Benedikt Kaiser empfiehlt vier Bücher und rät: „Wissen aneignen und dabei den Lesegenuss nicht vergessen!“

Für viele gilt das Buch immer noch als Allheilmittel für alle Lebenslagen und Gemütszustände. FREILICH-Redakteur Mike Gutsing sagt: Mehr davon! Deshalb sammelt er für FREILICH in einer Sonderreihe die Lieblingsbücher verschiedener konservativer und rechter Akteure und lässt sie vorstellen. Heute stellt der Autor Benedikt Kaiser vier herausragende Bücher vor.

Benedikt Kaiser
Kommentar von
10.1.2024
/
8 Minuten Lesezeit
Benedikt Kaiser empfiehlt vier Bücher und rät: „Wissen aneignen und dabei den Lesegenuss nicht vergessen!“
© Benedikt Kaiser

Bücherempfehlungen? Eine sehr schöne Rubrik bei FREILICH! Denn auch im digitalen Zeitalter sind Bücher ein unverzichtbarer Alltagsbegleiter. Wir müssen uns Wissen aneignen, Lesegenuss verschaffen, aber auch den jüngeren Weggefährten bewusst machen, welche Macht gute Bücher ausüben können. Zudem liebe ich das Gefühl, ein neues oder auch antiquarisch beschafftes Buch aufzuschlagen, das Papier zu fühlen, erst einmal einige Seiten umzublättern und erste Eindrücke aufzunehmen. Politische Fach- und Sachliteratur, Programmschriften, Reiseberichte, Romane, Briefwechsel oder auch Tagebücher – ich lese recht „divers“, wobei ich die stärker fordernde Fach- und Sachliteratur seltener in den späten Abendstunden konsultiere, wo dann Romane dominieren.

Bücher sind für mich ein wahrer Schatz, ich sammle sie und ordne sie, etwas pedantisch, mag sein, in den Gesamtbestand ein, was wohl einer „konservativen“ Neigung entspricht. Geht es um bestimmte Erfordernisse – zum Beispiel die Vorbereitung auf einen Aufsatz – lese ich systematisch. Geht es um Urlaubslektüre, lese ich spezifische Literatur, die mit dem Reiseziel in direktem Kontext steht. Aber auch Empfehlungen von Freunden und Kollegen baue ich ins Leseprogramm ein. Nie vergessen werde ich, als mir Martin Lichtmesz 2010 in seiner damaligen Kreuzberger Bücherbude das epische Romanwerk Weder Gott noch Teufel von Lucien Rebatet in die Hand drückte, mich fassungslos ansah und mir sagte: „Benedetto, Du kennst das nicht? Oh mein Gott! Das kann nicht wahr sein!“ Es war aber wahr, ich genierte mich, orderte das Buch – und verschlang die mehr als 1000 Seiten in wenigen Tagen. Hat nicht geschadet.

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Pierre Drieu la Rochelle – Der falsche Belgier

Doch nicht die Lichtmesz-Empfehlung Weder Gott noch Teufel war es, die es in meine intuitive Top 4 jener Werke schaffte, die ich – derzeit, Stand Januar 2024 – als Pflichtquartett betrachte. Mit Der falsche Belgier von Pierre Drieu la Rochelle (1893–1945) ist es just ein dünnes Buch eines Rebatet-Kollegen, das hier zuallererst zu nennen ist. Dieser Band, der als eigenständiges, leicht verändertes Kapitel das Finale des großen Drieu-Romanes Die Unzulänglichen darstellt, kann hervorragend für sich gelesen werden und enthält die wesentlichen weltanschaulichen Grundpositionen Drieus in belletristischer Aufbereitung: Europa! Jugend! Neubeginn!

Und: Dieser Band, auf Deutsch erstmals vor drei Jahren im Jungeuropa Verlag veröffentlicht, hat seine eigene Geschichte. Denn nur wenige Monate nach Kriegsbeginn, im Herbst 1936, reiste Drieu auf die Iberische Halbinsel und besuchte Freiwillige aufseiten der Nationalspanier im Bürgerkrieg. Seine Erfahrungen mit Falangisten (Nationalsyndikalisten), Carlisten (Monarchisten), internationalen Freiwilligen auf rechter Seite und deren linken Feinden jeder Couleur verarbeitete Drieu einmalig im vorliegenden Band, dessen Handlung im Barcelona des Spätsommers 1936 einsetzt, sich auf Ibiza zuspitzt und im spanischen Herzland des Jahres 1937 auf dem Höhepunkt des ideologischen Krieges endet. Ganz klar: ein zeitloser Klassiker, der sich nicht nur als Urlaubslektüre auf einer mallorquinischen Finka bei einem kühlen Estrella eignet. Das aber wohl auch.

