FREILICH-Autor bei Kontrafunk: Debanking und der lange Arm des Staates

Jonas Greindberg sprach mit Marcel Joppa vom Internetradio Kontrafunk über Debanking. Greindberg berichtete von seinen Analysen zur Rechtslage sowie zum Debanking in Deutschland/Österreich und in der Schweiz. Das Kontrafunk-Interview können Sie hier hören.

Interview von
19.1.2024
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7 Minuten Lesezeit
FREILICH-Autor bei Kontrafunk: Debanking und der lange Arm des Staates
Einer der wohl bekanntesten Betroffenen von Debanking ist Martin Sellner.© IMAGO / foto2press

Kontrafunk: Herr Greindberg, die Kündigung eines Kontos erfolgt in der Regel, wenn eine mangelnde Deckung vorliegt oder die Kontogebühr nicht bezahlt wurde. Sie haben zu dem Thema recherchiert und Sie berichten über vermehrte politische Gründe. Welche können das sein?

Jonas Greindberg: Debanking ist eine Waffe des Establishments gegen politische Dissidenten. Wir erleben ja, dass sich das Fenster des Sagbaren immer weiter nach links weg von konservativen Positionen bewegt. Und das ermöglicht den Banken, Dissidenten, Personen, die für konservative Positionen einstehen, die zum Beispiel gegen die Masseneinwanderung sind, ihr Konto zu entziehen. Das spiegelt sich zum Beispiel auch auf der Wikipedia wider, wo konservative Personen gebrandmarkt werden als rechtsextremistisch. Hier hat zum Beispiel auch der Staat – das ist in der Schweiz, in Österreich, in Deutschland sehr ausgeprägt – über die Geheimdienste oder über den öffentlichen Rundfunk eine große Rolle über die Feindmarkierung.

Geht es denn dabei nur um Personen, die sich politisch engagieren oder die sich auch im sozialen Bereich politisch positionieren? Haben Sie eventuelle Beispiele für uns?

Debanking trifft sowohl politische Funktionäre – da wären Politiker zu nennen wie Björn Höcke oder Tino Chrupalla von der AfD – als auch Leute, die sich kulturell, metapolitisch im Vorfeld betätigen. Hier wären zu nennen in Österreich Martin Sellner, in der Schweiz die Junge Tat, eine junge Identitäre Gruppe. In Deutschland wurde Götz Kubitschek bereits 2005 eines der ersten Opfer von Debanking.

Ich erinnere mich an die Ärzte für Aufklärung, die für ihr Vereinskonto nach langer Suche dann ins Ausland ausweichen mussten. Sie haben Herrn Sellner, den Wiener Aktivisten, gerade schon erwähnt, der mit seinem 77. Konto fast schon eine Art Sport aus dem Debanking gemacht hat. Welche Gründe nennen denn die Banken für die Kündigungen?

Die Banken halten sich bedeckt. Die Privatautonomie, die Vertragsfreiheit lässt es ihnen offen, die Kundenbeziehung jederzeit ohne Angabe von Gründen zu kündigen. Allerdings hat eine Münchner Bank den Fehler begangen und Martin Sellner, dem Europameister im Debanking, Gründe genannt. Ich zitiere einmal aus dem Schreiben der Münchner Bank: „Als Unternehmen, das mit einer Vielzahl an namhaften Vertragspartnern, wie beispielsweise der Deutschen Telekom, zusammenarbeitet, legen wir großen Wert auf Transparenz, Diversität und integrative Geschäftspolitik. Ohne ins Detail zu gehen, liegen in ihrem Fall Aspekte vor, die nicht mit diesen Werten und Anforderungen in Einklang stehen.“ Diese Münchner Bank lehnt hier also die Einrichtung eines Kontos ab, weil Vertragspartner wie die Deutsche Telekom – ein Unternehmen, bei dem die Bundesregierung Mehrheitsaktionär ist – andere Werte vertritt. Und wir kommen hier wieder auf den langen Arm des Staates, der über die Charta der Vielfalt in die Wirtschaft eingreift. Die Charta der Vielfalt wurde 2006 ins Leben gerufen, unter anderem von der Deutschen Telekom, der Deutschen Bank und Daimler. Wie der Name schon sagt, setzt sich die Charta für Vielfalt im Berufsleben, in der Gesellschaft ein, für eine Akzeptanz des demografischen Wandels. Angela Merkel war von Anfang an Schirmherrin. Die Bundesmigrationsbeauftragte sitzt im Vorstand dieses Vereins. Wir sehen also, wie der Staat über die Charta der Vielfalt, über die Deutsche Telekom dann auf diese Münchner Bank, die ich namentlich nicht nennen möchte, Einfluss ausübt. Denn die Unterzeichner der Charta der Vielfalt – Deutsche Telekom, Daimler, Deutsche Bank – zwingen über Lieferantenkodizes ihre Partner dazu, die Werte der Charter der Vielfalt auch zu unterschreiben, ohne dass diese der Charta der Vielfalt beigetreten sind.

