Islamistische Netzwerke: Die Metapolitik der Muslimbruderschaft

Ein Netzwerk von Männern, die sich geschworen haben, der Sache des Islams zu dienen, ohne in der Öffentlichkeit zu stehen.

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Islamistische Netzwerke: Die Metapolitik der Muslimbruderschaft
Muslime bei einem Gebet in einer Moschee. (Symbolbild)© IMAGO / Pond5 Images

Spricht man von der zunehmenden Macht der Muslimbruderschaft in Europa, stößt man bei vielen Menschen selbst im Wissenschaftsbereich auf Skepsis. Wer oder was soll die Muslimbruderschaft sein, und wie zeigt sich deren Einfluss und Macht? Schließlich gibt es keinen offiziell eingetragenen Verein, Institut, Partei, Stiftung oder ähnliche Organisationsform in Europa, die sich als „die Muslimbruderschaft“ zu erkennen gibt.

Anhand des Umgangs mit den Muslimbrüdern kommt die heutige europäische Naivität und Gutgläubigkeit besonders stark zum Vorschein, denn eine Organisation, die seit ihrer Gründung immer schon stark auf Konspiration, Unterwanderung und Subversion gesetzt hat, ist natürlich auf den ersten Blick nicht klar erkennbar. Sie will ja auch nicht erkennbar sein, gerade darin besteht ihre Gefährlichkeit. Ihre Mitglieder bekennen sich in der Öffentlichkeit auch nicht dazu, Muslimbrüder zu sein, weil es gegen jede Konspiration verstößt und der Verwirklichung ihrer Pläne hinderlich wäre. Doch nur weil die Muslimbruderschaft versucht, sich unsichtbar zu machen, heißt das nicht, sie würde es gar nicht geben. Genauso wie sich kein italienischer Mafioso öffentlich zur ’Ndrangheta bekennen würde und die ’Ndrangheta auch nicht öffentlich als ’Ndrangheta auftritt. Wir wissen jedoch vor allem durch internationale Ermittlungsbehörden, die die Mafia bekämpfen, sehr genau, dass es die ’Ndrangheta gibt und wie sie vorgeht und organisiert ist.

Das Gleiche gilt für die Muslimbruderschaft und jede andere konspirativ vorgehende Geheimorganisation. Auch die Muslimbruderschaft wirkt aus dem Hintergrund und mittels unzähliger Vereine, Stiftungen, Thinktanks, Parteien, die sich zwar alle verschiedene Namen geben und unterschiedliche Wirkungsbereiche haben, doch dasselbe Ziel verfolgen.

Der heutige liberale europäische Rechtsstaat tut sich mit einer konspirativ vorgehenden islamistischen Organisation wie der Muslimbruderschaft viel schwerer als mit den islamistischen Terrororganisation wie al-Qaida oder dem „Islamischen Staat“ (IS), nämlich aus folgendem Grund: Zwar gehen die islamistischen Terrororganisationen ebenso konspirativ vor, jedoch gehören strafbare Handlungen und Gewalt zu ihren Methoden, um ihre Ziele zu verwirklichen, und genau dort liegt ihre Schwäche, über die dann auch der liberale Rechtsstaat durchgreifen kann.

Wie der Autor Gene Sharp in seinem Buch „Von der Diktatur zur Demokratie“ klar beweist, zeigt die Geschichte, dass gewaltsame Widerstandsbewegungen fast immer gescheitert sind, während gewalt- lose oft erfolgreich waren. Er untersucht hier zwar meistens legitime Widerstandsbewegungen, die sich gegen eine Diktatur wehren, jedoch kann man diese Schlussfolgerung auch auf unsere heutige Situation anwenden.

Die legalistischen islamistischen Organisation in Europa sind deutlich mächtiger, effektiver und daher auch gefährlicher als ihre illegalen Partnerorganisationen. Durch ihre Gewaltlosigkeit und ihr legales Vorgehen machen sie sich kaum angreifbar und sind daher in einer liberalen Demokratie schwer zu fassen. Bei verbotenen islamistischen Terrororganisationen hat selbst der liberale Rechtsstaat leichtes Spiel. Der Staat fasst sie bei der Vorbereitung von Terroranschlägen, der Ausreise zu Terrororganisationen, Propagandadelikten, Terrorunterstützung, kriminellen Aktivitäten zur Finanzierung ihrer terroristischen Bestrebungen oder kleineren Delikten wie Volksverhetzung und Ähnlichem.

