Wieso Gender-Befürworter ideologisch argumentieren
Das Ziel der Gender-Befürworter – die sprachliche Gleichstellung zum Zwecke der Gerechtigkeit – lässt die Frage aufkommen, welche Definition von Gerechtigkeit die Forscher anwenden.
Teil 1 der Artikelreihe kann hier gelesen werden.
Anwendungsorientierte Forschung muss sich immer rechtfertigen. Je nach Fachgebiet fällt das leichter oder schwerer – der Erfinder eines Heilmittels hat mehr Berechtigung zum Eingriff in die Welt als der Erfinder von Massenvernichtungswaffen. Ob der Eingriff der Wissenschaft in die Gesellschaft legitim ist, ist eine Frage der Moral, sowohl der des Forschers als auch der der von dem Eingriff Betroffenen. Der moralische Kompass der Gender-Befürworter besagt, dass Gleichstellung ein Weg zur Gleichberechtigung ist und dass sprachliche Ungleichbehandlung Diskriminierung bedeutet (was höchst umstritten ist). Die Erfinder der sprachlichen Gleichstellung müssen sich hier also den Vorwurf gefallen lassen, dass sie durch die gezielte Veränderung der Sprache Anderen, die ihre Gerechtigkeitsdefinition nicht teilen, ihre Vorstellung von Gerechtigkeit durch Sprache aufzwingen wollen.
Das Ergebnis der Gender-Befürworter, nämlich „Frauen werden durch die derzeitige Verfasstheit der Sprache diskriminiert“, steht von Anfang an fest. Wie bereits erwähnt, kann das Maskulinum in vielen Fällen sowohl die generische – geschlechtsunabhängige – Funktion, als auch die spezifische – männliche – Funktion übernehmen. Diese Gliederung in Oppositionen (hier männlich – weiblich), wobei ein Element markiert ist (in dem Fall das weibliche mit der Endsilbe -in) und das andere sowohl als Teil der Gegenüberstellung, als auch als Überbegriff auftreten kann, findet man nicht nur beim Genus. Vielmehr ist diese Trennung in Oppositionen, bei denen ein Element auch als Überbegriff dient, ein Merkmal der deutschen Sprache, wie Ulrich schreibt. Bei den Zeiten ist es ähnlich: Der im Präsens gehaltene Satz „ich mache Sport“ kann als Opposition zu „ich habe Sport gemacht“ und „ich werde Sport machen“ verstanden werden und bezeichnet in dem Fall etwas, was in der Gegenwart stattfindet. „Ich mache Sport“ kann allerdings auch als Unzeitliches, als Gewohnheit verstanden werden, die gleichermaßen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft betrifft. Obwohl die markierten Formen nicht als Überbegriff verwendet werden können, käme niemand bei den Tempora auf die Idee, die Vergangenheitsform (oder die Menschen, die mit dieser bezeichnet werden, z. B. weil sie schon tot sind) würde durch das Präsens diskriminiert werden. Dass man also bei der Bildung von aufhebbaren Oppositionen in der Sprache Diskriminierung sieht, hat nichts mit dem Aufbau der Sprache zu tun, sondern liegt an außersprachlicher Diskriminierung (ob diese überhaupt vorliegt, soll an dieser Stelle nicht Thema sein), die in die Sprache hineininterpretiert wird.
In der heutigen Zeit gelten Stärke, Dominanz und traditionelle Rollenbilder von Mann und Frau zunehmend als verpönt. Schnell steht der Vorwurf der „toxischen Männlichkeit“ im Raum und der Mann wird als Gefahr für sich und andere dargestellt. Doch wann ist ein Mann ein Mann und was ist seine Rolle in der heutigen Gesellschaft? Die neueste Ausgabe des FREILICH MAGAZIN will genau diese Frage beantworten. Zudem widmet sie sich einer neuen Bewegung von Männern, die ihre Männlichkeit wiederentdecken und zurückerobern wollen.
