Alle nach Halle – Eindrücke von der ersten Seitenwechsel-Büchermesse
Die Buchmesse „SeitenWechsel“ in Halle entpuppte sich als überraschend kraftvolles Treffen eines starken Milieus rechts der Mitte. Im Mittelpunkt des lebhaften Rückblicks schildert Marvin Mergard seine Eindrücke von großem Andrang, Optimismus und kulturellem Selbstbewusstsein.
Der Stand des Jungeuropa Verlages bei der ersten Büchermesse „SeitenWechsel“.
© Jungeuropa VerlagEs ist etwa 6:30 Uhr am frühen Samstagmorgen und der Motor startet. Rund dreieinhalb Stunden Autofahrt liegen vor mir. Das Ziel: Halle an der Saale. Der Auftakt der Büchermesse „SeitenWechsel“ von Susanne Dagen sollte das Großereignis werden, auf das sich das vielseitige Milieu rechts der Mitte einfindet. Bereits vor geraumer Zeit erfuhr ich zuerst im „Von rechts gelesen“-Podcast des Jungeuropa Verlags vom Vorhaben einer Büchermesse als Alternative zu den großen, jedoch politisch festgefahrenen Messen in Frankfurt am Main und Leipzig. Kein kleines Nischenprojekt, sondern eine wirkliche Messe mit zugehöriger Messehalle. Kein rein familiäres, kleines Beisammensein von wenigen Hundert Teilnehmern und einer Handvoll Ausstellern. Nein, fast 100 Aussteller und mehrere Tausend Besucher wurden erwartet.
Während die Fahrt ruhig verlief und die Zeit mit Musik, Podcasts und Hörbüchern verging, änderte sich die Situation kurz vor Erreichen der Messehalle. Von bereits vor mir angereisten Freunden wusste ich, dass die überschaubaren Proteste des linken Lagers zwar klein, für den Pkw-Verkehr jedoch störend waren. Nach mehrmaligem Probieren und mehr als genug verstrichener Zeit war mir klar, dass jede Zuwegung versperrt blieb. Es war elf Uhr und die Messe hatte bereits um zehn Uhr begonnen. Schließlich parkte ich – wie viele andere auch – auf dem nahegelegenen Parkplatz des Kaufhauses und verzichtete auf das eigentlich zuvor bewusst gekaufte Parkticket auf dem Messegelände und bewegte mich zu Fuß zur Messehalle.
Ankunft im Ausnahmezustand
Neben einem kleinen Aufgebot von linken Demonstranten – es dürften keine hundert Personen gewesen sein – durfte jeder ein unfreiwilliges Erinnerungsfoto der üblichen Antifa-Fotografen einheimsen. Da Recherche Nord und der Trupp um André Aden noch nicht einmal monatelang zurückliegende Aufnahmen aus Schnellroda veröffentlicht haben, müssen wir uns wohl auf eine ebenso monatelange Warterei einstellen – schlechter Service, die Damen und Herren. Vor der Messehalle bildete sich eine lange Menschenschlange, die sich nur langsam durch den Eingangsbereich schob. Bereits zu diesem Zeitpunkt wurde mir klar, wie voll die Messe sein würde, und in der Halle selbst bestätigte sich dieser Eindruck erst recht.
Bevor ich mir diesen Eindruck vor Ort verschaffen konnte, wusste ich nicht, was mich erwarten würde. Eine große Zahl an Ausstellern und ein vielfältiges Programm waren vorab angekündigt worden – doch würde die Resonanz entsprechend groß sein? Besteht eine derartige Nachfrage, dass sich ein solches Unterfangen lohnen würde? Beim Blick in die Menge an Menschen war klar: Ja, diese Nachfrage besteht. Und es waren deutlich mehr Menschen vor Ort, als ich das je erwartet hätte.
Erwartungen und Realität
In der Messehalle traf ich nicht nur auf meine Freunde, die bereits geraume Zeit vor mir angekommen waren, sondern auch auf viele unbekannte Gesichter. Das anwesende Klientel entspricht überhaupt nicht dem Bild, das Linke von unserem Milieu als Schreckensgespenst zu zeichnen versuchen. So simpel und langweilig es klingen mag: Es waren ganz normale Leute. Darunter viel älteres Publikum, aber ebenso viele junge Menschen; manche mit Anzug oder Hemd, andere leger mit Spruch-T-Shirts. Diese Vielfalt war ein zu erwartendes Abbild der Vielgestaltigkeit der Aussteller.