All das fällt jedoch bei der Muslimbruderschaft in Europa größtenteils weg! Denn in den meisten Ländern gilt sie nicht als Terrororganisation, sie hat verschiedene Ableger mit unterschiedlichen länderspezifischen Agenden. Im Gazastreifen tritt die Muslimbruderschaft als Terrororganisation Hamas auf, in Tunesien – in Gestalt der Ennahda-Partei – ist sie an der Regierung beteiligt, in Libyen ist sie mit der „Partei für Gerechtigkeit und Aufbau“ eine der Bürgerkriegsparteien.

Sie nimmt je nach Ort und Situation verschiedene Formen an. Sie ist in dem Sinne mehr eine Ideologie und Weltanschauung als eine konkrete hierarchische Organisation. Ähnlich wie bei den dschihadistischen Organisationen muss man kein formales Mitglied sein, um Teil der Sache zu werden, es reicht aus, sich geistig dazu zu bekennen und im Sinne ihrer Ideologie zu handeln. Daher bekennen sich dschihadistische Terrororganisationen auch zu Anschlägen in Europa, die von Sympathisanten ausgeführt wurden, die sie persönlich gar nicht kennen; es reicht aus, dass sie in ihrem Sinne gehandelt haben.

Genau so muss man wohl einen Großteil der Muslimbrüder-Akteure im deutschsprachigen Raum betrachten. Es kann gut sein, dass sie formal gar keine Mitglieder der Muslimbruderschaft sind, aber sie handeln und agieren in ihrem Sinne und genießen so die Unterstützung des weitreichenden Muslimbrudergeflechtes.

Einigen von der Muslimbruderschaft rekrutierten Akteuren scheint vielleicht nicht mal selbst bewusst zu sein, dass sie im Sinne der Muslimbruderschaft agieren. Denn sie wurden nicht für eine gewisse Organisation rekrutiert; wer denkt, dass die Rekrutierung so plump abläuft, irrt sich. Die Muslimbruderschaft wirbt für eine Idee, eine Ideologie, ein Ziel, nicht für ihre Organisation selbst.

Dieses Prinzip der Anwerbung kennt man vor allem bei Nachrichtendiensten. Jemand kann unter falscher Flagge angeworben werden, wie zu Zeiten des Kalten Krieges oft geschehen. KGB-Agentenführer rekrutierten Idealisten aus den Friedensbewegungen, die im Sinne des KGB agierten, ohne dass es ihnen selbst bewusst war. Ihre Motivation war der Weltfrieden, ihr Pazifismus und Idealismus trieben sie persönlich an, sie erkannten gar nicht, dass sie sich in den Dienst des Kommunismus gestellt hatten.

Ähnlich mag das bei heutigen Muslimbruder-Akteuren der Fall sein. Idealistische, gebildete muslimische Akademiker, die an europäischen Universitäten rekrutiert werden. Sie persönlich mag etwas ganz anderes antreiben, als es die Drahtzieher der Muslimbruderschaft im Hintergrund im Sinn haben, jedoch agieren sie vor allem als Einflussagenten trotzdem in ihrem Sinne.

Arbeit mit Einflussagenten

Der rekrutierte muslimische Akademiker verspürt Eifersucht gegenüber seiner Religion, wie es in islamistischen Kreisen so schön heißt, er engagiert sich gegen die „Islamophobie“, für die Gleichberechtigung, gegen Muslimfeindlichkeit und für mehr Rechte von Muslimen. Das treibt ihn an. Beschuldigt man ihn nun, ein Muslimbruder zu sein, lacht er nur darüber, denn was bitte hat er mit dieser 1928 in Ägypten gegründeten Organisation zu tun?

Dass jedoch der Imam in der Moschee, der die islamische Religiosität in ihm geweckt hat, oder die islamische Stiftung, die sein Stipendium gezahlt hat, zum Aktionsgeflecht der Muslimbruderschaft gehören, ist ihm nicht bewusst. Daher versteht er den gegen ihn gerichteten Vorwurf auch nicht. Es sind hauptsächlich „Einflussagenten“, die an einer sehr langen Leine geführt werden. Die Verschwiegenheit und Konspiration der Muslimbrüder gehen so weit, dass sie sich auch gegenüber von ihnen rekrutierten Muslimen nicht zu erkennen geben.