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Szczepan Twardoch – Drach

Wir bleiben in der Welt der Romanciers, greifen uns aber einen lebenden Autor heraus, und zwar mit dem polnischen Autor Szczepan Twardoch den „bekanntesten zeitgenössischen Schriftsteller seines Landes“ (taz), der sich die literarische Verarbeitung oberschlesischer Geschichte zur Aufgabe gemacht hat. Twardoch eckt damit an. Vor allem tut er dies in seinem Heimatland, wo immer noch antideutsche Ressentiments den „Schlesiendiskurs“ erschweren. Twardoch ficht das nicht an. In einem ausführlichen Interview mit der Berliner Zeitung postulierte er: „Die polnischen Vorurteile sind mir scheißegal. […] Was kümmert mich das?“ Diese sympathische Me-ne-frego-Haltung hat der Bekenntnis- und Abstammungs-Schlesier (geboren in Knurow, wohnhaft in Pilchowitz bei Gleiwitz) vielleicht von Ernst Jünger übernommen: Er bekennt in seinem Werktagebuch, bereits nach Wilflingen gepilgert zu sein, weil er jenen Genius loci aufsuchen wollte, an dem Jünger wirkte, denn dieser sei „ein Autor, dessen Bücher für mich wichtig sind“.

Was empfehle ich von ihm als Pflichtlektüre? Nun, von Twardoch lohnt sich alles. Besonders angetan hat es mir indes der 2014 in Polen und 2016 in Deutschland publizierte Roman Drach, beschreibt er doch die konfliktreiche oberschlesische Identitätsgeschichte anhand von vier Generationen einer deutsch-polnisch-schlesischen Familie. Das, was Twardoch in seinem Tagebuch notierte, nämlich dass für viele Oberschlesier während der mal deutschen, mal polnischen Regierungsphase „eine kulturelle Fremdheit an die Stelle der anderen“ trat, ist das Leitmotiv des Romans. Polnischsprachige Deutsche, die für Kaiser und Reich ins Feld ziehen; deutschsprachige Schlesier, die 1921 für die „aufständische“ (also: polnische) Option votieren; schlonzakische Bergarbeiter, die sich nicht entscheiden wollen zwischen deutschen Herren und polnischen Pans, weil ihr Leben so oder so den Zwängen des Schichtsystems unter Tage unterworfen ist; nationalkulturell gespaltene Familien, in denen Deutsch, Polnisch und Schlonzakisch ebenso variieren wie das identitäre Bekenntnis der Familienangehörigen; schließlich das blutige Finale im Januar 1945, als der Furor der Sowjetarmee über O.S. hereinbricht: Twardochs Werk ist epochal – der wichtigste und beste Oberschlesienroman seit 1945.

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Erwin Strittmatter – Ole Bienkopp

Von Oberschlesien in die Lausitz, von Szczepan Twardoch zu Erwin Strittmatter (1912­–1994). Der wurde 1912 in Spremberg geboren und war nach einer Bäckerlehre zunächst Geselle im Geschäft seines Vaters, bevor er sich als Kellner, Landarbeiter, Tierpfleger und Schutzpolizist in verschiedenen Regionen des Reiches durchschlug. Das unstete Leben endete 1945; erst in den unmittelbaren Jahren danach fand Strittmatter zu seiner Bestimmung: dem Schreiben. Sein Charakteristikum war hier das Bestreben, das einfache Landleben in entbehrungsreicher Zeit, eine volksnah-sozialistische Weltsicht und eine brandenburgisch-ostdeutsche Regionalprägung bei eigenständiger Schreibweise zu vereinen: kurz, er fungierte als ein „märkischer Tolstoi“ (Christian Eger), der zahlreiche Werke vorlegte.

