Schweizer Bank kündigt Identitären-Konto, Antifa bleibt

Die PostFinance kündigte der Jungen Tat im April 2022 nach Angriffen von Staat und Antifa das Konto. Derweil sind Linksextreme bei der Schweizer Bank weiterhin willkommen.

Analyse von
9.1.2024
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Schweizer Bank kündigt Identitären-Konto, Antifa bleibt
Der Jungen Tat wurde das Bankkonto gekündigt© IMAGO / Frank Sorge

Aktualisiert am 10.01.2024: Nachdem dieser Artikel erschien, wurde die Spendenseite der Antifa Bern deaktiviert. Sie ist aber noch im Webarchiv verfügbar.

In Deutschland und Österreich haben Rechte schon länger mit Kontosperrungen zu kämpfen (FREILICH berichtete). Weniger bekannt ist das Debanking in der Schweiz. Im August 2022 setzte die Liechtensteiner Bank den Radiosender Kontrafunk vor die Tür. Weitere Kündigungen gegen das von Burkhard Müller-Ulrich geleitete alternative Medium folgten. Kontrafunk war zuvor von den Medien in AfD-Nähe gerückt worden.

Die Bürgerrechtsbewegung Freiheitstrychler geriet im März 2023 ins Fadenkreuz des Staatsfunks SRF und der Antifa. Die Freiheitstrychler hatten zuvor während einer Friedensdemo in Bern den traditionellen „Harus“-Ruf verwendet. Deshalb müsse die PostFinance den Bürgerrechtlern das Konto sperren, forderten Antifa und Staatsfunk.

Debanking-Vater Staat

Wie Debanking in der Schweiz funktioniert, zeigt das Beispiel der Jungen Tat. Dem Verlust eines PostFinance-Kontos im April vorletzten Jahres sei eine Kriminalisierung durch Behörden und den Staatsfunk SRF vorausgegangen, sagte ein Aktivist der identitären Jugendbewegung gegenüber FREILICH. Im April 2021 bezeichnete das öffentliche Schweizer Fernsehen die Junge Tat, die durch das öffentliche Zertrümmern eines Bildschirms mit den LGBTQ-Farben Aufmerksamkeit erregt hatte, als „Neonazis auf dem Vormarsch“.

Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) veröffentlichte zwei Monate später den Lagebericht für das Jahr 2020: Die Junge Tat gehöre zur „gewalttätigen rechtsextremen Szene“. Im Jahr 2020 sei diese Szene durch ein Gewaltereignis, die linksextremistische Szene durch 107 Gewaltereignisse aufgefallen. Der Bericht enthält einen Screenshot, der offenbar aus der Reportage „Neonazis auf dem Vormarsch“ des Schweizer Fernsehens stammt und die Zerstörung eines Fernsehers durch Aktivisten der Jungen Tat zeigt. Der NDB bezeichnet die Aufnahme als „Propagandavideo“.

Linksextremistische, rechtsextremistische und coronaextremistische Ereignisse von 2016 bis 2022. Quelle: Nachrichtendienst des Bundes, Lagebericht 2023 (S. 48).

Als das Tanzhaus Zürich im Oktober 2022 eine Vorlesung für Kinder mit Männern in Frauenkleidern veranstaltete, war auch die Junge Tat vor Ort. Laut Internetseite des Tanzhauses können Kinder im Alter von drei bis zehn Jahren teilnehmen. Mit „viel Schminke und fantasievollen Verkleidungen“ sollen die Kinder die Möglichkeit bekommen, von „starken und queeren Vorbildern“ zu lernen.

Die Junge Tat veröffentlichte auf ihrem Telegram-Kanal eine Tonaufnahme, die ein Gespräch während der Veranstaltung wiedergeben soll: Die afroamerikanische Veranstalterin Brandy Butler soll demnach gesagt haben, die Kinder könnten „auch gar nichts anhaben“. Die Aussage einer sogenannten Dragqueen, manche Kinder seien „nicht mehr aus meinem Zimmer rausgekommen“, habe für Gelächter unter den Anwesenden gesorgt.

Der Staatsfunk SRF berichtete, die Junge Tat habe vor dem Tanzhaus ein Banner mit der Aufschrift „Familie statt Gender-Ideologie“ entrollt und Fackeln angezündet. Die Aktivisten hätten „Angst und Schrecken“ verbreitet. Die Bezeichnung des Protests als friedlicher Aktivismus durch die Junge Tat sei „blanker Hohn“.

Der NDB erwähnte im Lagebericht für das Jahr 2021, dass es zu „gewalttätig-rechtsextremistisch motivierten Tätigkeiten“ gekommen sei. Insgesamt 81 Gewaltereignisse seien auf Linksextremisten und drei auf Rechtsextremisten entfallen. Bei zwei der rechtsextremistischen Gewaltereignisse habe es sich allerdings um Selbstverteidigung gehandelt. Im Lagebericht für das Jahr 2022 führten Linksextremisten mit 89 Gewaltereignissen, Rechtsextremisten konnten nur fünf verbuchen. Von diesen fünf rechtsextremen Gewaltereignissen entfielen wiederum drei auf Selbstverteidigung.

