Warum die Intel-Fabrik in Magdeburg eine einmalige Chance für Deutschland ist

Der US-Technologiegigant Intel will in Magdeburg eine hochmoderne Fabrik errichten und wird dabei mit Subventionen unterstützt. Für viele Kritiker aus dem konservativen Lager ist die Beteiligung von Ministerpräsident Habeck an dem Deal Grund genug, wieder einmal zu meckern – dabei ist die Intel-Fabrik eine einmalige Chance, meint FREILICH-Redakteur Bruno Wolters.

Kommentar von
20.6.2023
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4 Minuten Lesezeit
Warum die Intel-Fabrik in Magdeburg eine einmalige Chance für Deutschland ist
Unterzeichnung der Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und Intel im Bundeskanzleramt© IMAGO / Chris Emil Janßen

Was sich lange abgezeichnet hat, ist nun Gewissheit geworden. Der US-Chiphersteller Intel will demnächst in Magdeburg an der Elbe ein neues Werk eröffnen, um dort modernste Chips zu produzieren. Die Bundesregierung unterstützt den kalifornischen Technologieriesen dabei mit Subventionen in Höhe von bis zu zehn Milliarden Euro. Federführend bei dem Deal mit Intel sollen Finanz- und Wirtschaftsminister Lindner (FDP) beziehungsweise Habeck (Grüne) gewesen sein – letzterer soll seinen liberalen Kollegen sogar überstimmt und die angepeilte Zahl von rund sieben Milliarden auf zehn Milliarden Subventionen erhöht haben.

So weit, so gut. Für jeden Technikinteressierten ist das eine erfreuliche Nachricht – für viele andere, vor allem aus dem konservativen und libertären Spektrum, nicht. Auf die grundsätzliche Kritik der Libertären möchte ich hier nicht eingehen – ob Subventionen grundsätzlich sinnvoll oder abzulehnen sind, soll an anderer Stelle diskutiert werden. Vielmehr wundere ich mich über die sinnentleerte, wenn nicht gar dumme Kritik anderer Akteure, die den Intel-Deal wohl nur deshalb ablehnen, weil Habeck seine Finger im Spiel hatte. Wir sehen: Unser Lager steckt wirklich noch in den Kinderschuhen. Etwas wird abgelehnt, weil der politische Gegner in irgendeiner Weise beteiligt war. Billigster Populismus, der aber bestimmt Klicks bringt!

Intel, TSMC und Samsung bestimmen den Markt

Aber Schauen wir uns die Fakten an: Die neuesten und modernsten Chips im 2nm-Verfahren, die zum Beispiel in den neusten Prozessoren für Computer und Smartphones verwendet werden können derzeit nur in Asien von TSCM in Taiwan und Samsung (Südkorea) sowie Intel demnächst produziert werden. Diese drei Firmen sind die einzigen Marktführer, nicht nur aus ökonomischer Sicht, sondern auch aus technologischer, denn nur dieses Trio besitzt bisher die technischen Voraussetzungen und Technologen, um modernste Halbleiter produzieren zu lassen. Das Wissen und das Können reduziert sich auf diese drei Firmen – selbst China hinkt hinterher. Man produziert dort zwar durchaus eine Menge Halbleiter, die jedoch alle auf technisch alten Stand sind.

Diese Situation führt natürlich zu einem Machtgefälle. China läuft immer Gefahr, zum Beispiel durch Sanktionen, von modernsten Chips aus dem Ausland abgeschnitten zu werden. Ähnlich ergeht es Russland, das aufgrund der Sanktionen wegen des Krieges in der Ukraine von modernen Halbleitern nahezu abgeschnitten ist, da diese nicht mehr direkt an den Kreml verkauft werden dürfen. Grund genug, dass Staaten zunehmend versuchen, eine autarke Versorgung mit modernen Chips für Wissenschaft, Militär und Konsum sicherzustellen.

Die Chipindustrie gibt es nicht umsonst

Das Problem dabei: Aufgrund des technologischen Vorsprungs der drei führenden Unternehmen TSMC, Intel und Samsung muss jeder Neueinsteiger viel Geld in die eigenen Akteure pumpen, um mit den führenden Technologieriesen gleichziehen zu können. Welche Ausmaße das annehmen kann, zeigen die Anstrengungen Pekings, das riesige Budgets von bis zu dreistelligen Milliardenbeträgen in US-Dollar in den Aufbau einer eigenen Chipindustrie steckt. Die japanische Regierung finanziert neue Anstrengungen der eigenen Halbleiterindustrie mit einstelligen Milliardenbeträgen. Fazit: Die Chipindustrie ist nicht zum Nulltarif zu haben.

Und Europa? Nun, unser Kontinent fehlt. Mit anderen Worten: Europa hat die Chipfertigung verschlafen – wie vieles andere auch. Wir sind in dieser Technologie überhaupt nicht mehr vertreten. Ja, wir haben auch Chiphersteller, aber auch Globalfoundries und Infineon in Dresden stellen nur Logikchips und andere Halbleiter im größeren Nanometerbereich her. Technologie von gestern, die mit der Technologie von heute und morgen nicht mithalten kann und wird. Wir haben den Anschluss verloren. Und der Zug ist abgefahren, weil der technologische und wirtschaftliche Vorsprung der anderen zu groß ist. Gäbe es diese einmalige Chance „Magdeburg“ nicht!

Die Alternativen sind noch schlechter

Intel will direkt in Magdeburg „20A"-Fabriken bauen – also modernste Produktionsanlagen für 2nm. „State of the Art“ sozusagen. Die Fabrik in Magdeburg ist mit zehn Milliarden sicher nicht billig, aber aufgrund der geopolitischen Lage (China-USA-Konflikt) wohl die einmalige Chance für Deutschland und Europa, wieder günstig in den Halbleitermarkt einzusteigen. Und es ist wahrscheinlich immer noch die bessere Option, als gar nichts zu tun oder selbst zu versuchen, mit dreistelligen Milliardenbeträgen eine deutsche Chipindustrie aufzubauen.

Ja, es ist ein amerikanisches Unternehmen. Aber es führt kein Weg daran vorbei, denn es gibt kein europäisches Äquivalent zu Airbus auf dem Halbleitermarkt. Da gibt es nur TSMC, Intel und Samsung. Nach Magdeburg kommen nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch Know-how, Wissen und Netzwerke. Davon profitieren die Hochschulen der Region. Und Intel muss nicht der letzte Technologiegigant sein. Für zehn Milliarden ist das ein Schnäppchen.

Abschließend eine Frage an die Kritiker: Was ist die Alternative? Auf ewig von den drei großen Chipherstellern mit ihren Fabriken außerhalb Europas abhängig zu sein? Denn das ist die einzige Konsequenz, wenn man diese Chance nicht nutzt. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass die Kritiker sonst die eher unpraktische Option „Chip-Airbus" bevorzugen würden.


Zur Person:

Bruno Wolters wurde 1994 in Deutschland geboren und studierte Philosophie und Geschichte in Norddeutschland. Im Sommer 2020 war er Mitgründer des konservativen Onlinemagazins konflikt. Im Jahr 2021 folgte das Buch Postliberal im Verlag Antaios. Seit 2022 ist Wolters Redakteur bei Freilich. Seine Interessensgebiete sind Ideengeschichte und politische Philosophie.

Twitter: https://twitter.com/Bruno_Wolters

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.