Warum die Reform des EU-Asylrechts nur eine Mogelpackung ist

Am Mittwochmorgen verkündeten die Medien eine „strenge Reform“ der EU-Asylregeln, und Politiker stellten das Ergebnis als Lehre aus den letzten Migrationswellen dar. Das ist falsch, weil die wirklichen Probleme nicht angegangen werden und die neuen Regeln leicht umgangen werden können, meint FREILICH-Redakteur Bruno Wolters in seinem Kommentar.

Kommentar von
20.12.2023
/
3 Minuten Lesezeit
Warum die Reform des EU-Asylrechts nur eine Mogelpackung ist
Neue EU-Asylregeln sollen Migration besser kontrollieren© IMAGO / Christian Ohde

„Härterer Umgang mit Menschen aus sicheren Staaten“, „Asylreform: Auf diese strengen Regeln hat sich die EU jetzt geeinigt“ und noch dramatischer bezeichneten die Medien den „Durchbruch“ der EU bei den Migrations- und Asylregeln. Der rote Faden ist klar: Jetzt greift die EU endlich durch und die Migrationswellen seit 2015 sollen sich nicht mehr wiederholen. Endlich hat die Politik gelernt und Konsequenzen gezogen! Die „Wutbürger“ werden nun wahrgenommen und die Migrationskritiker respektiert. Schaut man sich jedoch die Reform des EU-Asylrechts „GEAS“ (Gemeinsame Europäische Asylsystem) an, sieht man eigentlich nur ein „Weiter so!“.

Doch zunächst die Kernpunkte der Reform: Migranten aus Staaten mit einer Asylanerkennungsquote von unter 20 Prozent sollen an den EU-Außengrenzen festgehalten und ihre Asylanträge in einem Schnellverfahren innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden. Wer keine Chance auf Asyl habe, solle abgeschoben werden. Migranten können auch länger unter gefängnisähnlichen Bedingungen an der Grenze festgehalten werden. Staaten an den Außengrenzen, die überlastet sind, soll ein sogenannter Solidaritätsmechanismus mit Aufnahmeprogrammen oder Ausgleichszahlungen helfen.

Falscher Ansatz macht Reform sinnlos

Das klingt auf den ersten Blick gut, ist aber Augenwischerei. Migranten und Schlepper können diese neue Regelung leicht umgehen, indem sie die Pässe und Hinweise auf die Herkunft vernichten (was ohnehin häufig geschieht) und eine andere Herkunft vortäuschen. Beispiel: Ein Ägypter will nach Europa einwandern. Die Anerkennungsquote für Asyl liegt bei einem Prozent - ein aussichtsloser Versuch, wenn er einen Asylantrag stellen würde. Was hindert den Ägypter nun daran, sich als Syrer auszugeben, seine Pässe „verloren“ zu haben und Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention zu suchen? Hier liegt der Hund begraben, denn das Problem ist nicht das Asylrecht, sondern die Masseneinwanderung über die Genfer Flüchtlingskonvention und die Verteilung des „subsidiären Schutzes“.

Die meisten Asylanträge werden abgelehnt, aber die Menschen bleiben trotzdem, weil sie „schutzberechtigt“ sind oder eben nach der Genfer Flüchtlingskonvention behandelt werden. Zur Verdeutlichung der Thematik, die Zahlen nach 2022 laut „Mediendienst Integration“: „Im Gesamtjahr hat das BAMF über 228.673 Asylanträge entschieden und 128.463 Personen Schutz zugesprochen – mit einer Gesamtschutzquote von 56,2 Prozent. 38.974 Menschen haben 'Flüchtlingsschutz' nach § 3 Asylverfahrensgesetz erhalten, 1.937 Menschen ‚Asyl‘ nach Artikel 16a des Grundgesetzes, 57.532 Menschen subsidiären Schutz und 30.020 Menschen ein Abschiebeverbot aufgrund des EU-Rechts oder internationaler Abkommen.“

Das Problem liegt woanders

An dieser Problematik wird sich wenig ändern, da sie erstens leicht zu umgehen ist und zweitens die meisten Migranten, die nach Europa kommen, gar nicht unter den Asylbegriff fallen, auch wenn sie Asyl beantragen. Sie dürfen überwiegend aus anderen rechtlichen Gründen bleiben, auch wenn das Asylverfahren abgelehnt wurde oder keine Aussicht auf Erfolg hat. Genfer Flüchtlingskonvention, Abschiebungsverbot, subsidiärer Schutz und mehr - das sind die eigentlichen Probleme, nicht das Asylverfahren, denn die Zahl der erfolgreichen Asylverfahren ist, wie oben gezeigt, sehr gering.

Das einzige, was sich auf jeden Fall ändern wird - und ich glaube, darum geht es bei der ganzen Reform - ist der „Solidaritätsmechanismus“. Heißt das im Endeffekt, dass Migranten zwangsumverteilt werden oder dass Länder an den Außengrenzen mit Geld zugeschüttet werden - damit sie weniger murren? Es geht jetzt nur um eine einfachere und leichtere Umverteilung von Geld und Migranten innerhalb der EU, und zwar auf einer besseren Rechtsgrundlage. An der Massenmigration wird sich nichts ändern. Das ist keine „Verschärfung“ des Asylrechts, zumal es hier nicht um eine Verschärfung, sondern um eine komplette Kehrtwende geht. Die „Festung Europa“ ist das Ziel, das unter anderem nur durch die Aufhebung oder Reform völkerrechtlicher Regeln wie eben der Genfer Flüchtlingskonvention erreicht werden kann. Einen einfachen Weg dorthin gibt es nicht.


Zur Person:

Bruno Wolters wurde 1994 in Deutschland geboren und studierte Philosophie und Geschichte in Norddeutschland. Im Sommer 2020 war er Mitgründer des konservativen Onlinemagazins konflikt. Im Jahr 2021 folgte das Buch Postliberal im Verlag Antaios. Seit 2022 ist Wolters Redakteur bei FREILICH. Seine Interessensgebiete sind Ideengeschichte und politische Philosophie.

Twitter: https://twitter.com/Bruno_Wolters

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.