Von liberalkonservativen Vertretern wie Tichys Einblick oder der Jungen Freiheit, über das bereits erwähnte Compact-Magazin, bis zu neurechten Vertretern wie dem Antaios Verlag oder dem Jungeuropa Verlag war für jedermann etwas dabei. Wer genauer hinsah, fand weitere Publikationen, die man auf einer Büchermesse erwarten würde, wie das rechtslibertäre Magazin Krautzone, die rechte Umweltzeitschrift Die Kehre oder auch Kinderbücher des Verlags klein&ehrlich. Ferner präsentierte die Influencerin Michelle Gollan ihren Merch, der Rechtsanwalt Dubravko Mandic klärte mit einer Handreichung über das richtige Verhalten bei einer Hausdurchsuchung auf, und wer sich für kurz zusammengefasste Bücher in Audioform interessierte, wurde beim Stand von „Blitzwissen“ fündig.
Zwischen Merch und Manuskripten
Doch lange blieb keine Zeit: Philip Stein und Volker Zierke kündigten unter dem Titel „Dark Romance für junge Frauen, identitäre Popliteratur für junge rechte Männer“ in einem der separaten Räumlichkeiten einen Programmpunkt an, der mir bereits zuvor Fragezeichen aufgeworfen hatte. Würden die beiden Vertreter des Jungeuropa Verlags tatsächlich einen rechten Blick auf das Phänomen der sogenannten Dark Romance werfen? Vorstellen konnte ich es mir kaum – Dark Romance genießt nicht ohne Grund keinen Ruf des Intellektuellen, des gehobenen Anspruchs oder einer tiefergehenden Gesellschaftsbetrachtung, die über die bloße Auslebung pornografisch anmutender Szenen hinausreicht.
Es stellte sich jedoch schnell heraus, dass die beiden Herren sogenannten „Clickbait“ betrieben hatten und die Lesung aus Volker Zierkes „Herrengedeck“ den Inhalt dieses Programmpunkts bildete. Doch entweder hatte kaum jemand im Raum mit etwas Anderem gerechnet, oder die Zuhörer waren zu höflich, um mittendrin von dannen zu ziehen. So gut wie niemand erhob sich, um vorzeitig in das Getümmel der Messehalle zurückzukehren. Der Raum blieb voll, und sowohl die Lesung selbst als auch das darauf aufbauende Gespräch zwischen dem Verleger Philip Stein und dem Autor Volker Zierke trugen die gleiche Dynamik und den gleichen Humor, wie es die Hörer des Jungeuropa-Podcasts gewohnt sind.
Dark Romance und Herrengedeck
Nach Abschluss der für mich ersten Veranstaltung kaufte ich beim Jungeuropa Verlag nicht nur den zuvor auszugsweise vorgestellten Roman von Volker Zierke und das gerade neu erschienene Sachbuch Der Hegemonie entgegen von Benedikt Kaiser, sondern sicherte mir den heiß erwarteten Jutebeutel, der exklusiv für die Messe angekündigt worden war. Viel Zeit für ausgiebige Gespräche hatten die Jungs nicht – dafür war der stetige Anstrom an Interessierten viel zu groß. Dennoch blieben beide Bücher nicht ohne Widmung und zumindest jeweilige kurze Plaudereien waren möglich.
Nach einem ausführlichen Rundgang zur ersten Orientierung über sämtliche Aussteller blieb ich eine längere Zeit beim Antiquariat Zeitenstrom, das mich auch am Folgetag erneut anzog. Doch auch das Sortiment von Manuscriptum und dem Renovamen-Verlag oder die stilvollen Postkarten des französischen Instituts Illiade zogen verdientermaßen Aufmerksamkeit auf sich. Parallel zu all den Eindrücken nahm ich im Hintergrund die Aktivitäten auf der in derselben Halle platzierten Bühne wahr; doch muss ich gestehen, dass mir entweder die Themen nicht zusagten oder ich mit dem Programm beschäftigt war, das in den vier dafür vorgesehenen separaten Räumen geplant war. Es war schlicht nicht möglich, alles zu verfolgen, was interessant gewesen wäre.
