Hans-Georg Maaßen: „Linksextremismus ist die größte Gefahr“

Von 2012 bis 2018 war Hans-Georg Maaßen Präsident des deutschen Verfassungsschutzes. FREILICH sprach mit ihm über die Gefahren des Linksextremismus, den Umgang der Leitmedien und die Deutschfeindlichkeit bei Rot-Grün.

Interview von
15.10.2023
/
7 Minuten Lesezeit
Hans-Georg Maaßen: „Linksextremismus ist die größte Gefahr“
FREILICH hat mit dem Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen gesprochen.© Fischer

FREILICH: Beginnen wir unser Interview zum Thema „Linksextremismus“ mit einem Leitzitat. Es stammt von Gerhard Szczesny, dem Mitbegründer der Anfang 1960 ins Leben gerufenen „Humanistischen Aktion“, einer frühen linksliberalen Bürgerinitiative der „alten“ Bundesrepublik Deutschland. Es lautet: „Die Geschichte des Abendlandes ist gekennzeichnet vom Wirken eines realitätsfremd und realitätsfeindlich eingestellten Geistes, der in sich selbst befangen, utopischen Welt- und Gesellschaftsmodellen nachjagt ... Die wirkliche und akute Gefahr des linken Radikalismus liegt in dem intellektuell-emotionalen Sog, den er seit den Tagen der Französischen Revolution auf die politisch engagierten Intellektuellen, die Studenten und die große Masse von Halbgebildeten aus allen Schichten ausübt. Er entzieht damit einen quantitativ nicht unerheblichen und qualitativ wesentlichen Teil der Intelligenz der produktiven Teilnahme am politischen Leben.“ Herr Dr. Maaßen, wie finden Sie diese historische Einordnung des linken Radikalismus?

Hans-Georg Maaßen: Sehr treffend und insofern zustimmungsfähig! Ich habe im Zusammenhang mit utopischen Weltbildern nämlich die Erfahrung gemacht, dass der Realitätssinn der normalen Bevölkerung, also der einfachen Menschen, ausgeprägter ist als der vieler Intellektueller. Viele Geisteswissenschaftler, auch meine juristische Zunft gehört dazu, haben sich schon vor der Französischen Revolution in einer ganz negativen Entwicklung verfangen. Sie machten sich oft die Naturwissenschaften in einer konstruktivistischen Art zum Vorbild.

Was meinen Sie mit „konstruktivistischer Art“?

Man versuchte seitens der Geisteswissenschaften, naturwissenschaftliche Methoden eins zu eins zu übernehmen und glaubte, damit Menschen und Gesellschafen nicht nur konstruktivistisch abzubilden, sondern auch zu gestalten. Das hat zur Entwicklung irrsinniger Ideologien geführt. Die erste Blüte dieser realitätsfremden Ideologien führte zur blutigen Französischen Revolution, danach folgten ähnliche konstruktivistische „Ismen“, wie Kommunismus und Nationalsozialismus.

Und heute?

Da registriere ich verhängnisvolle Irrwege in einen Ökosozialismus, der letztendlich auch nichts anderes darstellt als eine Folge dieser konstruktivistischen Entwicklung seit der Französischen Revolution, wo Leute ernsthaft davon ausgehen, sie könnten die Gesellschaft am Grünen Tisch beliebig gestalten.

Von der Vergangenheit zur Gegenwart. Ihr Nachfolger im Amt des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang (CDU), hat im Juni bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts im Gleichklang mit der Innenministerin Nancy Faeser (SPD) festgestellt, dass die größte Gefahr in Deutschland eindeutig vom Rechtsextremismus ausgehe. Das könnte historisch so gedeutet werden, dass unser Land sich im Vorfeld eines neuen 1933 befinde. Teilen Sie diese Auffassung?

Nein! Die Tatsachenlage, die man in diesem Bericht nachlesen kann, begründet die Aussage der Innenministerin Faeser jedenfalls nicht, dass der Rechtsextremismus die größte Gefahr für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung in Deutschland ist. Ich nehme das deutlich anders wahr. Für mich stellt der Linksextremismus derzeit die größte Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung dar und zwar deswegen, weil der Linksextremismus in den letzten Jahrzehnten die gesellschaftlichen Institutionen äußerst erfolgreich infiltriert hat und bis in höchste Ämter Unterstützung und Sympathie findet. Er hat einflussreiche Persönlichkeiten auf seiner Seite, die mit beiden Augen wegschauen, wenn es linksextremistische Straftaten gibt.

Warum wird die linksextreme Gefährdungsquelle im besagten Bericht zwar erwähnt, aber nachrangig behandelt?