Hervorheben möchte ich von diesen den Aufbauroman Ole Bienkopp (1963), der in den Jahren des Umbruchs der Besitz- und Arbeitsverhältnisse in den 1950er Jahren angesiedelt ist. Der Protagonist Bienkopp ist leidenschaftlich und schöpferisch, drängt nach vorne, will seinem Dorf die Forcierung der „neuen Bauerngemeinschaft“ schmackhaft machen. Dabei hat er nicht nur mit Widerständen „reaktionärer“ Provenienz zu kämpfen, sondern zunehmend mit der ermüdend-zersetzenden SED-Parteibürokratie. Die Gestalt des Ole Bienkopp, der jeder Eigennutz fremd ist und die nach konkreter Gemeinschaft strebt, dabei aber an den Unzulänglichkeiten der Machthaber scheitert – das war einerseits ein in dieser Qualität und mit diesem Topos recht singulärer „sozialistischer Heimat- und Bauernroman“ (Wolfgang Emmerich) und war andererseits den Herrschenden zu viel des Parteikritischen. Der Kampf um das Erscheinen geriet zum Kampf um die Schriftstellerexistenz; einige Jahre später flüchtete sich Strittmatter in das „innere Exil“ auf seinem abgelegenen Hof.

Als er 1994 starb, war ein Volksschriftsteller dahingeschieden, für den es, so Wolfgang Emmerich, „in der Alt-Bundesrepublik wohl kein Pendant gibt“. Die BRD-Eliten denunzierten Strittmatter derweil dafür, Ende des Zweiten Weltkrieges in der Polizei des Dritten Reiches gedient zu haben. Aber der war – trotz aller DDR-Kritik – ohnehin kein Freund von ihr. An Armin Mohler erinnert sein Verdikt: „Im ganzen wird sichtbar, was eine kurze Zeit des Liberalismus dem Volke kostet.“ An anderer Stelle in seinem Tagebuch konstatierte er vor mehr als fünf Jahrzehnten, dass die Irrungen des liberalen Westens in „ethische, moralische und kulturelle Verrohung“ führen werden. Nun: Das Ergebnis können wir heute alle sehen.

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Alain de Benoist – Gegen den Liberalismus

Apropos Liberalismus: Noch immer dominieren in der politischen Rechten der Gegenwart illusionäre Vorstellungen davon, dass man das eine – zum Beispiel die Lobrede auf den freien Markt per se –ohne das andere – freie Migrationsströme etwa – haben könnte. Man geht recht naiv davon aus, dass man sich einen eigenen Patchwork-Liberalismus zusammenstellen könnte, in dem man nach Lust und Laune Positives (freies Unternehmertum ohne „Fesseln“) vom Negativen (Multikulti oder sexuelle Liberalisierung) trennt, um am Ende eine Weltanschauung konstruiert zu haben, die ironischerweise auch noch als „realistisch“ oder „konservativ“ angepriesen wird. Nein, sagt mit Alain de Benoist der Grandseigneur der „Neuen Rechten“ des Kontinents – das geht so nicht, man kann bestimmte Folgen nicht von ihren ureigenen Ursachen trennen. In seinem 400 Seiten starken Standardwerk Gegen den Liberalismus (2021) macht sich Benoist daher auf, ein für alle Mal Begriffs- und Positionsklärungen für eine volksverbundene Politik vorzunehmen, die zeitlose Gültigkeit für sich beanspruchen dürfen.

Auch mit zahllosen Mythen „rechts“- oder „nationalliberaler“ Provenienz räumt er dabei auf, so beispielsweise mit der Gleichsetzung von „Freiheitlichkeit“ und „Liberalismus“. Benoist unmissverständlich: „Der Liberalismus ist nicht die Ideologie der Freiheit, sondern die Ideologie, die die Freiheit in den Dienst des Einzelnen stellt. Die einzige vom Liberalismus verkündete Form der Freiheit ist die individuelle Freiheit, die als Befreiung von allem begriffen wird, was den Einzelnen übersteigt.“ Der Liberalismus führt also dort, wo man ihn machen lässt, zur Überwindung von Familie, Volk und Gemeinschaftsdenken – hin zur „Auflösung aller Dinge“ (Hans-Dietrich Sander). Wer dagegen ankämpft, benötigt eine kohärente Weltanschauung, von der aus er realpolitisch agieren kann. Eine solche wird ohne Benoist-Lektüre schwierig zu bekommen sein.

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Zur Person:

Benedikt Kaiser, geboren 1987, ist Politikwissenschaftler, Lektor und Publizist. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen im Bereich der politischen Theoriearbeit und der praktischen Wissensvermittlung. Zuletzt erschien sein viel beachteter Sammelband Die Konvergenz der Krisen.


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