Die so rekrutierten Einflussagenten machen dann Karriere und steigen in immer höhere Positionen auf, in denen sie auf metapolitischer Ebene unheimlich viel Macht ausüben. Sie sitzen dann in den wahren Zentren der heutigen Macht, in den wissenschaftlichen Beiräten, Universitäten, Redaktionen, Ministerien, NGOs usw., durch die sie zur Meinungs- und Deutungshoheit gelangen. Dort wird nämlich definiert, was unter „Islamfeindlichkeit“ fällt und was nicht, welche Islamkritik legitim ist und welche nicht, wer in den Medien auftritt und Bekanntheit erlangt und wer nicht, wer gefördert wird und wer nicht. Bei der Benennung des Personengeflechtes der Muslimbruderschaft im deutschsprachigen Raum muss man aus diesem Grund sehr vorsichtig sein. Der eine oder andere Islamexperte hat sich hier schon eine blutige Nase geholt, wie der Fall von Michael Ley und Farid Hafez anschaulich zeigte. Ley behauptete, Hafez sei ein Muslimbruder, daraufhin klagte Hafez gegen Ley. Vor Gericht konnte Ley den Beweis, dass Hafez tatsächlich ein Muslimbruder sei, nicht erbringen, seine Argumentation, man wisse das in Fachkreisen oder anhand von dessen Auftritten bei „muslimbrudernahen“ Organisationen, reichten natürlich nicht aus. Hafez konnte den Vorwurf vor Gericht entkräften, indem er schlicht auf die Frage, ob er ein Muslimbruder sei, mit „Nein“ antwortete; das Ergebnis war eine Geldstrafe für Ley wegen übler Nachrede.

Statt über einzelne Personen zu sprechen, plädiere ich daher lieber dafür, über die Ideologie und Ziele der Muslimbruderschaft aufzuklären. Denn wer ihre Ideologie und Strategien kennt, wird von selbst er- kennen, wer zu ihnen gehört und wer nicht. Es ist mühsam und in vielen Fällen quasi unmöglich, einen tatsächlich gerichtsfesten Beweis zu erbringen, dass eine gewisse Person Teil einer konspirativ vorgehenden Geheimorganisation ist.

Hier gilt die Anwendung des „Ententests“, der lautet: „Wenn es aussieht wie eine Ente, schwimmt wie eine Ente und quakt wie eine Ente, dann ist es wahrscheinlich eine Ente.“

Nicht zufällig ist dieser Test auf die Zeit des Kalten Krieges zurückzuführen, als man im Westen mit den Kommunisten eine ähnlich konspirativ vorgehende Bewegung hatte wie heute die Muslimbruderschaft. Auch die Kommunisten wandten Täuschung, Konspiration und Subversion an, um ihre Ziele zu erreichen, und haben sich gleichzeitig in der Öffentlichkeit nicht zum Kommunismus bekannt.


Endzeit-Prophezeiungen nehmen einen wichtigen Teil in der Ideologie, Strategie und der Propaganda der Islamisten ein, wonach eines Tages die ganze Welt islamisch wird und somit ein ewiger Konflikt zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen bevorsteht – bis zu diesem Tage.

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Unsichtbar und doch da

Das europäische Denken und vor allem die momentan nicht besonders wehrhaften liberalen europäischen Demokratien tun sich sehr schwer mit solchen subversiven Bewegungen. Sehen wir uns beispielsweise die Hürden an, um eine Organisation wie die Muslimbruderschaft zur Terrororganisation zu erklären, versteht man, warum dies noch nicht geschehen ist. Selbst Trump als amerikanischer Präsident, der kurze Zeit unter dem Einfluss des ägyptischen Präsidenten Al-Sisi davon sprach, die Muslimbruderschaft zur Terrororganisation zu erklären, nahm davon wieder Abstand. Die Gesetzeslage gibt es einfach nicht her, es ist ein grundlegender Systemfehler, dass der Staat sich kaum gegen solche konspirativ vorgehenden, aber legalistischen islamistischen Organisationen wehren kann.

Ähnliches gilt auch für die Antifa, bei der es zur Begründung, warum sie nicht verboten werden könne, heißt, dass es ja schließlich nicht „die Antifa“ gebe, sie sei keine hierarchisch aufgebaute Organisation, sondern eher eine „Idee“ und „Weltanschauung“.

