nach einiger Ermittlungsarbeit“ feststellen, dass aus dem Vorzimmer des Vorsitzenden heraus „gegen mich in hinterhältigster Weise intrigiert wurde“. Auch Schnappertz selbst sei „in die Angelegenheit verstrickt“. Dass es sich lediglich um ein „'Projekt' einzelner Mitarbeiter“ gehandelt haben könnte, hält er für wenig plausibel.

Der Fraktionsvize sieht einen Zusammenhang zu seiner politischen Haltung: „Ich habe aus mehreren Gesprächen den Eindruck, dass man mir verübelt, dass ich mich nicht dem ‚Dschihad‘ gegen Teile der Partei anschließe, der unseren Landesverband seit Monaten lähmt und zerstört.“ Offenbar genüge es, „als Feind markiert zu werden, wenn man nicht vorbehaltlos der Linie ‚von oben‘ folgt“.

Selbstkritik und klare Forderung

Tritschler räumt eigenes Zögern im Umgang mit der Situation ein: „Ich habe dem Treiben gewisser Personen in unserer Fraktion zu lange untätig zugesehen, in dem falschen Glauben, dass es mich ja nicht beträfe“ und ergänzt: „Heute bin ich klüger.“ Er kritisiert, dass Führungskräfte dieses Verhalten nicht nur gedeckt, sondern auch noch gefördert hätten: „Ich habe zugesehen – und das werfe ich mir am meisten vor – wie Führungskräfte unserer Fraktion dieses Verhalten nicht nur gedeckt, sondern auch noch gefördert haben.“

Er formuliert die Konsequenzen deutlich: „Jede Vertrauensgrundlage für eine weitere Zusammenarbeit mit unserem Pressesprecher ist zerstört.“ Schnappertz dürfe weder in seinem Namen noch für die Gesamtfraktion sprechen, ohne darauf hinzuweisen, dass er ihn nicht vertrete.

Reaktionen und offene Fragen

Laut einem Spiegel-Bericht verbreitet sich das Schreiben rasant, auch in anderen Bundesländern und dem Bundesvorstand. Funktionäre und Mitarbeiter würden demnach damit rechnen, dass NRW-Landeschef Martin Vincentz nun handeln und Schnappertz von seinen Aufgaben entbinden wird. „Der ist einfach nicht mehr tragbar, war er eigentlich schon länger nicht mehr“, zitiert der Spiegel einen. Ein Mitglied der Bundestagsfraktion wird mit den Worten zitiert: „Wir blicken mit großer Besorgnis nach Nordrhein-Westfalen, es ist das bevölkerungsreichste Bundesland, die Wahlen sind für uns mindestens so wichtig wie die Wahlen im Osten.“

Unterdessen wies Schnappertz selbst die Vorwürfe gegenüber dem Spiegel zurück: „Ich kommentiere das nicht, wir werden das intern klären. Die Vorwürfe weise ich zurück. Ich werde mich dazu bei Gelegenheit äußern.“ In der WhatsApp-Gruppe der Landtagsfraktion kündigte er laut Spiegel eine Stellungnahme an und verließ die Gruppe anschließend. Auch FREILICH wollte von Schnappertz und der AfD NRW wissen, ob sie die Echtheit des Schreibens von Tritschler bestätigen und ihre Einschätzung zu den Vorwürfen geben könnten. Eine Antwort blieb allerdings aus.

Über den Autor

Monika Šimić

Monika Šimić wurde 1992 in Zenica (Bosnien und Herzegowina) geboren. Die gebürtige Kroatin wuchs in Kärnten auf und studierte Übersetzen mit der Sprachkombination Russisch und Englisch in Graz.

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