Simon Kaupert

„Die AfD muss ihren Kultur- und Medienauftrag erfüllen“

Im Interview mit FREILICH spricht der Leiter des Filmkunstkollektivs, Simon Kaupert, über sein junges Projekt und nennt uns einige Gründe, die ihn dazu bewegt haben, das Filmkunstkollektiv ins Leben zu rufen.

Interview von
25.1.2023
/
8 Minuten Lesezeit
„Die AfD muss ihren Kultur- und Medienauftrag erfüllen“
© Filmkunstkollektiv

FREILICH: Herr Kaupert, das Filmkunstkollektiv besteht schon seit 2021, aber wahrscheinlich wird dieses Projekt nicht jedem Leser ein Begriff sein – können Sie das Filmkunstkollektiv bitte kurz vorstellen?

Simon Kaupert: Das Filmkunstkollektiv ist ein Ästhetikprojekt: Unsere Filmaktivisten liefern seit Frühling 2021 die schönen Bilder des Widerstands, setzen den alternativen Protest in Szene, filmen aus der ersten Reihe und porträtieren Akteure der Bewegung.

Das Filmkunstkollektiv reitet auf der Rasierklinge zwischen Medienagentur und Protestmotor: Wir sind formal ein regulärer Verein und kein gewinnorientiertes Unternehmen, sowohl außenstehender Beobachter wie auch gleichzeitig innenverbundener Teil der kompletten Widerstandsbewegung.

Wir arbeiten ausschließlich an Projekten und Filmen, an die wir glauben, die in uns brennen und das Feuer in Anderen entfachen sollen. Unsere Filmaktivisten arbeiten als Medienmitarbeiter und Selbstständige bei nahezu allen relevanten Widerstandsprojekten von AUF1 und Compact über Schnellroda und das Institut für Staatspolitik, von außerparlamentarischen Jugendgruppen bis in die AfD mit. Nach Feierabend beginnt für viele von uns die zweite Schicht und die ehrenamtliche Arbeit an Filmkunstkollektiv-Projekten. Nur so können wir unsere Werke komplett frei von Kunden-, Geld- und Anpassungsdruck halten.

Was hat Sie damals bewegt, das Filmkunstkollektiv zu starten? Gab es ein konkretes Ereignis? War es schon immer Ihr Wunsch?

Viel zu oft mussten alternative Medien mit billigsten Mitteln realisiert werden, „nur funktionieren“, schnell unters Volk gebracht werden und dann hetzt man sich zum nächsten schlechten Video in verbotener Auflösung und schlechtem Ton. Nach dutzenden Totalschaden-Videos fragte man sich dann immer noch, warum das Volk Netflix und Hollywood statt Griesel-Handylivestream präferiert.

Ehrlich gesagt: Wir hatten die teils pragmatische Nicht-Qualität unseres eigenen Lagers satt und wollten die Latte höher legen: Wir wollten unser eigenes Ding machen, nur der Schönheit verpflichtet, komplett uninteressiert an Reichweite, YouTube-Klicks oder Geld.

Die Corona-Protestwelle ab Sommer 2020 war der perfekte Geburtshelfer: Wir konnten auf dutzenden Kundgebungen mit neuen Akteuren neue Bilder einfangen und Formate erproben. Unser Netzwerk explodierte ab Sommer 2020 förmlich und bevor wir uns versahen, brauchten wir eine formale Struktur mit Vereinskonto, einem kleinen Büro und einem Briefkasten für das Finanzamt. Wir sind Land auf und Land ab gefahren, haben nur nach unserem Gefühl und ohne Kundenauftrag Sachen aufgenommen, ohne zu wissen, ob wir das jemals zu irgendetwas Brauchbarem verwerten könnten. Im Schnitt haben wir die Gefühle des Protests umgesetzt, auf hölzerne Sprecherstimmen verzichtet, gezeigt was der Protest kann und musikalisch Gas gegeben.

Andere erzählen, wir zeigen: Wenn wir in unseren Videos irgendwas mit einem steifen Sprecher aus dem Off hätten erklären müssen, dann hätten wir es nicht gut genug gezeigt. Das wird für uns immer gelten – in Protestvideos, Photos aus der ersten Reihe, unseren filmischen Begleitungen von Veranstaltungen oder Einzelprojekten wie der Protestkarte.

Sie haben sicherlich in den letzten Jahren seit Bestehen Einiges erlebt – gibt es ein Ereignis oder Projekt, an das Sie sich gerne zurückerinnern? Oder andersrum: Was war wirklich mal ein Missgriff in der Geschichte des Filmkunstkollektivs?

Unser größter Missgriff ist zeitgleich unser größter Lehrmeister: Einer unserer Gründungsimpulse war eine geplante Dokumentation über die Querdenken-Bewegung, den Great Reset und über andere wichtige Sachen. Der Film ist im Schnitt und enthält einzigartige Aufnahmen, aber ich habe ihn bislang einfach nicht fertigstellen können und muss dafür noch mein Team und mich in bestimmten Techniken ausbilden.

