Racial Profiling? Ja, bitte!

Immer wieder steht die Polizei wegen Racial Profiling in der Kritik. Freilich-Autor Tomasz M. Froelich spricht sich für eine Neubewertung dieser polizeilichen Arbeitstechnik aus.

Tomasz M. Froelich
Kommentar von
2.1.2023
/
3 Minuten Lesezeit
Racial Profiling? Ja, bitte!
Tomasz M. Froelich

Racial Profiling bedeutet, dass Menschen allein aufgrund ihres ethnischen Erscheinungsbildes polizeilich kontrolliert werden, etwa Schwarzafrikaner im Zuge der Drogenfahndung. Kritiker erkennen hierin institutionellen Rassismus. Ihre Kritik ist in manchen Ländern so wirkungsvoll, dass Racial Profiling in diesen bereits verboten wurde, so beispielsweise in den USA oder in Großbritannien. Deutschland sollte sich davor hüten, es diesen Ländern gleichzutun. Denn das Racial Profiling und die ihm zugrundeliegenden stereotypen Denk- und Handlungsweisen ermöglichen effizientes Handeln von staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen. Davon profitiert die Gesellschaft. Warum ist das so? Die Antwort liefert die Verhaltenspsychologie. Doch der Reihe nach.

Faustregeln zur Bewältigung des Alltags

Der Psychologe Daniel Kahneman, der im Jahre 2002 für seine Beiträge zur Verhaltensökonomik mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet wurde, erläuterte in seinem bekanntesten Werk Schnelles Denken, langsames Denken, dass Menschen ständig auf Heuristiken, also auf sogenannte Faustregeln zurückgreifen würden, um den Alltag meistern zu können.

Ein Teil des menschlichen Gehirns, den Kahneman als „System 1“ bezeichnet, arbeitet rund um die Uhr, automatisiert, schnell, weitgehend mühelos, unbewusst, unkontrolliert und assoziierend. System 1 ist intuitiv und instinktiv. Der andere Teil des menschlichen Gehirns – „System 2“ - arbeitet hingegen aufmerksam, langsam, angestrengt, bewusst, kontrolliert und deduzierend. System 2 ist reflektierend und rational.

System 2, das sich üblicherweise in einem angenehmen Modus geringer Anstrengung befindet, wird dann aktiviert, wenn die Automatismen von System 1 nicht mehr greifen: Werden wir danach gefragt, wieviel zwei mal zwei ist, antworten wir automatisch richtig. Fragt man uns, wieviel 237 mal 168 ist, müssen wir uns schon ein wenig anstrengen – dabei wird System 2 aktiviert.

Da ein permanent aktiviertes System 2 uns und unser Gehirn ständig an den Rand der Erschöpfung bringen würde, findet eine äußerst effiziente Arbeitsteilung zwischen System 1 und System 2 statt: bei möglichst geringem Aufwand soll ein möglichst optimales Ergebnis erzielt werden. Dabei neigt System 1 dazu, Faustregeln anzuwenden, wenn es darum geht, Entscheidungen zu treffen. Das spart Zeit und Energie und funktioniert in den meisten Situationen ganz gut, auch wenn Fehlerfreiheit nicht garantiert werden kann. Irren ist nun mal menschlich.

Lob des Klischees

Stereotype Denkweisen - auch als „Repräsentativitätsheuristiken“ bekannt - sind solche Faustregeln von System 1. Es gibt sie deshalb, weil sie sehr oft, wenn auch nicht immer, funktionieren.

Stellt man den mit 1,70 Meter recht klein gewachsenen Lionel Messi neben den 1,93 Meter großen Manuel Neuer und wird danach gefragt, wer von beiden Torhüter ist, wird man, selbst wenn man beide Spieler nicht kennt und nur über rudimentäre Fußballkenntnisse verfügt, den größeren Spieler für einen Torhüter halten - und in der Regel recht behalten. Denn das Klischee, wonach Torhüter großgewachsen sind, trifft meistens zu. Meistens, nicht immer. Man denke nur an den ehemaligen mexikanischen Nationaltorhüter Jorge Campos, der mit 1,68 Meter noch kleiner war als Messi. Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel.

Ist es verwerflich, in Klischees zu denken? Nein, im Gegenteil: Es macht Sinn, selbst wenn dies gelegentlich zu Irrtümern führen mag.

Racial Profiling ist für effizienten Ressourceneinsatz notwendig

Deswegen scouten große Fußballvereine ihre Spieler auch eher in Brasilien als beispielsweise in Indien. Warum? Weil die Wahrscheinlichkeit, dass die nächsten Messis oder Ronaldos aus Brasilien und nicht aus Indien kommen, nun mal sehr hoch ist. Man könnte den großen Fußballvereinen deshalb nun Racial Profiling vorwerfen. Aber wenn der effiziente Einsatz von Ressourcen Racial Profiling bedingt, ist Racial Profiling nicht verwerflich, sondern vernünftig.

Bei der Kriminalitätsbekämpfung verhält es sich ähnlich: Treten kriminelle Verhaltens- und Handlungsmuster bei bestimmten ethnischen Gruppen häufiger auf – und das ist zweifellos der Fall -, wäre es idiotisch, wenn die Polizei das ignorieren würde. Ausländer in Deutschland stellen bei einem Anteil von 13 Prozent an der Gesamtbevölkerung über 37 Prozent der Tatverdächtigen von Kriminaldelikten, und dabei sind die deutschen Staatsangehörigen mit Migrationshintergrund noch gar nicht inkludiert.

Soll man diese Fakten bei der Kriminalitätsbekämpfung einfach ignorieren? Die Gegner des Racial Profiling bejahen das. Nach deren „Logik“ müsste Oma Hilde im Rahmen der Drogenfahndung öfter polizeilich kontrolliert werden als ein junger Afroaraber, weil der Bevölkerungsanteil älterer weißer Frauen derzeit noch höher sein dürfte als der von jungen Männern aus dem Orient und aus Afrika. Aber Verbrechen bekämpfen wird man mit dieser Methode kaum. Sie ist nichts als ethnosensible Realitätsflucht, die effiziente Polizeiarbeit massiv behindert. Für eine solche braucht es das Racial Profiling.


Zur Person:

Tomasz M. Froelich, Jahrgang 1988, ist gebürtiger Hamburger und arbeitet bei der ID-Fraktion im EU-Parlament. Der studierte Ökonom und Politologe ist zudem seit 2019 stellvertretender JA-Bundesvorsitzender.

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