Mit Katzenohren in den Schützengraben – Militärpropaganda auf TikTok

Starke Schminke, Kostüme und viel Augenklimpern: Ein neuer Trend auf der digitalen Kurzvideoplattform TikTok sorgt für einiges Aufsehen.

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Mit Katzenohren in den Schützengraben – Militärpropaganda auf TikTok
Natalia und Lujan sind erfolgreiche War-Influencer auf Tiktok© Natalia Fadeev / Lujan /Tiktok

„Welchen Lipgloss trägst du?“, zu dieser Frage äußert sich die TikTokerin „lunchbaglujan“ gern. Im Hintergrund sieht man eine ordentlich gemachte Bettenburg, wie sie jeder Soldat schon einmal gesehen hat. Lujan, so der Kurzname der Videoerstellerin, trägt die prototypische olivgrüne Kleidung der US-Army, posiert mit Waffen und unterlegt ihre Videos mit Popmusik. Immer wieder ist unklar, ob die  21-Jährige tatsächlich Teil der US-amerikanischen Streitkräfte ist oder in einer Art von Pseudo-Militarismus für besonders junge Zielgruppen ein Schauspiel aufführt.

Während Medienmacher wie Lujan sich stets an der Grenze zwischen Popkultur und Rekrutierungspropaganda bewegen, gibt es auch andere, die Waffen und Uniformen zu einer verstörenden Kunstform hochstilisieren. Mit Hashtags wie „#pewpew“ oder „#militarycurves“ verbinden die durchwegs jungen Frauen das Verlangen ihrer Zielgruppe. Junge Burschen und Männer, die nur geringen Erfolg bei Frauen haben oder durch ein Übermaß an digitaler Frühsexualisierung eine Fantasie erschaffen haben, die die Welt nicht abbilden kann: Die traditionsbewusste und heimatverbundene „trad wife“, die ihren Mann bekocht und ansonsten das Gemüt einer übergroßen Zwölfjährigen aufweist.

Katzenohren, Schutzweste und Sturmgewehre

Dieses digitale Phänomen trägt mittlerweile den Namen „Gun Waifu“, inhaltlich übersetzbar zu „Waffenliebchen“. Der Videotrend ist ein Kombinat aus unzähligen Internetphänomen, die von der Anime- bis zur 4chan-Subkultur reichen entstanden. 4chan ist der Name des gleichnamigen Forums, das in der Vergangenheit mit obskuren Aktionen immer wieder für Aufsehen gesorgt hat. So ist es eine Mischung aus Selbstreflexion und Humor, wenn Nutzer unter die Videos der „MilTok“-Damen Dinge wie: „Sie ist garantiert ein Fed (ich bewerbe mich noch heute für die Truppen)“ schreiben. Als Fed werden die Mitglieder des FBI bezeichnet, die im Verdacht stehen, in Internetforen wie 4chan junge Männer zu Gewalttaten zu motivieren, um die harte Hand des Staates gegen christliche weiße Amerikaner zu legitimieren.


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Dem halb lustig, halb verstörendem TikTok-Trend wird jedoch zunehmend härtere Kritik entgegengebracht. Viele der Videomacherinnen stehen im Verdacht, Verträge mit dem US-Militär zu haben und in ihre Clips subkutane Botschaften einzuschleusen, um die junge Männer (teils trotz besseren Wissens) für Anwerbungen der US-Army anzuködern. „Der gezielte Versuch (insbesondere durch das US-amerikanische Militär), die Generation Z zu rekrutieren, hat zu mehreren Online-Patzern geführt, aber Soziale Medien bleiben eines ihrer mächtigsten Rekrutierungswerkzeuge“, sagt David Noel, ein Internetforscher und ehemaliger Armeeveteran.

Mögliche Propaganda?

„Die offengelegte Geheimhaltung dieser Influencer ist Teil des Reizes. Andere Armeen nutzen E-Girl-Influencer, die jede offizielle Verbindung leugnen, während jemand wie Lunchbaglujan von den Spekulationen profitiert. Während die Leute darüber streiten, was echt ist und was nicht, besteht die eigentliche psychologische Operation in der Normalisierung der Militärrekrutierung über Soziale Medien. E-Girl-Army-Influencer untergraben die Realität und Geschichte des US-Militärs und verändern unser Konzept dessen, was es bedeutet, ein Soldat zu sein.“