Wir haben diese schweren Steine auf unserem Weg genutzt und bauen daraus gerade eine Treppe auf ein neues Stockwerk: Das Filmkunstkollektiv ist ein Schirm für Medienaktivisten über Film und Photo hinaus – bis in den MotionDesign-Bereich hinein. Wir entwickeln uns intern in unfassbarer Geschwindigkeit und setzen das in jedem neuen Projekt um. Unsere Aktivisten sind in nahezu allen relevanten Widerstandsprojekten eingebunden und bilden ein subkutanes Netzwerk im Widerstand, um medial das gesamte Lager nach vorne zu bringen.

Wo hapert es gerade am meisten beim Filmkunstkollektiv? Was gelingt sehr gut?

Unsere Stärke ist unsere Vernetzung und Idealismus: Wir geben unsere Photos und bestimmtes Videomaterial kostenlos an andere alternative Medien und Projekte weiter, um insgesamt die Qualität im Lager zu erhöhen. Wir freuen uns, dass unsere Bilder und Filme wahrgenommen werden, dass sie Zeitschriften-Cover zieren und sogar auf kleineren Filmabenden gezeigt werden.

Doch wie bei jedem Projekt sind Zeit und Geld unsere ärgsten Feinde. Unsere Aktivisten arbeiten ehrenamtlich und finanzieren mit ihrer normalen Erwerbsarbeit unsere Kreativprojekte.

Ich sehe es als kreatives Fundament, unser Arbeit für das Kollektiv und den Widerstand frei vom Geldgedanken zu halten. Jede Bezahlung in Form von Honoraren oder einer 40-Stundenwoche würde unsere Arbeit zu einem weiteren Medienjob degradieren und einfach alles kaputt machen. Darüber hinaus kosten Diesel, Unterkünfte bei Drehs und die Filmtechnik so abartig viel Geld, dass wir zwingend auf externe Unterstützung angewiesen sind. In den kommenden Monaten müssen wir die strukturellen Voraussetzungen für noch bessere Medienarbeit schaffen.

Auf welche Wahrnehmung des Filmkunstkollektivs stoßen Sie bei anderen Akteuren im Vorfeld oder Partei? Ist Ihre Arbeit willkommen?

Es gibt derzeit tatsächlich mehrere unabhängige Medienteams im alternativen Bereich zwischen Vorfeld und Partei, wir sind nur eines davon. Unsere Front ist das Vorfeld, die Stärkung kleiner Projekte und der Aufbau von Akteuren, deren Plan anfangs vielleicht komplett durchgedreht erscheinen mag, aber langfristig Wurzel des Widerstands wird. Das ist unsere Baustelle.

In den Bundesländern Thüringen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt arbeiten wir mit den guten Leuten in der AfD zusammen und wirken da gemeinsam, wo es sinnvoll ist.

Die AfD ist natürlich einer der größten finanziellen Player im alternativen Lager. Nur sucht diese als überwiegende Parlamentspartei oft externe Dienstleister und keine Kreativteams. Es gibt innerhalb der AfD nicht wenige, die die Partei gerne als „eierlegende Wollmilchsau“ sähen und gleichzeitig utopische Vorstellungen von ihr haben – allerdings kann sie das schlichtweg nicht sein und wer das jemals erwartet hat, kann auch nur enttäuscht werden.

Um uns auf Kreativprojekte konzentrieren zu können, lehnen wir regelmäßig auch Aufträge aus Berlin ab: Wir sind keine Dienstleister für das Filmen von Anträgen und verstaubten Schreibtischen. Wir filmen echten Widerstand und handeln aus Leidenschaft. Das müssen die Leute erkennen, ebenfalls selbstlos handeln und das dann unterstützen.

Die AfD muss zukünftig verstehen, dass sie auch als Partei einen Kultur- und Medienauftrag erfüllen muss. Aktuell wird dieses Thema seitens der Parteiführung noch nicht wirklich ernst genommen.

Im Gegensatz zur Jungen Alternative, der Jugendorganisation der AfD: Hier wird auf kultureller, sozialer und medialer Ebene immer besser gearbeitet.

Unsere Stärke: Andere neutrale Dienstleister oder Durchschnittsagenturen agieren von Außen, drehen aus Außenperspektive kalte Imagefilme und produzieren für ein virtuelles Außen-Publikum das, was irgendein überbezahlter SocialMedia-Referent in einer phantastischen Zielgruppenanalyse identifiziert haben will. Uns ist sowas komplett egal: Wir arbeiten aus dem Inneren heraus, photographieren und filmen von innen, laufen auf Kundgebungen innen mit, zeigen den inneren Kern. Wir filmen nicht für Kunden, sondern unsere Freunde.

Wo sehen Sie das Filmkunstkollektiv in fünf Jahren? Gibt es bereits Pläne, die Sie hier vielleicht verraten möchten?

In fünf Jahren werden wir gemeinsam mit anderen guten Medienprojekten den Widerstand auf ein medial völlig neues Niveau hochgezogen, weitere Filmaktivisten ausgebildet, mindestens einen Kurzspielfilm realisiert und den Grundstein für eine ganz neue Mediengeneration gelegt haben. Dafür stehe ich als dreifacher Familienvater jeden Tag um 04:30 Uhr auf.