Ein Aktivist sagte zu FREILICH: „In allen drei Lageberichten wurde der Jungen Tat ohne jegliche Begründung der ‚gewalttätige Rechtsextremismus‘ zugeschrieben. Bei keinem der drei Lageberichte konnte der NDB uns Gewalt nachweisen. Im 2022er- und 2023er-Lagebericht wurde unsere Selbstverteidigung vor Linksextremisten und gewalttätigen Migranten als ‚Gewaltausübung‘ und Grund zu erhöhtem ‚Wille zu Auseinandersetzung‘ aufgelistet. Paradox, da wir uns genau vor diesem schützen mussten.“

FREILICH fragte den Schweizer Geheimdienst, warum die Selbstverteidigung von Mitgliedern der Jungen Tat als Gewaltereignisse erfasst werde und ob es Belege für die anderen rechtsextremen Gewaltereignisse gebe. Eine Pressesprecherin des NDB erklärte, dass man sich generell nicht zu operativen Tätigkeiten äußere. „Die Bewertungskriterien des NDB für Gruppierungen oder Organisationen, die dem gewalttätigen Extremismus zuzuordnen sind, sind daher nicht öffentlich.“

Antifa und Leitmedien vereint

Der Kommunikationswissenschaftler Michael Meyen sagte gegenüber FREILICH: Um eine Person zu canceln oder zu debanken, müsse diese in den Leitmedien als „rechtsextrem“ bezeichnet werden. Eine besonders enge Abstimmung zwischen privaten Leitmedien und der linksextremen Antifa lässt sich im Debanking der Jungen Tat erkennen.

Am 4. April 2022 startete das Offene Antifaschistische Treffen Basel (OAT Basel) auf der Kampagnenplattform Campax die Online-Petition: „Kein Konto für die Junge Tat!“. Das OAT Basel begründete die Petition mit den Lageberichten des Geheimdiensts. Laut dem NDB bestehe bei der Jungen Tat ein erhöhtes Gewaltpotential. Die PostFinance müsse daher alle Konten der identitären Jugendbewegung sperren. Ein Aktivist der Jungen Tat sagte FREILICH, ein linksextremer Mitarbeiter des Finanzministeriums habe zuvor über das inzwischen gelöschte Twitter-Konto „bininbern“ in linken Kreisen für das Debanking der Jungen Tat agitiert.

Am 6. April berichtete der Blick um 18:28 Uhr, dass eine Online-Petition gegen das Spendenkonto der Jungen Tat bei der PostFinance lanciert worden sei. Eine halbe Stunde später legte die auflagenstärkste Tageszeitung der Eidgenossenschaft nach: Die Gratis-Bahnhofszeitung 20 Minuten hatte PostFinance gefragt, warum die „Neonazigruppe ‚Junge Tat‘“ ein Konto führen dürfe: Pressesprecher Ronaldo Tibolla antwortete: „Falls aber das, was die Petitionslancierer schreiben, stimmt, können wir Ihnen versichern, dass die Kundenbeziehung bereits abgebrochen ist oder umgehend abgebrochen wird. Wir distanzieren uns grundsätzlich von jeglichen extremistischen Bewegungen und Gruppierungen.“ Der Bericht von 20 Minuten wurde noch am selben Tag vom führenden Antifa-Blog „antifa.ch“ geteilt.

Ein Mitglied der Jungen Tat sagte FREILICH, die Kontosperrung durch PostFinance sei möglicherweise rechtswidrig. Denn das Postgesetz verpflichte die Bank, eine Grundversorgung mit Finanzdienstleistungen für alle Bevölkerungsteile in der Schweiz zu gewährleisten. Ein anderes Mitglied der Jungen Tat verwies auf das Diskriminierungsverbot gemäß Artikel 8 der Bundesverfassung. Mit der Kündigung habe das Staatsunternehmen PostFinance die Junge Tat wegen der „politischen Überzeugung“ ihrer Mitglieder benachteiligt.

Antifa Bern mit PostFinance-Konto

Das Offene Antifaschistische Treffen Bern begründete seine Petition unter anderem mit dem vom Geheimdienst festgestellten „erhöhtem Gewaltpotential“ der Jungen Tat. Laut den NDB-Lageberichten für die Jahre 2020, 2021 und 2022 waren Linksextreme für 277 Gewaltereignisse verantwortlich, Rechtsextreme jedoch nur für neun. Zudem handelte es sich bei fünf der insgesamt neun rechtsextremen Gewaltereignisse um Selbstverteidigung. Vor diesem Hintergrund ist die Frage nach dem Gewaltpotential der Antifa Bern, die als Unterstützer der Petition gegen die Junge Tat in Erscheinung trat und scheinbar ein Spendenkonto bei der PostFinance unterhält, von einigem Interesse.