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Wieso Sprache nicht zur Bekämpfung von Diskriminierung taugt
Der Vergleich mit anderen Sprachen zeigt ebenfalls, dass Diskriminierung etwas Außersprachliches ist. Gerhard Doerfler führt das Beispiel des Korana (Sprache der Eingeborenen in Südafrika und Namibia während der Kolonialisierung) an, in dem es kein generisches Maskulinum gibt, sondern Pluralformen für rein männliche, rein weibliche und gemischte Gruppen. Nichtsdestotrotz ist die Gesellschaft, der diese Sprache entstammte, eine zutiefst patriarchalische gewesen, in der Frauen beinahe rechtlos waren. Weibliche Sprecher genusloser Sprachen wie des Englischen oder Japanischen sind ebenfalls nicht vor außersprachlicher Diskriminierung geschützt. Vielmehr zeigt Okamura am Beispiel des Japanischen, dass das Gefühl, durch Sprache diskriminiert zu werden, mit der Gleichberechtigung von Mann und Frau zurückgeht. Die Realität verändert also die Sprachverwendung und Sprachwahrnehmung, die außersprachliche Bekämpfung von Diskriminierung wirkt auf die Sprache ein und verändert sie auf natürliche Art und Weise, indem neue Begriffe entstehen und Bedeutungsveränderungen stattfinden.
Wieso Sprache sich natürlich ändert und künstliche Veränderungen fehl am Platz sind
Manche Worte – vor allem Berufsbezeichnungen – entstammen tatsächlich einer patriarchalischen Zeit, haben jedoch eine Bedeutungsveränderung durchlaufen. Auch wenn früher mit „Wähler“ ausschließlich Männer bezeichnet werden konnten, wird der Begriff seit der Einführung des Frauenwahlrechts auch auf Frauen angewandt. Das Merkmal des Geschlechts ist also verschwunden, das Wort beschreibt jetzt nur eine Handlung („jemand, der wählt“). Für weibliche Wähler entstand der Begriff „Wählerin“, der die Inhaltskomponente Geschlecht durch die Endung -in weiterhin trägt. Dieses eindeutig auf Frauen bezogene Wort macht kurze Aussagen wie „Wählerinnen bevorzugen andere Parteien als Wähler“ möglich (statt der sprachlich unökonomischen Form „Weibliche Wähler bevorzugen andere Parteien als männliche Wähler“).
Wie die Assoziation von Genus und Sexus ohne Gendern gelockert werden kann
Den Gender-Befürwortern muss man in gewisser Weise Recht geben, wenn sie behaupten, der Genus habe eine Wirkung auf unsere Vorstellung vom biologischen Geschlecht. Die Katze gilt als Frauenhaustier, der Hund als treuester Freund des Mannes. Männer sprechen oft liebevoll von ihrer Maschine und verleihen ihrem fahrbaren Untersatz Frauennamen. Deutsche Kinder grüßen am Morgen Frau Sonne, in romanischen Sprachen ist dagegen la luna – der Mond – weiblich.
Nichtsdestotrotz können solche Assoziationen gelockert werden, wenn sie falsche Vorstellungen transportieren. Stickel ruft Frauen dazu auf, für sich selbst die feminine, mit -in endende Form, nur dann zu verwenden, wenn das Geschlecht in dem Kontext tatsächlich relevant ist (Ein Satz wie „Ich als Ärztin habe die Erfahrung gemacht, dass junge Mädchen oft froh sind, ihre erste gynäkologische Untersuchung von einer Frau durchführen zu lassen“ macht die Nennung des Geschlechts für den Inhalt wichtig, „ich als Arzt plädiere dafür, dass Kinder ein gesundes Pausenbrot bekommen“ dagegen nicht. Beide Sätze können von derselben Frau stammen). Indem Frauen sich verstärkt als Wähler, Studenten, Lehrer und Mitarbeiter verstehen und bezeichnen, wird die Bedeutung des Wortes als geschlechtsneutral gefestigt.
Zur Person:
Bruno Wolters (Jahrgang 1994) hat Philosophie und Geschichte in Norddeutschland studiert. Gemeinsam mit Erik Ahrens gründete er im Sommer 2020 das konflikt Magazin, ein konservatives Onlinemagazin für Berichterstattung aus Politik und Gegenkultur. Im Jahr 2021 folgte das Buch Postliberal im Verlag Antaios. Wolters Interessensgebiete sind Ideengeschichte und politische Philosophie.
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