Gibt es denn keine Rechtsmittel, um sich gegen eine Kündigung zu wehren? Wie sieht das juristisch aus?

Juristisch kommt es darauf an, wer sie sind. Handelt es sich um eine Partei, dann ist Debanking schwerer. Zumindest in Deutschland sind Parteien wegen des Parteienprivilegs besonders geschützt. Die Marxistisch-Leninistische Partei hat einen jahrzehntelangen Rechtsstreit mit der Deutschen Bank geführt. Die MLPD hat einige Siege davongetragen, aber ein letztes Urteil hat dann die Kündigung durch die Deutsche Bank als rechtmäßig anerkannt. Wenn Sie allerdings das Pech haben keine Partei zu sein – und dazu gehören auch Parteimitglieder wie Björn Höcke oder Tino Chrupalla –, dann kann eine Privatbank ihr Konto recht leicht kündigen. In Deutschland, in der Schweiz und in Österreich gilt für Privatbanken die Privatautonomie, die Vertragsfreiheit. Diese Banken sind nicht an die verfassungsmäßigen Gleichheitssätze gebunden. Anders – und das ist der Lichtblick – sieht es jedoch bei den öffentlichen Banken aus. Das wäre in der Schweiz die PostFinance und in Deutschland wären das die Sparkassen. Es ist zu beobachten, dass sehr viele konservative Akteure, nachdem sie ihr Konto bei privaten Banken verloren haben, zu Sparkassen gewechselt sind. Im Rahmen meiner Recherchen habe ich mich mit Daniel Roi ausgetauscht, der als AfD-Politiker aus Sachsen-Anhalt im Aufsichtsrat einer Sparkasse sitzt. Herr Roi sagte mir, ihm sei noch kein Beispiel vorgekommen, dass es in Deutschland Debanking durch eine Sparkasse gegeben habe.

Ich habe gehört, dass bei Debanking auch Genossenschaftsbanken ein mögliches Wechselziel sein könnten. Haben Sie hier Erfahrungen gemacht?

Genossenschaftsbanken sind tatsächlich sehr beliebt. Hier wäre die Volksbank Pirna zu nennen. Pirna hat ja auch die Ehre jetzt den ersten AfD-Bürgermeister in der Geschichte Deutschlands zu haben. Bevor Pirna einen AfD-Bürgermeister bekommen hat, war die dortige Volksbank bereits bei alternativen Medien wie Apolut oder dem Bündnis Sarah Wagenknecht sehr beliebt. Bei Sarah Wagenknechts Bündnis finde ich das doch etwas ironisch, dass sie jetzt in einer AfD-Gemeinde Unterschlupf gefunden hat.

Wir hatten ja gerade schon von Herrn Höcke und Herrn Chrupalla gesprochen. Nun ist die AfD, sagen wir mal, eine doch eher dem Kapitalismus zugewandte Partei. Im Gegensatz etwa zur linken Szene, die oft einen kompletten Systemwechsel fordert. Warum machen die Banken denn da mit?

Sie sprechen einen sehr wichtigen Widerspruch an. Man würde ja eigentlich erwarten, dass Banken kapitalistisch orientiert sind und daher eine unternehmerfreundliche Partei wie die AfD unterstützen würden. Was wir allerdings sehen, ist das komplette Gegenteil. In der Schweiz hat beispielsweise die PostFinance, die der Antifa Bern bis dato ein Spendenkonto einräumt, der identitären Jugendbewegung Junge Tat ein Spendenkonto entzogen. Und wenn wir uns den Lagebericht 2021 des Schweizer Geheimdienstes anschauen, dann stellen wir fest, dass es 107 linksextremistische Gewalttaten gegeben hat. Also hier ist die linksextreme Antifa Bern sehr stark in einer gewalttätigen Szene verankert. In dem Jahr 2021 wurde allerdings nur eine einzige rechtsextremistische Gewalttat registriert. Gleichwohl wurde der Jungen Tat das Bankkonto entzogen. Meine Interpretation wäre, dass Organisationen wie die Antifa, auch wenn sie extremistisch sind, auch wenn sie gegen den Kapitalismus, gegen die Banken sind, doch zumindest auf Wellenlänge mit der Politik sind, mit der kulturellen Hegemonie. Und die kulturelle Hegemonie aktuell ist eben migrationsfreundlich und gegen konservative Positionen, wonach es eine deutsche, eine Schweizer Identität gibt.