Die Antifa Bern wird als Betreiber des Antifa-Blogs „antifa.ch“ und des Twitter-Kontos „antifa_bern“ genannt. Bereits 2011 stellte die Zeitung der Antifa Bern fest, dass sich die Affinität von „Neonazis“ zum Kampfsport in Wehrsportübungen und Kampftrainings zeige. Aussagen von Aktivisten der Jungen Tat, sie würden Gewalt ablehnen, bezeichnete die Antifa Bern in ihrem Jahresrückblick 2022 als Heuchelei. Die Junge Tat sei eine „rechtsextreme Gruppe“, die „Gewalt gegen Menschen ausübt, welche nicht in ihr Weltbild passen.“

Twitter-Konto der Antifa Bern. Screenshot Twitter.

Überraschenderweise hat die Antifa Bern keine Berührungsängste mit Kampfsport. In einem Post werben die Linksextremen für die Antifa-Kampfsportveranstaltung „Combat Club II“. Auf der Internetseite informiert der Veranstalter, dass „[a]ntifaschistische Kämpfer:innen“ aus verschiedenen Städten am 20. März 2023 in der Zentralwäscherei in Zürich insgesamt 20 Muay Thai-Kämpfe austragen werden.

Am 13. Juni 2023 ergriffen Antifas in Bern die Gelegenheit, mit ihren Kampfkünsten Gewalt gegen Menschen auszuüben, welche nicht in ihr Weltbild passen. 20 Minuten berichtete über einen Überfall von Linksextremisten auf das Restaurant Harmonie in der Berner Altstadt. Die Chefin der identitären Frauenorganisation Némésis aus der französischsprachigen Westschweiz wurde Zeugin des Überfalls. In einem Kurzvideo erzählt die aufgelöste junge Frau von dem Angriff. Im Hintergrund sieht und hört man, wie Mitarbeiter Scherben zusammenkehren. 20 Antifas hätten die Scheiben des Restaurants eingeschlagen, mit Stühlen um sich geworfen, Pfefferspray versprüht und Gäste attackiert. Sie selbst sei mit einem Messer und einer Weinflasche angegriffen worden. Bei diesen Worten bricht die Aktivistin in Tränen aus. Mitglieder der Jungen Tat, welche am Nebentisch saßen, seien den Frauen gegen die Angreifer zu Hilfe geeilt.

Die Aktivistin sagte FREILICH, dass sie noch mehrere Stunden in dem Restaurant geblieben sei, um Zeugenaussagen zu machen. Die Polizei habe ihr jedoch gesagt, dass es keinen Sinn mache, Anzeige zu erstatten. Die Ermittlungen seien aussichtslos. „Wir hätten uns mehr Gerechtigkeit gewünscht, denn es war ein äußerst brutaler Angriff. Die Vorstellung, dass so etwas jederzeit wieder passieren kann, weil man nichts gegen diese gefährlichen Leute unternehmen kann, macht große Angst.“

Ein Aktivist der Jungen Tat sagte FREILICH, dass die Angriffe der Linksextremisten zu leichten Blessuren und einer Splitterwunde am Kopf geführt hätten. Einer der Angreifer sei mit einer Fonduegabel in der Hand geflohen. Harmonie-Besitzer Jimi Gyger erzählte dem Blick, dass ihn der Angriff, der etwa zwei bis drei Minuten dauerte, schockiert habe. So etwas habe er in seiner 42-jährigen Erfahrungen als Wirt noch nie erlebt.

Die Antifa Bern scheint eine besondere Abneigung gegen die identitäre Frauengruppe Némésis zu hegen: Ein halbes Jahr vor dem Restaurantüberfall wurde die Frauengruppe auf dem Blog „antifa.ch“ als fremdenfeindlich, islamophob und rassistisch bezeichnet. Némésis betreibe „Hetze“, weil die Gruppe auf die Überrepräsentation muslimischer Einwanderer bei Sexualstraftaten hinweise und die Abschiebung ausländischer Vergewaltiger fordere.

Antifa-Angriffe aus dem Hinterhalt gehören zum Alltag der Jungen Tat. Laut der konservativen Weltwoche wurde im Mai 2021 eine Wandergruppe der Jungen Tat von etwa 30 Linksextremen im Freilichtmuseum Ballenberg überfallen und „spitalreif“ geschlagen. Im September berichtete das Nachrichtenportal Nau, dass die Polizei nur knapp einen Antifa-Hinterhalt auf eine Wandergruppe der Jungen Tat in Baselland verhindert habe. Im März 2023 wurden laut Züri Today vier Mitglieder der Jungen Tat nach einem Vortrag über Rechtsextremismus in Zürich von zwölf Antifas angegriffen.

Die PostFinance lehnte es mit Verweis auf das Bankgeheimnis ab, die Gründe der Kontosperrung der Jungen Tat und Martin Sellners zu kommentieren. Auf Twitter schrieb das Bankhaus: „Grundsätzlich stehen unsere Konten Kund:innen in der Schweiz zur Verfügung. Wir prüfen regelmässig, ob Geschäftsbeziehungen aufrechterhalten oder beendet werden müssen.“ Nach welchen Kriterien diese Prüfung erfolgt, ob eine Geschäftsbeziehung weitergeführt oder beendet wird, dazu wollte sich die PostFinance ebenfalls nicht äußern.