Die zunehmende Macht der Muslimbruderschaft und allgemein der legalistischen islamistischen Organisationen liegt darin begründet, dass sie sich quasilegal auf demokratischem Wege immer mehr Einfluss verschaffen. Woran ist dies erkennbar? Zum Beispiel, wenn es um die Muslimbruderschaft selbst geht: Ein relativ kleiner Kreis an staatlichen Akteuren, wie Staatsanwaltschaft, Ermittlungsbehörden, Experten und Politiker, steht einem großen Kreis an Skeptikern gegenüber, die die Gefahr durch die Muslimbruderschaft entweder komplett leugnen, in Abrede stellen oder relativieren. Anhand der medialen Berichterstattung sehen wir ganz klar, dass die „Relativierer“ in der Mehrheit sind. Bestes Beispiel ist die Operation „Luxor“, bei der in einem bisher nicht bekannten Ausmaß österreichweit gegen Strukturen der Muslimbruderschaft vorgegangen wurde.

Schon kurz nach der bundesweiten Razzia mehrten sich skeptische Stimmen und stellten die gesamte Operation, der jahrelange Ermittlungen vorausgegangen waren, infrage. Einer der Beschuldigten verglich die Razzia mit der „Reichskristallnacht“, und die Medien stellten sich bereitwillig zur Verbreitung nachweislich falscher Informationen zur Verfügung, alles mit dem Ziel, die gesamte Operation „Luxor“ infrage zu stellen. Bisheriger Höhepunkt dieser sehr einseitigen Berichterstattung war die Verbreitung von diskreditierenden Falschinformationen über die beiden Sachverständigen der Ermittlungen, Heiko Heinisch und Nina Scholz. Ihnen wurde vorgeworfen, den ermittelnden Grazer Staatsanwalt persönlich zu kennen und mit ihm per „Du“ zu sein, und dass aufgrund dessen beide nun als Sachverständige abberufen wurden. Ungeprüft wurden diese Fake News von mehreren österreichischen Zeitungen verbreitet, die sich erst auf Nachfrage des Onlinemediums Exxpress bei der zuständigen Staatsanwaltschaft als falsch erwiesen haben.

Einer der Beschuldigten startete sogar eine massive Kampagne, bei der bislang bereits über 20.000 Euro gesammelt wurden und der sich Dutzende einflussreicher Wissenschaftler anschlossen, um gegen die bundesweite Razzia zu protestieren.

Wenn die Muslimbruderschaft gar nicht existent ist oder keinerlei Einfluss besitzt, warum dann jedes Mal dieser Aufschrei und diese heftige Gegenwehr bei Maßnahmen gegen Strukturen der Muslimbruderschaft?

Wir müssen davon wegkommen, in starren Organisationsformen zu denken. Es handelt sich vielmehr um eine Auseinandersetzung der Ideen, nicht zwischen verschiedenen Staaten oder Organisationen. Es ist völlig gleichgültig, wer direkt oder indirekt für die Muslimbruderschaft arbeitet, ob bewusst oder unbewusst, es geht um die dahinter liegenden Ideen. Auch den Islamisten selbst sind Organisationen völlig egal, sie sind nur eine Form, sich zu organisieren, um das endgültige Ziel des weltumspannenden Kalifats zu erreichen, mehr nicht.

Keine geistige Abwehr vorhanden

Dies verdeutlicht uns erneut die Schwäche des Staates, der in Sachen „geistiger Abwehr“ fast völlig wehrlos ist und somit der metapolitischen Macht der Muslimbruderschaft kaum etwas entgegenzusetzen hat, bis auf langweilige Broschüren und wissenschaftliche Abhandlungen, die außerhalb von Expertenkreisen kaum gelesen werden. Die Publikationen der Verfassungsschutzämter veranschaulichen das sehr gut. Wissenschaftliche, langweilig geschriebene und für die meisten auch kaum verständliche Texte, die ebenso langweilig in Form veralteter Broschüren präsentiert werden. Das staatliche Personal dazu scheint auch passend ausgewählt in Form von grauen Bürokraten, die alle irgendwie gleich aussehen.

Schauen wir uns die Propaganda der Muslimbruderschaft an bzw. auch die islamistische Propaganda im Geiste der Muslimbruderschaft, so sehen wir genau das Gegenteil. Die islamistische Botschaft ist bestens ausgearbeitet, modern, spannend, unterhaltsam und kommt in den neuesten Formaten daher, ob auf Instagram oder in zahlreichen Podcasts, für jeden ist etwas dabei.