Nun haben wir ja als Beispiele für Debanking in Deutschland Herrn Chrupalla genannt. Es gibt auch die ehemalige Politikerin Vera Lengsfeld, Menschen aus dem Umfeld der Corona-Proteste. Wir haben Martin Sellner in Österreich genannt. In der Schweiz, da hat es auch den Kontrafunk getroffen. Gibt es denn Unterschiede in diesen drei Ländern?

Ich würde sagen, dass die Situation in der Schweiz noch etwas besser bestellt ist. Einfach aus dem Grund, dass der Staat ein geringeres Gewicht in der Schweiz hat. Wenn Sie sich einmal die Staatsquote anschauen – also den Anteil der Staatsausgaben an der jährlichen Wirtschaftsleistung – dann werden Sie sehen, in der Schweiz beträgt die Staatsquote 35 Prozent. In Österreich hingegen 58 Prozent. In Deutschland 50 Prozent. Das bedeutet, in Deutschland wird jeder zweite Euro vom Staat ausgegeben. Und wenn Sie denken, dass das in der Schweiz wenig ist, dann schauen Sie einmal in die Volksrepublik China. Da beträgt die Staatsquote lediglich 33 Prozent. Sie haben gerade erwähnt, dass der Kontrafunk von Debanking betroffen gewesen ist. Beinahe betroffen von Debanking waren auch die Freiheitstrychler, eine Bürgerbewegung, die sich im Rahmen der Corona-Maßnahmen gebildet haben. Und auch die Freiheitstrychler sollten debankt werden. Ich habe allerdings nicht feststellen können, dass die Freiheitstrychler ihr Konto verloren haben.

Ein besonderes Aufsehen erregte ein Fall von Debanking in Großbritannien. Dem Brexit-Befürworter Nigel Farage wurde ebenfalls sein Konto gekündigt. Bei den Briten war die Welle der Empörung und der Solidarität mit Farage aber deutlich größer als hierzulande mit Betroffenen. Wie ist Ihre Einschätzung? Warum ist das so?

Wir können die Briten wirklich beneiden, wie sie mit der Debanking-Frage umgegangen sind. Nigel Farage wurde von der privaten Coutts Bank das Konto gekündigt. Dazu beigetragen hat gewiss die sehr schlampige Arbeit der Chefin der Privatbank, Alison Rose. Rose hatte nämlich den Medien gesteckt, dass Nigel Farage gekündigt worden sei, weil er seine Bankeinlagen nicht eingehalten habe. Das stellte sich dann als Fake News heraus. Und Rose musste den Hut nehmen, musste zurücktreten. Weil sie das Bankgeheimnis verletzt hatte und weil sie schlichtweg gelogen hatte. Denn interne Dokumente ergaben, dass Nigel Farage als xenophob, fremdenfeindlich und rassistisch bezeichnet wurde. Man wollte ihn deshalb nicht haben. Und das hat zu einer massiven Welle der Solidarisierung geführt und das zeigt uns, dass wenn wir von Debanking betroffen sind, durchaus auch mal in die Offensive gehen können. Mir wurde mitgeteilt von Ostverbänden der AfD, dass es eine Welle von Kontokündigungen gegeben habe. Es sind nicht nur die Personen an der Spitze, es ist nicht nur ein Höcke, nicht nur ein Tino Chrupalla betroffen, sondern auch sehr viele ganz gewöhnliche Parteimitglieder sind betroffen. Und da kann es dann oft sehr hilfreich sein, wenn man so etwas öffentlich macht. Allerdings kann man auch verstehen, wenn viele Betroffene nicht darüber reden wollen, weil sie Angst haben, dass es dann zu weiteren Repressionen kommt.

Eine Einschätzung war das von dem Historiker und Journalisten Jonas Greindberg und ich bedanke mich ganz herzlich für das Gespräch.


Zur Person:

Jonas Greindberg studierte Geschichte und Sinologie in Süddeutschland. Seit Oktober 2022 schreibt er für FREILICH über Hamburger Lokalpolitik, Kriminalität und Einwanderungspolitik.