Die Nachrangigkeit erfolgt aus rein politischen Gründen. Wir haben ja vor einigen Wochen die Verurteilung der äußerst gewalttätigen „Hammerbande“ der Antifa in Dresden zur Kenntnis nehmen müssen, deren brutale Rädelsführerin zu über fünf Jahren Haft verteilt wurde, doch die Politik hat darauf so gut wie gar nicht reagiert. Man stelle sich vor, es wäre nicht die Antifa gewesen, sondern Rechtsextremisten, dann wäre die Republik außer Rand und Band. Ich will damit sagen, die Gefahren von rechts werden von der politischen Linken, gerade auch von der Linken in der Ampelkoalition, vorsätzlich überzeichnet und die Gefahren von links ganz bewusst kleingeredet oder totgeschwiegen.

Wobei bei der Dramatisierung der rechten Gefahr unsere Leitmedien, in erster Linie der öffentlich-rechtliche Rundfunk, eine zentrale Rolle spielen, wie kritische Beobachter seit langem immer wieder feststellen, zu Recht?

Zweifellos! Unsere Leitmedien, aber auch generell die gesamte Medienlandschaft in Deutschland, berichten längst nicht mehr objektiv, oder wenigstens um Objektivität bemüht, wie dies in früheren Jahren oftmals der Fall war. Inzwischen sind sie sehr parteiisch zu Gunsten der Linken geworden, was unter anderem daran liegt, dass der überwiegende Teil der Politikredakteure, gerade auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, eindeutig bei grün und links zu verorten sind. Das ist durch Umfragen inzwischen belegt und wer die Programme verfolgt, kann es lesen, hören oder sehen. Die Damen und Herren in den Zeitungs- und Rundfunkhäusern haben gar nicht mehr den Willen zur fairen Berichterstattung bzw. ihr Publikum unparteiisch zu informieren, sondern sie verstehen sich als politische Aktivisten und treten als sogenannte Haltungsjournalisten auf. Die Folge: In ihren Beiträgen zum Extremismus werden Handlungen vom rechten Rand völlig überzeichnet und die von Linksextremisten an den Rand gedrängt. Eine fatale Fehlentwicklung!


Linksextremisten verüben brutale Anschläge auf politische Gegner. Trotzdem wird das Problem in der öffentlichen Debatte noch immer verharmlost. In dieser FREILICH-Ausgabe zeigen wir, wie sich die Antifa-Szene radikalisiert und wie groß die Gefahr wirklich ist, die von ihr ausgeht.

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Sie widerspricht damit aber den staatsvertraglichen Verpflichtungen: Die Sendungen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hätten nämlich ausgewogen zu sein, es sollten Einseitigkeiten vermieden und außerdem alle relevanten Strömungen in der Bevölkerung berücksichtigt werden. Nehmen denn die Rundfunkräte in den Kontrollorganen, in denen ja auch zum Beispiel zahlreiche CDU-Vertreter sitzen, ihre Kritik- und Mahnfunktion nicht genügend wahr?

Ich unterstreiche den Befund, dass entgegen dem Medienstaatsvertrag die öffentlich-rechtlichen Medien ihrem gesetzlichen Auftrag, wahrhaftig und in aller Breite zu berichten und zu kommentieren, nicht mehr nachkommen. Leider sieht der Medienstaatsvertrag, genauso wie die Medien- oder Rundfunkgesetze der Länder, keine Sanktionsregelungen vor, wonach Verstöße dagegen auch Folgen für die Intendanten und Chefredakteure hätten. Normalerweise werden derartige Verpflichtungen auch nebenstrafrechtlich geregelt. So etwas gibt es jedoch in unserem Rundfunksystem nicht und wo kein Kläger, da kein Richter, und wenn keine Strafrechtsnorm gegeben ist, dann setzen sich die Leute einfach darüber hinweg.

Was Sie mit Blick auf die CDU in den Rundfunkräten ansprechen, erfordert einen klaren Blick auf die Lage der Union: Sie hat sich unter Frau Merkel zu einer linken Partei verändert, sie hat das politische Koordinatensystem eindeutig nach links verschoben. Ihr ist sogar der Kunstgriff gelungen, sich zur Verkörperung der „Mitte“ zu stilisieren, auch wenn sie eine weitgehende Sozialdemokratisierung ihrer Partei vorangetrieben hat. Die „Merkelianer“ in den Rundfunk- und Verwaltungsräten haben diese Politik der Medien in Teilen mitgemacht oder zumindest geduldet.

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„Wer in seiner Jugend kein Kommunist war, aus dem wird nie ein anständiger Sozialdemokrat“, so Willy Brandt zu dem sozialpsychologisch leicht erklärbaren Zusammenhang, dass politisierte Jugendliche immer zu einem gewissen Überschwang neigen, sich radikaler positionieren. Seltsamer Weise wird in unserer gesellschaftlichen Extremismusdiskussion diese jugendliche Neigung nur im linken Bereich mit Verständnis quittiert. Rechte Politiker werden oftmals mit Hinweisen abgeschossen, dass sie vor Jahrzehnten einmal zu Besuch in einem völkischen Jugendlager waren. Denen billigt man einen Reifeprozess generell nicht zu. Auch hier das alte Erklärungsschema, Herr Maaßen, zweierlei Maß?

