„Die Stunde der Krise ist immer auch die Stunde der Populisten“

Bei der Wahl am kommenden Sonntag stellt sich Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) dem Urteil der Wähler. Im FREILICH-Interview zieht er Bilanz und erklärt seinen „Plan für Kärnten“.

Julian Schernthaner
Interview von
3.3.2023
/
5 Minuten Lesezeit
„Die Stunde der Krise ist immer auch die Stunde der Populisten“

Peter Kaiser (SPÖ)

© Colonestarrice, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons (Bild zugeschnitten)

FREILICH: Sehr geehrter Herr Landeshauptmann Kaiser, vor fünf Jahren fuhren Sie einen fulminanten Wahlsieg in Kärnten ein. Seit September verliert die SPÖ im Bundestrend kontinuierlich in Umfragen, obwohl wir uns in einer sozialen Krise befinden. Woran liegt das, und fürchten Sie, dass sich das auch auf Ihr Wahlergebnis in Kärnten auswirken kann? Was ist eigentlich Ihr Wahlziel?

Peter Kaiser: Umfragen sind Momentaufnahmen, noch dazu in einer Phase, in der keine Nationalratswahl in Sicht ist. Die SPÖ liefert viele richtige und wichtige Antworten auf die Frage, wie man die aktuelle Teuerungswelle abfedern kann – Stichwort: amtliche Preiskontrolle für Grundnahrungsmittel, Mietpreisbremse, Stopp der aliquotierten Inflationsanpassung bei Pensionen … Das Problem ist einerseits, dass die Bundesregierung lieber den Kopf in den Sand steckt, und andererseits oppositionelle Mitbewerber mit ebenso einfachen wie unrealistischen Forderungen, den Menschen einen Bären aufbinden.

Die Stunde der Krise ist immer auch die Stunde der Populisten. Aber damit wird den Menschen nicht geholfen. In Kärnten hat die SPÖ-geführte Landesregierung bewiesen, wie konstruktive, treffsichere und solidarische Politik funktioniert. Und, die Menschen bei uns haben ja sozusagen am eigenen Leib gespürt, was FPÖ-Populisten ihnen und dem Land antun. Es war die SPÖ, die den Scherbenhaufen aufgeräumt und das Land vom Pannenstreifen auf die Fahrbahn und weiter auf die Überholspur gebracht hat. Die SPÖ wird in Kärnten am 05. März ein respektables Ergebnis einfahren, bei dem ein Vierer vorne stehen wird.

Mit welchen Themenschwerpunkten wollen Sie bei den Wählern punkten? Was sind die wichtigsten Eckpunkte Ihres „Plans für Kärnten“?

Das Programm der SPÖ Kärnten unterteilt sich in sieben Themen: Beste Bildung, Gute Arbeit und starke Wirtschaft, Leistbares Leben, Gesunde Zukunft, Solidarische Gesellschaft, Ehrliche Klimapolitik und Moderner Sozialstaat. Wir haben in diesen Themenbereichen hunderte Vorschläge und Projekte erarbeitet, wie wir in den nächsten fünf Jahren unser Land noch lebens- und liebenswerter gestalten wollen. Ein Programm für ein künftig noch besseres Kärnten, als enkelfittes Land im Herzen Europas.

Mit unserem Bestreben, Kärnten zur kinder- und familienfreundlichsten Region Europas zu machen, möchten wir einen Lebensraum schaffen, in dem Menschen sich gerne niederlassen, um zu arbeiten, zu wirtschaften, zu forschen, zu lernen, zu studieren. 

Kärnten hat die zweithöchste Arbeitslosenrate aller Bundesländer – hinter Wien und vor dem Burgenland. Wieso fällt es ausgerechnet in SPÖ-geführten Ländern so schwer, die Menschen in Brot und Arbeit zu bringen?