Allein dieser Vergleich zwischen der Medienarbeit der Muslimbruderschaft und ihr nahestehender Akteure mit der Aufklärung und Gegenbotschaft des Staates spricht Bände. Doch die Frage ist auch: Will eine Bundesregierung, wie wir sie derzeit in Deutschland haben, dem tatsächlich gegensteuern und die metapolitische Macht der Muslimbruderschaft brechen?

Vieles spricht dagegen. Denn zu einflussreich sind mittlerweile einige Akteure, die der Muslimbruderschaft zugerechnet werden, und der Staat hat sich aus Mangel an muslimischen Partnern durch Kooperationen mit diesen Akteuren gleichzeitig von ihnen abhängig gemacht. Was wäre die „Islam-Konferenz“ in Deutschland, wenn die Organisationen, die der Muslimbruderschaft zugerechnet werden, verbannt würden? Was würde da noch großartig übrig bleiben?

Dies ist auch gleichzeitig eine der effektivsten Unterwanderungsmethoden der legalistischen islamistischen Organisationen und einer der Pfeiler ihrer Macht, nämlich die unzähligen Kooperationen und die damit einhergehende Verbandelung! In Integrationsfragen, interreligiösen Dialogen, Glaubensfragen, Migrationsthemen, in all den vielen Punkten, die dazugehören, konnten sie sich als Kooperationspartner in irgendeiner Form etablieren.

Wenn wir uns anschauen, wie viele Unterpunkte allein die Themen Islam, Migration und Integration aufwerfen, wird vielleicht klar, von welchem Umfang wir hier reden. Der linke Staat erschuf ein Problem, und in diese Lücke stießen dann legalistische islamistische Organisationen wie die Muslimbruderschaft, die sich als Problemlöser darstellen. Ähnlich wie derjenige, der ein Feuer legt oder beschleunigt und dann als Feuerwehr angerast kommt.

In all diesen Fragen, zu denen unzählige Beiräte, Expertenrunden, Dialogveranstaltungen, also zusammengefasst irgendeine Form der Kooperation zwischen staatlichen und halbstaatlichen Stellen mit einem muslimischen Akteur der Gegenseite existieren, schleichen sich die Islamisten herein. In meinen vielen Recherchen, bei denen ich schwerpunktmäßig die Verbindungen zwischen Islamisten und linken Akteuren beobachte, wird mir immer wieder bewusst, welch ungeheures Ausmaß dies angenommen hat.

Islamismus mitten in der Gesellschaft

Ob in Deutschland oder in Österreich, ob in der Großstadtmetropole, einer mittelgroßen Stadt, der Kleinstadt oder gar dem Dorf, es ist immer das gleiche Muster. Es leben an einem Ort Muslime und schaffen dort dann Strukturen in Form von Vereinen, Moscheen, Bildungseinrichtungen und Ähnlichem. Oftmals jedoch sind hierbei von Anfang an Islamisten beteiligt, oder sie setzen sich an die Spitze dieser Strukturen und diktieren dann den Kurs. Gleichzeitig schaffen islamistische Organisation – vor allem die Muslimbruderschaft selbst – solche Strukturen, in dem sie in Gebiete vordringen, in denen Muslime leben.

Das heißt, solche Kooperationen gibt es tausendfach überall im Land. Sie sind eine der effektivsten Methoden zur Vergrößerung der metapolitischen Macht. Denn gerade in der Bundesrepublik obliegt die Entscheidung und die tatsächliche Macht vor Ort oft den örtlichen Strukturen, wie dem Stadtrat oder dem Bürgermeister, der in seiner Stadt wohl mehr zu sagen hat als Angela Merkel persönlich.

Das Perfide daran ist, dass man durch eine Kooperation automatisch im selben Boot sitzt, und wenn man im selben Boot sitzt, ist es so, dass man auch gemeinsam untergeht, wenn das Boot sinkt. Das heißt, aus dieser Kooperation ergeben sich erstens eine Abhängigkeit und zweitens eine gewisse Erpressbarkeit. Abhängigkeit, da man in der Partnerwahl kaum Alternativen hat, denn die „liberalen Muslime“ sind wohl eine der am schlechtesten organisierten Interessengruppen, die es gibt. Erpressbar, weil nach Eingehen einer Kooperation bei Entlarvung der muslimischen Partner als verkappte Islamisten gerade ein staatlicher oder halbstaatlicher Akteur auf keinen Fall lesen will: „XY kooperierte mit Islamisten“.

