Otto von Bismarck zum Geburtstag

„Wenn ich nicht mehr Christ wäre, diente ich dem König keine Stunde mehr“

Nationalvater, „Eiserner Kanzler“, Kriegstreiber – die Zuschreibungen, die der Fürst von Bismarck, mit vollständigem Namen Otto Eduard Leopold von Bismarck-Schönhausen, bis heute erhält, erschöpfen sich gern in Schlagworten oder Phrasen, die nicht selten den Kern des preußischen Staatsmannes verfehlen.

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„Wenn ich nicht mehr Christ wäre, diente ich dem König keine Stunde mehr“
Otto von Bismarck© Illustratedjc, Public domain, via Wikimedia Commons (Bild zugeschnitten)

Bismarck (*01.04.1815) – als zweiter Sohn eines alten Junkergeschlechts bei Stendal geboren – wurde schnell durch eine schnelle Auffassungsgabe, besonders in den modernen wie alten Sprachen, bekannt. Auch wenn er mit den damals utopischen Ideen der Burschenschaften in Göttingen haderte und sich dem Corps Hannovera Göttingen während seines Studiums anschloss, gilt Bismarck heute als Idol des politischen Kampfes für ein geeintes Vaterland.

In den Jahren vor seiner Ernennung zum preußischen Diplomaten war Bismarck jedoch ein scharfer Bekämpfer des politischen Liberalismus. Die Ereignisse um die Märzrevolution 1848 beschrieb Bismarck rückblickend selbst wie folgt: „Für die politische Tragweite der Vorgänge war ich im ersten Augenblick nicht so empfänglich wie für die Erbitterung über die Ermordung unsrer Soldaten in den Straßen“. Diese Abwehrhaltung ging so weit, dass Bismarck die Unterredung mit dem preußischen König verwehrt wurde, da dieser fürchtete, die Revolutionäre durch ein Treffen mit dem „Reaktionär“, wie Bismarck sich erinnert, weiter aufzustacheln.

Vater der nationalen Einheit

Der brandenburgische Junker schaffte es, die liberalen Ideen des Vormärzes aufzugreifen und sie in ein politisches Programm zu gießen, das auch die reaktionären Landadligen von den Vorteilen des Nationalstaates überzeugte. Mit der Thronbesteigung Wilhelms I. (1797-1888) fand Bismarck einen wichtigen Förderer und wurde kurz darauf zum preußischen Ministerpräsident. Als sich das Ringen um die Einigung Deutschlands vom Frankfurter Abgeordnetenhaus auf die Schlachtfelder Böhmens verlagerte, erkannte Bismarck früh den Schaden, den ein Schmachfrieden in den preußisch-österreichischen Beziehungen anrichten würde.

Auch fürchtete Bismarck zurecht die politische Isolation Preußens in Europa und die mögliche Intervention Frankreichs. Über Preußens Lage in Europa völlig im Klaren und mit kühler Berechnung, die nach ihm als „Realpolitik“ in die Geschichte eingehen sollte, gelang ihm einer der größten diplomatischen Coups der deutschen Geschichte – die „Emser Depesche“. Die Reaktion der Franzosen, die den Affront der Hohenzollern'schen Werbung um den spanischen Thron niemals akzeptieren konnten, waren von Bismarck einkalkuliert. In Erinnerung an die finalen Stunden vor dem deutsch-französischen Krieg erinnerte sich der Fürst: „Ich bin […] der Überzeugung, dass auch siegreiche Kriege nur dann, wenn sie aufgezwungen sind, verantwortet werden können und dass man der Vorsehung nicht so in die Karten sehn kann, um der geschichtlichen Entwicklung nach eigner Berechnung vorzugreifen.“ Bismarck, ein Kriegstreiber – wohl kaum.

Einsam an der Spitze des Reiches

Auch nach der Jahrtausendtat der deutschen Einigung bestätigt sich die mäßigende Art des ersten Reichskanzlers. Das Reich sei „saturiert“, es hege keine weiteren Ansprüche, dies ist das Versprechen Bismarcks an Deutschland und Europa. Die Jahre bis zu seinem unfreiwilligen Abtritt von der politischen Bühne versuchte der Fürst von Bismarck, sein Erbe zu sichern. Der „Kulturkampf“ gegen die katholische Kirche und die rückblickend ungeschickten Versuche, die sozialdemokratischen Umtriebe einzudämmen, untergraben jedoch in keiner Weise seine zahlreichen Erfolge hinsichtlich der deutschen Bündnispolitik oder den Grundlagen der Sozialgesetzgebung, von denen wir bis heute profitieren.

Die Bismarck'sche Politik überlebte ihren Schöpfer nur wenige Jahre und mit der Entfernung seines Abbilds aus dem Außenministerium scheint auch der letzte Rest seines Geistes aus der deutschen Politik gewichen zu sein. Was kann uns der „Eiserne Kanzler“ heute geben? Zeitlos bleibt der politische Stil Bismarcks von der nüchternen Lageanalyse bis zur strategischen Mobilität für die Erringung der eigenen Ziele und auch der Spruch „Ich bin des müde, Schweine zu treiben“ erinnert uns daran, nur die Kämpfe zu suchen, die es auch wert sind, geführt zu werden. Wer in Wort und Tat im Sinne Bismarcks um Deutschland ringen möchte, der soll es gleich dem märkischen Koloss halten und Gott, Vaterland und vor allem dem eigenen Gewissen auch in ärgster Not niemals abschwören.