Immer weniger Deutsche glauben, ihre Meinung frei äußern zu können

Seit 1953 werden die Deutschen vom Institut für Demoskopie Allensbach gefragt, wie frei sie sich fühlen, ihre Meinung zu äußern. Die jüngste Umfrage zeigt nun: Noch nie war die Angst, seine politische Meinung frei zu äußern, in der Bundesrepublik so groß wie heute.

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Immer weniger Deutsche glauben, ihre Meinung frei äußern zu können
Fragenkatalog zum Einbürgerungstest. (Symbolbild)© IMAGO / Steinach

Berlin. – Laut einer aktuellen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach und des Medienforschungsinstituts Media Tenor haben immer weniger Menschen in Deutschland das Gefühl, ihre politische Meinung frei äußern zu können. Demnach hat die gefühlte Meinungsfreiheit in der Bevölkerung den niedrigsten Stand seit den fünfziger Jahren erreicht. Die Autoren der Studie machen dafür vor allem das Medienklima verantwortlich.

Historischer Tiefpunkt erreicht

So sind nach den Ergebnissen der Studie, die sich nur auf die gefühlte Meinung der Befragten beziehen, 44 Prozent der Meinung, dass sie bei der freien Meinungsäußerung vorsichtig sein müssen. Nur 40 Prozent gaben an, ihre politische Meinung frei äußern zu können. „Seit dem Fall der Mauer, als 1990 noch 78 Prozent der Deutschen diese Frage ausgesprochen zuversichtlich beantworteten, sind die Werte zunächst mit der Regierung Schröder, dann unter Merkel stetig gefallen, um nun zur Halbzeit der Ampel ihren historischen Tiefpunkt zu dokumentieren“, schreiben die Autoren der Studie.

Auffällig sind die Unterschiede zwischen den Altersgruppen und den Anhängern der verschiedenen Parteien, wie die Zeit berichtet. Bei den 16- bis 29-Jährigen geben rund 50 Prozent an, sich frei äußern zu können. Bei allen älteren Altersgruppen sind es nur 36 bis 38 Prozent. Bei den 45- bis 59-Jährigen ist dagegen eine Mehrheit von 51 Prozent der Meinung, man müsse vorsichtig sein, wenn man seine politische Meinung frei äußern wolle. Bei den 16- bis 29-Jährigen sind es 32 Prozent.

Von den Anhängern der AfD waren im November 2023 62 Prozent der Meinung, sich nicht mehr frei äußern zu können. Aber auch die Anhänger der FDP (57 Prozent), der SPD (46 Prozent), der Linkspartei (45 Prozent) und der CDU/CSU (43 Prozent) sehen dies mehrheitlich so. Lediglich die Wähler der Grünen sind überzeugt, in Deutschland ihre Meinung frei äußern zu können. 75 Prozent geben hier an, dass man frei reden kann. Nur 19 Prozent der Grünen-Wähler geben an, man müsse bei Meinungsäußerungen vorsichtig sein – weniger als halb so viele wie bei den Anhängern aller anderen Parteien.

Ursache liegt laut Studienautoren bei der Mediennutzung

Unterschiede gibt es auch zwischen Ost- und Westdeutschland. So geben im Osten 35 Prozent der Befragten an, sich frei äußern zu können, im Westen sind es 41 Prozent. 47 Prozent der Befragten im Osten meinen, man müsse vorsichtig sein, im Westen sind es 44 Prozent.

Auch bei den Bildungsschichten unterscheiden sich die Antworten. Während nur 28 Prozent der Befragten mit Volks- oder Hauptschulabschluss und 35 Prozent mit Mittlerer Reife angeben, sich frei äußern zu können, sind es 51 Prozent der Befragten mit Abitur oder Studium. Grüne und Akademiker haben also mehrheitlich das Gefühl, sich frei äußern zu können, alle anderen Bevölkerungsgruppen nicht.

Die Autoren erklären die Ergebnisse der Studie mit der Mediennutzung der Befragten. Das Medienklima habe einen großen Einfluss auf die gefühlte Meinungsfreiheit, heißt es seitens des Medienforschungsinstituts Media Tenor. Als wichtigste Quelle bei der Mediennutzung wurden die öffentlich-rechtlichen Angebote genannt. 72 Prozent nannten das öffentlich-rechtliche Fernsehen, 60 Prozent das Radio. Über private TV-Anbieter informieren sich 40 Prozent der Befragten.