Als ich 2013 Landeshauptmann geworden bin, als die Sozialdemokratie hier wieder nach einer langen Pause die Regierungsspitze übernommen hat, stand Kärnten am Abgrund. Es war von Politikern, die weit mehr die eigenen, persönlichen Interessen zum Schaden des Landes bedient haben, heruntergewirtschaftet worden und hatte seinen guten Ruf verloren. Heute sind wir – und das haben wir gemeinsam mit harter, ehrlicher, sachlicher und nüchterner Arbeit geschafft – in mancher Hinsicht schon eine Vorzeigeregion Europas.

Kärnten hat mit 7,3 Prozent das höchste Wirtschaftswachstum aller Bundesländer erzielt. Mit einem Bruttoregionalprodukt von 22,7 Milliarden Euro übertraf Kärnten sogar das Vorkrisenniveau. Das Plus von 7,3 Prozent liegt weit über dem Österreichschnitt (+ 4,6 Prozent). Auch die Zweit- und Drittplatzierten Oberösterreich (+ 6,1 Prozent) und Niederösterreich (+ 5,4 Prozent) lässt Kärnten deutlich hinter sich.

Wir verzeichnen eine so niedrige Arbeitslosigkeit und so hohe Beschäftigung wie schon lange nicht mehr und übertreffen auch hier das Vorkrisenniveau von 2019. Besonders erfreulich ist, dass vermehrt auch ältere Jobsuchende oder Langzeitarbeitslose wieder vom ersten Arbeitsmarkt aufgenommen werden, was lange Zeit nicht der Fall war.

Viele Bürger ächzen unter hohen Energiekosten, auch die landesnahe „Kelag“ erhöhte die Preise für Endkunden massiv. Hätte die Landespolitik hier nicht regulierend eingreifen können oder müssen?

Die Kelag ist eine Aktiengesellschaft, an der das Land Kärnten durchgerechnet 26,01 Prozent hält. Es war die FPÖ, die zuletzt Kelag-Anteile im Alleingang über Nacht und am Landtag verscherbelt hat. Als Aktiengesellschaft unterliegt die Kelag dem Aktienrecht, das auch die Verantwortlichkeiten klar zuordnet. Preis- und Vertragsgestaltung gehören zum operativen Geschäft und obliegen der Geschäftsführung – das Land Kärnten hat keinerlei Einfluss auf diese operativen Entscheidungen.

Was wir aber gemacht haben: die Kelag-Sonderdividende in Form des Kärnten Bonus und heuer des Kärnten Bonus Plus in Höhe von 600 Euro an jene, die unsere Unterstützung brauchen auszuzahlen – in Summe sind 70.000 Haushalte anspruchsberechtigt.

Anmerkung: Die Kelag hat bereits bisher allen Haushaltskundinnen und -kunden mit Hauptwohnsitz in Kärnten nach den Kriterien der Schutzbedürftigkeit – wie dem Nachweis der GIS-Gebührenbefreiung – den Zugang zu einer sozial treffsicheren Grundversorgung ermöglicht. Zudem wirkt ab 1. Dezember 2022 die sogenannte Strompreisbremse, die den bestehenden Energiepreis bei Haushaltskunden für bis zu maximal 2.900 kWh um bis zu 30 ct./kWh netto subventioniert. Diese deutliche Entlastung beim Energiepreis auf maximal 10 ct./kWh netto bleibt bis zum 30. Juni 2024 aufrecht. Davon profitieren 60 Prozent der Kärntner Kelag-Kunden voll und der Rest zumindest anteilig, je nach ihrem Verbrauch.

Zuletzt gab es viel Wirbel um Ihren Vorstoß einer breiteren Parteispitze, der von vielen Medien als Wunsch nach einer „Doppelspitze“ interpretiert wurde. Stehen Sie wirklich hinter Frau Rendi-Wagner oder ist es Zeit für frischen Wind an der Spitze der Sozialdemokratie?

Ich habe nie von einer Doppel-Spitze gesprochen! Das wurde mir von Medien unzulässigerweise in den Mund gelegt! Mein Vorschlag lautet vielmehr, die SPÖ sollte als Team unter der Parteivorsitzenden Pamela Rendi-Wagner – die als Spitzenkandidatin von den entsprechenden Gremien vor der Wahl zu bestätigen ist – gemeinsam agieren, um so auch den medialen Zuspitzungen und Fokussierungen auf eine Person ein Ende zu bereiten.