Begegnungen und Entdeckungen
Der Tag schloss mit einem durchweg positiven Gefühl ab, und die Spannung auf den zweiten Messetag war groß. Am Sonntag unterhielt ich mich etwas häufiger als den Tag zuvor mit entweder bereits bekannten Gesichtern oder Personen, die man bislang nur über X (ehemals Twitter) kannte, ohne bis dato ein Gesicht zum anonymen Nutzernamen zuordnen zu können. Es ist mir jedes Mal ein Genuss, wenn diese Situation eintritt.
Weiterhin war es mir ein wichtiges Anliegen, beim Stand des klein&ehrlich-Verlags ein paar bestärkende Worte mitzugeben. Das Angebot an normalen Kinderbüchern, als eine Art Gegenangebot zum durch Wokeismus durchdrungenen Bücheraufgebot in den üblichen Buchhandlungen, ist ein Projekt, das meiner Ansicht nach noch zu wenig Aufmerksamkeit erfahren hat.
Zum Abschluss plante ich den Besuch zweier direkt hintereinander stattfindender Veranstaltungen in dem Raum 4, den ich bereits am Vortag aufgesucht hatte. Den Anfang machte ein Gespräch zwischen Philip Stein und Benedikt Kaiser unter der Frage: „Sind Wahlergebnisse bedeutungslos, wenn sie nicht Hand in Hand mit einer kulturellen Hegemonie einhergehen?“. Der Andrang war groß und kein Platz blieb unbesetzt. Auch in diesem Gespräch überzeugten beide Herren nicht nur inhaltlich, sondern verliehen dem Ganzen mit ihrem lockeren Umgang eine ungezwungene Atmosphäre.
Wenn Optimismus überwiegt
Ein ähnliches Bild bot sich im darauffolgenden Gespräch zwischen Erik Lehnert und Götz Kubitschek vom Verlag Antaios. Der Raum wurde hier sogar noch etwas voller; nicht nur alle Stühle waren besetzt, sondern auch der Boden war nahezu vollständig von interessierten Zuhörern in Beschlag genommen worden. Lehnert und Kubitschek stellten sowohl den Verlag als auch ihre Zeitschrift Sezession und die Buchreihe Kaplaken vor und warfen sich mit Witz und Lockerheit die verbalen Bälle zu. Die Euphorie, die während der gesamten Messe zu spüren war, fand in dieser Veranstaltung ihren Höhepunkt. Selbst der sich traditionell dem Pessimismus zuordnende Erik Lehnert gab zu, dass während der Büchermesse eindeutig der Optimismus die Oberhand hatte.
Einen Tag später, während ich diese Zeilen schreibe und inzwischen die Presseberichte seitens der etablierten Medienvertreter zu Gemüte führen konnte, ist meine Hochstimmung nicht verflogen. Das widerständige Milieu aus vielen verschiedenen Lebensbereichen kam in seiner fruchtbarsten Form zusammen, wie ich dies noch nicht erlebt habe. Die Büchermesse „SeitenWechsel“ war ein Erfolg, für den insbesondere Susanne Dagen und ihr Team ein großes Lob verdient haben – vielen Dank an Frau Dagen und an alle, die dieses Projekt erst möglich gemacht haben!
Und da die Büchermesse ein voller Erfolg war – mehr als 6.000 Besucher fanden den Weg nach Halle –, kündigte Susanne Dagen bereits jetzt in einem Kurzvideo an, dass für den 7. und 8. November des kommenden Jahres die zweite Auflage der SeitenWechsel-Büchermesse geplant ist.
In einem Jahr wird Susanne Dagen wieder rufen: „Alle nach Halle!“ Und ich bin mir sicher, dass beim nächsten Mal noch deutlich mehr Interessierte dem Ruf folgen werden. Ich freue mich jetzt schon darauf.