Ein besonderes Anliegen des Filmkunstkollektivs ist nach Eigenangaben auch die Ausbildung und Förderungen von jungen Leuten – würden Sie sagen, dass das Projekt nach all den Jahren diesen selbstgegebenen Auftrag erfüllen konnte?

Die Ausbildung von Medien-Nachwuchs ist zentraler Pfeiler unserer Arbeit: Wir fördern Kunst und Kultur, das gelingt nur gemeinsam mit vielen Kreativen und Künstlern.

Vor jedem Film, jeder kleinen Reise oder jedem noch so kleinen Projekt steht zuerst die Frage, was wir Neues lernen können und wer welche neue Fähigkeit ausbaut. Für Neueinsteiger funktioniert viel über YouTube und Tutorials, für interessierte junge Leute bieten wir gezielte Praktika an und arbeiten gemeinsam am Filmset.

Jeder unserer Aktivisten kommt aus einem anderen Bereich: Ich selbst komme aus der Veranstaltungstechnik und Musik, andere direkt aus dem Filmbereich oder der Graphik. Gemeinsam werfen wir dann zusammen, was wir haben. Jeder bringt sich ein und vermittelt unseren Praktikanten, was gebraucht wird.

Dass unsere Ausbildung Früchte trägt, sehen wir an uns selber: Unser Team wächst zwar langsam, aber stetig. Wir können mittlerweile zwei autarke Filmteams bilden und teilen geographisch da auf, wo es sinnvoll ist. Einer unserer ehemaligen Praktikanten, Timm aus Dresden, studiert beispielsweise etwas komplett Medien-Fremdes, doch ist mittlerweile zum selbstständigen Leistungsträger unserer Kernmannschaft herangewachsen. In Südwestdeutschland bildet sich auch gerade ein eigenes Team heraus, dort wurde aus unserem ehemaligen Praktikanten, nämlich Michael, der Schüler zum Meister. Beide bilden nun wiederum selber aus und setzen neue Samen.

Welche Gründe haben junge Leute, sich dem Filmkunstkollektiv anzuschließen?

Ich bin ehrlich: Bei uns gibt es kein Geld, du sitzt entweder 14 Stunden am iMac oder im Auto, fährst um 4:00 Uhr über die tschechische Autobahn nach Wien, um mit zwölf Kilo Kameraausrüstung eine Demo zu filmen, direkt danach zurückzufahren, unter verbotenen Mengen Koffein das Ganze dann noch nachts zu schneiden und schon im Hinterkopf den kommenden Drehtag für ein anderes Projekt zu planen. Es ist schlichtweg komplett irre.

Der einzige Grund, sich so etwas regelmäßig anzutun, kann nur Idealismus sein. Wir suchen leidensfähige Leute für die Sache, die selbst ihr Leben im Griff haben, unter Druck funktionieren und mit gezielter Medienarbeit das gesamte Lager nach vorne bringen wollen.

Wie sind bisher die Rückmeldungen der jungen Interessierten und Kollektivmitglieder? Läuft die Arbeit harmonisch ab oder gab es auch mal Reibereien?

Wir arbeiten unter Hochdruck, Reibung und Stress sind unter Garantie vorprogrammiert. Als Filmteam konnten wir das bislang immer gut einfangen und mit einigen Tagen Abstand lacht man dann darüber. Unser Vorteil: Jeder ist freiwillig da, leistet, was er kann und wie es eben möglich ist oder fährt nach eigenen Ermessen etwas runter.

Was würden Sie einem jungen Menschen raten, der sich für das Filmkunstkollektiv interessiert, aber noch Bedenken aufgrund möglicher politischer Konsequenzen hat? Ist ein Engagement bei Ihrem Projekt eine „Karrieresackgasse“ oder eher ein Einstieg ins Berufsleben?

Wir sind politische Aktivisten im Medienbereich, in genau dieser Reihenfolge. Keiner unserer Filmleute hat Ambitionen, in naher Zukunft bei Netflix & Co anzuheuern oder wieder seinen Verwaltungsjob in einer Behörde zu machen.

Sackgassen sind was für Pessimisten, wir sind ein Katalysator: Unsere Arbeit ist entscheidend für die Innen- und Außenwahrnehmung des alternativen Lagers, für die Ausbildung der kommenden Aktivistengeneration, die Umsetzung von Projekten, an die sich sonst niemand wagt und das voranbringen der kompletten Bewegung.

Wer politischer Aktivist ist und in die Medienarbeit einsteigen will, sich bilden, quälen, festigen und die Früchte seiner eigenen Arbeit ernten möchte, ist bei unserer Truppe genau richtig.


Zur Person:

Simon Kaupert, geboren 1987, ist dreifacher Familienvater, Aktivist und Leiter des Filmkunstkollektivs. In den vergangenen vier Jahren haben er und seit Team bereits zahlreiche Demonstrationen begleitet und liefern seither auch qualitativ hochwertige Bilder von Protesten und politischen Veranstaltungen.

Homepage: https://www.filmkunstkollektiv.de/

Telegram-Kanal: https://t.me/filmkunstkollektiv