Man kann das auch mit einem Fußball-Team vergleichen: Fußballteam: Da gibt’s auch einen Kapitän, eine Kapitänin, aber auch zehn Mitspielerinnen und Mitspieler, die auf ihren jeweiligen Positionen als absolute „Expertinnen und Experten“ zum Erfolg des Teams beitragen.

Kärnten leidet unter einem Bevölkerungsrückgang, insbesondere viele junge Frauen wandern ab. Wieso gelingt es trotz einer proaktiven SPÖ-Frauenpolitik nicht, diese zu einem Verbleib in der Heimat zu begeistern?

Das ist falsch! Entgegen allen Prognosen, konnten wir seit 2013 einen leichten Anstieg verzeichnen! Außerdem können wir aufgrund der vorliegenden, aktuellen Daten und der Analysen einer brandaktuellen FH-Studie eindeutig von einem „Brain Gain“ in den Jahren 2021 bis 2020 nach Kärnten sprechen. Das heißt, es ziehen mehr hochqualifizierte Fach- und Führungskräfte, junge Menschen und junge Menschen mit Kindern aus anderen Bundesländern nach Kärnten, als abwandern. 48 Prozent der Zugezogenen haben eine akademische Ausbildung.

Wir arbeiten seit Jahren an dieser Trendumkehr und können nun durch Fakten belegt, diese bestätigen. Ausschlaggebend für die Rückwanderung sind große Investitionen, wie bei Infineon oder in die Verkehrsinfrastruktur, sprich Koralmtunnel. Ebenso die günstige Wohnsituation oder Investitionen in die Elementarpädagogik und die flächendeckende Kinderbetreuung sind wesentliche Argumente. Weiters haben über zwei Drittel der in der Studie befragen Personen angegeben, dass sie auch andere Personen motivieren würden, nach Kärnten zu ziehen.

Aktuelle Daten: Die FH Kärnten, also der Studienbereich Wirtschaft und Management mit Birgit Aigner-Walder und Stephanie Putz, haben für diese Studie über 1.200 Personen im Jahr 2022 befragt, die bis Ende 2020 nach Kärnten gezogen sind, und hier ihren Lebensmittelpunkt haben.

Der Binnenwanderungssaldo betrug in den Jahren 2011-2020 im Schnitt 1.137, also weniger Menschen sind nach Kärnten gekommen, als weggezogen. In den Jahren 2020 und 2021 ist der Binnenwanderungssaldo positiv. Insgesamt sind zwischen 2011 und 2020 rund 53.900 Personen nach Kärnten zugewandert, fast die Hälfte davon (49,2 Prozent) sind zwischen 15 und 29 Jahren alt. Erhoben wurden in der Studie die sozio-demographischen Daten, wie Ausbildung, Staatsbürgerschaft, Familienstand, Kinder, berufliche Situation und mehr. Die Zufallsstichprobe betrug 14 Prozent über das zentrale Melderegister, also 6.750 Personen, Rücklauf knapp 20 Prozent, konkret 1.245 Umfrageteilnehmende.

Sie werden sich nach der Wahl einen Koalitionspartner suchen müssen. Werden Sie mit allen Parteien sprechen – oder schließen Sie einen Pakt mit den Freiheitlichen selbst im Fall großer blauer Zugewinne von vornherein aus?

Ich schließe niemanden aus – es wird, wie bereits 2018, Gespräche mit allen Parteien geben.

Herr Kaiser, vielen Dank für das Gespräch!


Zur Person:

Peter Kaiser, geboren 1958 in Klagenfurt, ist Vater eines Sohnes und promovierter Philosoph. In der SPÖ politisch aktiv ist Kaiser bereits seit 1981, seit 2013 ist er Landeshauptmann von Kärnten. Zudem ist er Landesparteivorsitzender der SPÖ in Kärnten und stellvertretender Parteivorsitzender der SPÖ.

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