Routinen in der Polizeiarbeit begünstigen laut einer neuen Studie Rassismus

Eine neue Studie zeigt, dass routinierte Abläufe im Polizeialltag strukturelle rassistische Diskriminierung begünstigen können. Besonders anlasslose Kontrollen und Gefahrenbewertungen erhöhen das Risiko, Menschen mit Migrationshintergrund ungleich zu behandeln.

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Routinen in der Polizeiarbeit begünstigen laut einer neuen Studie Rassismus

Ein zentrales Problem ist laut der Studie die Praxis der „rassifizierenden Kontrollen“.

© IMAGO / localpic

Hannover. – Eine aktuelle Studie zeigt, dass Routinen und Abläufe im Polizeialltag die Gefahr rassistischer Diskriminierung erhöhen. Besonders anlasslose Kontrollen, Gefahrenbewertungen und Befragungen von Personen bergen ein erhöhtes Risiko, Menschen mit Migrationshintergrund ungleich zu behandeln, wie die Studienleiterin Astrid Jacobsen von der Polizeiakademie Niedersachsen gegenüber der Tagesschau erklärt. Die Untersuchung konzentrierte sich dabei nicht auf die individuellen Einstellungen der Beamten, sondern auf die strukturellen Arbeitsprozesse, die das Diskriminierungsrisiko beeinflussen.

Kategorisierung ist notwendig, aber problematisch

Ein zentrales Problem stellt laut Jacobsen die Praxis der „rassifizierenden Kontrollen“ dar. Hierbei stützt sich die Polizei häufig auf ethnische Zuschreibungen und stereotype Lagebilder. So werde etwa der Bahnhof in polizeilichen Lageberichten häufig als Verkaufsort für Drogen durch junge Albaner beschrieben. Dies führe dazu, dass Menschen, die optisch nicht als Deutsche wahrgenommen werden, verstärkt ins Visier der Beamten geraten. Dieser Fokus auf bestimmte Personengruppen könne zu einem Tunnelblick führen, der durch jede erfolgreiche Kontrolle weiter bestärkt werde, so Jacobsen. Zwar sei eine Kategorisierung von Personen für die polizeiliche Arbeit notwendig, jedoch werde es problematisch, wenn diese Kategorien nicht mehr hinterfragt oder angepasst würden.

Neben den Kontrollen stehe auch die Gefahrenbewertung bei geplanten Einsätzen in der Kritik. Oftmals flössen pauschalisierende Annahmen über bestimmte Bevölkerungsgruppen in die Planung ein, beispielsweise die Vorstellung, dass Südeuropäer impulsiv oder Russen gewaltbereit seien. Besonders problematisch sei zudem, dass Polizisten Menschen mit arabischem oder türkischem Aussehen häufig pauschal als polizeifeindlich und respektlos einstufen, was zu einem entsprechend feindseligen Verhalten führen könne. Gleichzeitig würden Migranten, die nicht gut Deutsch sprächen, oft nicht ausreichend angehört.

Forscher begleiteten Polizeiarbeit ein Jahr lang

Die Studie, die von Jacobsen und ihrem Co-Autor Jens Bergmann durchgeführt wurde, basierte auf einjährigen Beobachtungen des Polizeialltags in verschiedenen Dienststellen in Niedersachsen. Die Forschenden begleiteten unter anderem Streifenfahrten und Einsätze und analysierten die anschließende Dokumentationsarbeit. Ihr Fazit: Die bestehenden Arbeitsabläufe begünstigen strukturelle Diskriminierung, auch wenn diese nicht bewusst oder absichtlich erfolgt.

Das niedersächsische Innenministerium sowie die Polizei haben bereits angekündigt, die Ergebnisse der Studie zu nutzen, um gemeinsam mit den Forschern Vorschläge für neue, diskriminierungsärmere Arbeitsabläufe zu entwickeln. Innenministerin Daniela Behrens (SPD) bezeichnete die Erkenntnisse als wertvoll und kündigte an, notwendige Änderungen zu prüfen. Jacobsen forderte zudem die Einrichtung unabhängiger Beschwerdestellen mit Ermittlungskompetenzen, ähnlich dem britischen Modell, um mögliche Diskriminierungsvorfälle besser aufarbeiten zu können.

Angesichts der zunehmenden Radikalisierungsgefahr durch Diskriminierung – auch im Kontext des jüngsten mutmaßlich islamistischen Anschlags in Solingen – sei es dringend notwendig, die strukturellen Probleme in der Polizei anzugehen, so Jacobsen. Die Ergebnisse der Studie seien auch auf andere Bundesländer übertragbar.

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