Freilich #34: Am Weg zur Volkspartei?

Linke Queer-Politik: Entmündigung des Einzelnen unter dem Deckmantel der Vielfalt

Der queere Diskurs hat sich längst von der Idee individueller Freiheit entfernt, heute dominiert die politische Funktionalisierung. Frank-Christian Hansel rechnet mit der linken Identitätspolitik ab und fordert die Rückkehr zum Menschen als unverwechselbare Persönlichkeit.

21.6.2025
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3 Minuten Lesezeit
Linke Queer-Politik: Entmündigung des Einzelnen unter dem Deckmantel der Vielfalt

In den vergangenen Jahren haben sich Pride-Veranstaltungen zunehmend zu Mega-Events entwickelt. Nun scheint sich dieser Trend jedoch wieder umzukehren. (Symbolbild)

© Foto von Nk Ni auf Unsplash

Unter dem Banner von „Queer“, „Diversität“ und „Toleranz“ wurde über Jahre ein gesellschaftspolitisches Projekt vorangetrieben, das auf den ersten Blick als Fortschritt erschien, in Wahrheit aber eine perfide Form der Bevormundung und Entmenschlichung darstellte. Im Kern ging es nie um die Stärkung des Individuums, nicht um die Achtung vor dem Einzelnen in seiner unteilbaren Würde, sondern um die Reduktion des Menschen auf ein einziges, politisch brauchbares Merkmal: seine tatsächliche oder auch nur zugeschriebene sexuelle Orientierung.

Von Vielfalt zur Funktion – die Logik der Vereinnahmung

Wer nicht eindeutig heterosexuell ist oder sich einfach nur offen für eine Vielfalt sexueller Lebensentwürfe zeigt, wurde von der identitätspolitischen Linken einem künstlich konstruierten Kollektiv zugeordnet. Diese Einordnung erfolgte nicht, um Freiräume zu schaffen, sondern um Menschen für eine Agenda zu funktionalisieren. Der Einzelne wurde entindividualisiert: Seine Persönlichkeit, seine Überzeugungen, seine Lebensentwürfe – all das trat hinter das Etikett „queer“ zurück. Nach dem Motto: Das queere Kollektiv ist alles, du als Individuum bist nichts.

Das Ziel war dabei so durchsichtig wie bedenklich. Wer einmal in diese Schublade gesteckt war, sollte in erster Linie als „Minderheitenvertreter“ auftreten, als Teil einer Gruppe, die angeblich ständig bedroht ist – und die deshalb der Fürsorge und Führung der linken Identitätspolitiker bedarf. Damit wurde das Ideal der offenen, auf Augenhöhe organisierten Bürgergesellschaft gezielt unterminiert: Menschen wurden daran gehindert, einfach als freie Individuen zu handeln und zu denken. Stattdessen sollten sie sich als Teil eines Kollektivs verstehen – und loyal sein gegenüber jenen, die sich als ihre politischen Vormünder aufspielten.

Minderheit als Machtinstrument

Besonders aufschlussreich ist dabei eine Entwicklung, die im öffentlichen Diskurs oft verschwiegen wird: Immer mehr homosexuelle Menschen verweigern sich diesem identitätspolitischen Zugriff. Sie wollen sich nicht vereinnahmen lassen und wählen nicht selten aus genau diesem Grund AfD – nicht, weil sie plötzlich „rechts“ geworden wären, sondern weil sie die Bevormundung durch die linke Identitätspolitik satthaben. Der Tagesspiegel berichtete bereits 2020 über „schwule Männer, die von sich sagen, dass sie sich von der Linken im Stich gelassen fühlen, weil diese mit ihrer Migrationspolitik jene importiert, die Homosexuelle ablehnen oder gar hassen“. Ein Betroffener brachte es auf den Punkt: „Ich bin aus Prenzlauer Berg weggezogen, weil ich mich abends auf dem Heimweg nicht mehr sicher fühlte – nicht wegen Nazis, sondern wegen Gruppen junger muslimischer Männer.“

Warum viele Homosexuelle umdenken

Die wissenschaftlichen Daten bestätigen diese Wahrnehmung. Eine Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) kam 2016 zu dem Ergebnis, dass 55 Prozent der muslimischen Befragten in Deutschland Homosexualität strikt ablehnen – ein Wert, der deutlich über dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung liegt. Der linke Kulturkampf hat hier ein Doppelspiel betrieben: Während er vorgab, Schutz zu bieten, importierte er zugleich die eigentliche Bedrohung und instrumentalisiert bis heute die Betroffenen für seine Machtspiele.

Doch nun mehren sich die Anzeichen, dass der Höhepunkt dieser identitätspolitischen Welle überschritten ist. Immer deutlicher zeigt sich: Der Regenbogen-Hype geht seinem Ende entgegen. „Etwas ist anders in diesem Jahr“, so eine treffende Beobachtung über London. „Wer durch eine Stadt wie London schlendert, sieht deutlich weniger Regenbogen- und Progress-Pride-Fahnen als in Vorjahren.“ Auch große Unternehmen halten sich zurück: „Zahlreiche Unternehmen haben ihr Sponsoring eingestellt“, heißt es in aktuellen Analysen. Die Paraden mit viel nackter Haut und ideologisch aufgeladenen Botschaften wirken zunehmend aus der Zeit gefallen (Junge Freiheit, Nr. 25/25, S. 14).

Ende des Regenbogens

Was als berechtigtes Anliegen begann – der Schutz Homosexueller vor staatlicher Repression, wie bei den Stonewall-Aufständen 1969 –, ist in der westlichen Welt längst verwirklicht. Doch der „Pride Month“ wurde von einer aggressiven Transgender-Agenda gekapert, die mit immer radikaleren Forderungen auftritt und zugleich eine wachsende Gegenbewegung provoziert. „Die Normalisierung von Trans hat Tausende körperlich und seelisch verstümmelte Kinder und Jugendliche produziert“, so die scharfe Bilanz kritischer Stimmen. Die woke Welle läuft sich an ihren inneren Widersprüchen tot – und der linke Kulturkampf gerät in die Defensive.

Doch es geht um mehr als das Ende eines Hypes. Es geht um eine Rückbesinnung auf eine alte, freiheitliche Erkenntnis: dass sexuelle Vorlieben und Orientierungen in den Schutzraum der Privatheit gehören. Sie sind Teil des innersten, unantastbaren Bereichs des Menschen – der Sphäre, die eben gerade nicht zur öffentlichen Selbstinszenierung, zur kollektiven Identitätszuschreibung oder zur politischen Funktionalisierung taugt. Wer wirklich auf Fortschritt zielt, der kämpft nicht für immer neue Buchstabenkombinationen, Fahnen oder Paraden, sondern für die Freiheit des Einzelnen, über seine intimen Neigungen selbst zu bestimmen und sie nicht zum öffentlichen Aushängeschild machen zu müssen.

Am Ende des Regenbogens steht deshalb genau das, was der Anfang hätte sein sollen: der Respekt vor dem Menschen als Mensch. Nicht als Queerer, nicht als Transperson, nicht als Teil eines Kollektivs – sondern als unverwechselbare Persönlichkeit mit dem Recht, sich jeder politischen Instrumentalisierung zu entziehen und die eigene Sexualität als das zu leben, was sie ist: eine private Angelegenheit, die keiner Etikettierung und keiner Zurschaustellung bedarf.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor

Frank-Christian Hansel

Frank-Christian Hansel, Jahrgang 1964, ist seit 2016 für die AfD Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses. Der gebürtige Hesse studierte Politische Wissenschaften, Philosophie und Lateinamerikanistik.

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