Auch Linke geben nicht gern zu, mit Islamisten zu kooperieren, und dass man sich hat täuschen lassen und auf etwas hereingefallen ist, geben die meisten Menschen naturgemäß ungern zu. Dieses sture Leugnen, Totschweigen oder Relativieren, obwohl man dabei ertappt wurde, ist mir auch durch meine Enthüllungen bestens bekannt. In keiner Enthüllung gab eine der beiden Parteien irgendetwas zu, selbst als es Konsequenzen gab, wie beim österreichischen Militärimam, der entlassen wurde, oder dem zurückgetretenen DITIB-Vorsitzenden in Rheinland-Pfalz.

Bei meiner ersten Enthüllung zum Besuch von Zadić beim IKZ Graz war die Strategie anfangs, es totzuschweigen und nicht dazu Stellung zu nehmen. Erst durch Medien damit konfrontiert war Leugnen die nächste Verteidigungsstrategie, indem die Eigenschaft „islamistisch“ schlicht geleugnet und die entsprechende Moschee als harmlos und liberal dargestellt wurde. Wieso dann aber ausgerechnet die „harmlose“ und „liberale“ Moschee bei der Operation „Luxor“ und mit Zadić als Justizministerin durchsucht wurde, bleibt wohl ein Rätsel. Ähnlich bei meiner Enthüllung zum SPÖ-Bezirksvorsteher von Favoriten, Marcus Franz, der ebenfalls in einer nicht gerade „liberalen“ und „harmlosen“ Moschee in Favoriten zu Besuch war, in der man den Dschihad verherrlichte und gegen Nichtmuslime hetzte, und zu der Franz nach eigener Aussage „eine besondere Beziehung“ hat. Hier wurde im Nachhinein stur geleugnet und auf die entsprechenden Sequenzen aus der Moschee gar nicht eingegangen. Alles nur eine „FPÖ-Schmutzkampagne“, war der Kommentar.

Gerade Parteien können es sich gar nicht erlauben, dies zuzugeben, da es personelle Konsequenzen nach sich ziehen würde, also besteht ihr ureigenes Interesse darin, den islamistischen Partner als „nichtislamistisch“ darzustellen, denn nur so waschen sie sich selbst rein. Ein anderes Beispiel dazu ist meine jüngste Enthüllung über die SPD in Hessen, die dort Wahlkampf in einer Islamistenmoschee betrieb, die gleich zweimal Ziel von Terrorrazzien war. Komplett leugnen konnten sie es nicht, also war Relativierung angesagt: Man gab zwar zu, dass es in der Vergangenheit mal „Probleme gegeben“ habe, aber seitdem sei vieles passiert – und, kurz gesagt: Die Moschee sei einfach nicht mehr als islamistisch zu betrachten.

Die Islamisten müssen sich quasi gar nicht mehr selbst verteidigen, da ihr viel mächtigerer Kooperationspartner sie schon aus Eigeninteresse reinwäscht. Dies sind einige der Pfeiler, auf denen die metapolitische Macht islamistischer Organisationen wie der Muslimbruderschaft ruht, doch noch längst nicht alle.

*Der Beitrag erschien ursprünglich in der FREILICH-Ausgabe 13 „Das grüne Netz“.


Zur Person:

Irfan Peci, geboren 1989 in Serbien, aufgewachsen in Bayern, schloss sich als Jugendlicher der islamistischen Bewegung an und wurde 2007 zum Deutschland-Chef der „Globalen Islamischen Medienfront“ (GIMF), eines islamistischen Propagandanetzwerkes. In Haft fand eine weltanschauliche Umorientierung statt, von da an arbeitete er verdeckt in der Dschihadistenszene für den deutschen Inlandsnachrichten- dienst. Aufgrund dieser Zusammenarbeit konnten Dutzende Dschihadisten an der Ausreise in Kriegsgebiete gehindert werden, obendrein wurden ein geplanter Terroranschlag im Anfangsstadium verhindert und mehrere Finanzströme verschiedener Terrorgruppen trockengelegt. Heute engagiert sich Peci hauptsächlich in der Aufklärung über die Gefahren des Islamismus und arbeitet als Autor und Politikberater. irfan-peci.de