Ja, erneut und immer wieder zweierlei Maß aus politischen Gründen. Natürlich, junge Menschen sind leicht verführbar, sind schneller emotionalisierbar und zu radikalisieren. Auf Seiten der politischen Linken werden solche Tatsachen in späteren Jahren dann als längst verjährte „Jugendsünden“ abgetan, man schaut mit beiden Augen gerne weg. Anders bei den „Rechten“. Bei ihnen ist – im Grunde genommen – kein Heilungsprozess denkbar. Wer einmal im jugendlichen Alter von 18 Jahren sich im völkischen Jugendlager aufhielt, wie Sie erwähnten, bleibt lebenslang ein Nazi!

Aber man darf auch eines nicht vergessen: Wenn es keinen Entwicklungsbruch in der Biografie eines Menschen gibt, ist es nicht zwangsläufig so, dass sich mit dem Alter der jugendliche Extremismus auswächst. Gewiss, Menschen können sich auf Grund eigener Erfahrung und mit neuen Beziehungen in langen Jahren verändern, aber viele Menschen bleiben gleich bzw. sind stehengeblieben und das muss man gerade bei der politischen Linken feststellen. Die Tatsache, dass jemand als Maoist startete und dann bei den Grünen mit Anzug und Krawatte gelandet ist, bedeutet nicht zwingend, dass er seine radikale Jugend-Ideologie aufgegeben hat. Nein, wenn kein wirklicher Entwicklungsbruch vorlag, kann oder muss davon ausgegangen werden, dass das alte Denken im neuen Gewand weiter herumgeschleppt wird.

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Wie sehen Sie Zusammenhänge von Linksradikalismus und Deutschfeindlichkeit? Claudia Roths Parole vor der sich anbahnenden Wiedervereinigung lautete ja nicht im Sinne der DDR-Bürgerrechtler „Wir sind das/ein Volk“, sondern: „Nie wieder Deutschland!“, grüne Jugendliche urinierten auf deutsche Nationalfarben, Antifagruppen in Dresden verstören mit der Parole „Bomber Harris do it again!“, der derzeitige Vizekanzler Habeck konnte nach eigenen Aussagen „noch nie etwas mit Deutschland anfangen und fand Vaterlandsliebe stets zum Kotzen“. Die Beispiele ließen sich hundertfach fortsetzen. Woher kommen diese Selbstaggressionen, die vom Kölner Soziologen Erwin Scheuch einmal als „Rassismus nach innen“ charakterisiert wurden? In anderen Ländern kennt man diesen Selbsthass gegen die eigene Nation nicht, warum bei uns?

Das ist in der Tat eine sehr deutsche Spezialität, dieser Rassismus gegen Weiße und Deutsche, kurz, gegen das „Eigene“. Die antideutsche Bewegung bildet mittlerweile einen starken Block in der linksextremen Landschaft, teilweise agiert er auch gewalttätig. Diese geschichtspolitisch bedingte Selbstverneinung ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass sich Schuldgefühle und Komplexe im Zusammenhang mit der Vergangenheitsbewältigung des Dritten Reiches radikalisiert haben. Aus meiner – sagen wir „küchenpsychologischen“ – Wahrnehmung haben wir es hierbei oftmals mit unfertigen Charakteren zu tun, die ihre Selbstwertgefühle und das Selbstbewusstsein daraus ziehen, dass sie diese Aufarbeitung in einer Extremform betreiben. Das Ergebnis halte ich für eine enorme Gefahr für unsere Gesellschaftsordnung, weil wir es hier nicht mehr mit einem Bodensatz des Linksextremismus zu tun haben, sondern – wie Sie ja beispielhaft belegt haben – gehören auch führende Personen im Bereich der Partei der Grünen und – ich mutmaße – auch der SPD zu den sogenannten Antideutschen oder sie verhalten sich wie die Antideutschen. Und wie reagiert das deutsche Bürgertum, die vielzitierte Mitte, auf diesen „Rassismus nach innen“? Es hält die Augen in der irrigen Annahme verschlossen, dass es sich bei dem antideutschen Personenkreis um nur einige Verrückte handeln müsste, weil normal denkende Menschen diese Einstellung nicht für möglich halten. Welch Irrtum! Fakt ist, dass es diesen relevanten Extremismus in Deutschland gibt und er schadet unserem Land und damit dem deutschen Volk massiv.

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Das vollständige Interview lesen Sie in der FREILICH-Augabe 23 „Terror von links“.