Kriminologe: „Clan-Kriminalität“ ist ein Hirngespinst und PR-Gag

Der Polizeiwissenschaftler Thomas Feltes hat in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau den Begriff „Clan-Kriminalität“ kritisiert und die seiner Meinung nach fehlende Aussagekraft von behördlichen Statistiken angeprangert.

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Kriminologe: „Clan-Kriminalität“ ist ein Hirngespinst und PR-Gag

Polizisten bei einer Razzia in Wuppertal

© IMAGO / Reichwein

Das Bundesinnenministerium will den Vorschlag der Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD) zur Beweislastumkehr im Kampf gegen Clan-Kriminalität näher prüfen. Der aktuelle Vorschlag aus Berlin soll näher geprüft und diskutiert werden“, sagte ein Sprecher des Ministeriums von Nancy Faeser (SPD) dem Tagesspiegel. Dass Faeser Mitglieder vermeintlicher Clans abschieben will, auch wenn sie keine Straftaten begangen haben, hält Feltes für einen „PR-Gag“ ihrer Mitarbeiter vor der Wahl in Hessen. „Ich halte das für einen ziemlichen Skandal, dass hier auf dem Rücken einer bestimmten Bevölkerungsgruppe versucht wird, Parteipolitik zu betreiben“, so Feltes.

„Clan-Kriminalität“ als Schimäre

Faeser müsse vollkommen klar sein, dass für Abschiebungen Rechtsgründe vorliegen müssen. „Das ist in der Regel erst der Fall, wenn tatsächlich von der abzuschiebenden Person Straftaten begangen worden sind.“ Außerdem müsse es ein Land geben, in das abgeschoben werden könne. Viele Betroffene im Bereich der sogenannten „Clan-Kriminalität“ haben keinen gültigen Pass, ihre Staatsangehörigkeit ist ungeklärt oder sie sind staatenlos. „Sie kann man nicht abschieben“, erklärt Feltes. Deshalb sei „Clan-Kriminalität“ nur eine Schimäre, die allein dazu diene, populistische Interessen zu befriedigen.

Feltes betont in dem Interview mit der FR auch, dass „Clan-Kriminalität“ keine wissenschaftliche Kategorie sei. „Das Bundeskriminalamt hat für die Statistik eine Definition, die ich für höchst problematisch halte“, so der Polizeiwissenschaftler. Unter „Clan-Kriminalität“ werde erfasst, wenn Personen mit einem bestimmten Nachnamen straffällig geworden seien. Dabei werde nicht zwischen Schwarzfahren oder Ladendiebstahl und Mord unterschieden. Außerdem gebe es im türkischen oder arabischen Kulturkreis Familiennamen wie bei uns Müller, Meier oder Schulze. Die Polizeiliche Kriminalstatistik habe zu diesem Komplex keine Aussagekraft. Sie trage vielmehr zur Stigmatisierung einer Bevölkerungsgruppe bei.

„Kriminalität ist keine Frage des Passes“

Natürlich gebe es Kulturen, in denen der Familienzusammenhalt eine größere Rolle spiele, so Feltes. „Aber das zur Grundlage für eine gezielte Strafverfolgung zu machen, halte ich für moralisch verwerflich und verfassungsrechtlich unzulässig.“ Kriminalität sei keine Frage des Passes oder der ethnischen Zugehörigkeit, sondern eine Frage der sozialen Lage. „Das ist eine kriminologische Grunderkenntnis“, erklärt er weiter. Staatenlose Menschen, die entweder gar keine Staatsangehörigkeit haben oder deren Pass von den Behörden nicht anerkannt wird, seien in einer prekären sozialen Lage. Sie könnten zwar einen Schulabschluss machen, aber spätestens bei Lehre oder Studium sei dann Schluss. „Die Tatsache, dass ich staatenlos bin, verbietet mir, mich zu integrieren, ich falle auf die Großfamilie zurück. Natürlich gibt es auch in Großfamilien Personen, die straffällig werden – meist aber, weil deren Integration verhindert wurde“, ist Feltes sich sicher.

Laut ihm sind auch die statistischen Auffälligkeiten zu Kriminalität in diesen Personengruppen umstritten. „Und wir haben bei allen, die sich in einer prekären sozialen Lage befinden, eine höhere Kriminalitätsrate, weil sie zum Beispiel von der Polizei eher kontrolliert werden, sich mehr in der Öffentlichkeit aufhalten und teilweise auf illegale Einkünfte angewiesen sind, weil sie keinen Zugang zu legalen Finanzierungsmöglichkeiten haben.“ Auch die Altersstruktur spiele eine Rolle.

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