Projekt „Global Gateway“: Die EU will der „Neuen Seidestraße“ die Stirn bieten

Schon seit Jahren ist der EU die chinesische „Neue Seidenstraße“ ein Dorn im Auge – unter der offiziellen Bezeichnung „Belt and Road“ (B&R oder BRI) werden dabei schon seit 2013 Projekte zum Auf- und Ausbau interkontinentaler Handels- und Infrastruktur-Netze zwischen China und über 60 weiteren Ländern Afrikas, Asiens und Europas zusammengefasst. Es handelt sich um eines der ehrgeizigsten Investitionsprojekte der letzten Jahrzehnte. Die EU argwöhnt, dass Peking das gigantische Projekt zur Ausdehnung seines politischen Einflusses nützt und damit dem „Wertewesen“ in die Quere kommt.
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Die EU will deshalb ein eigenes Konkurrenzprojekt unter dem Titel „Global Gateway“ forcieren. Die klassische Entwicklungshilfe soll dabei strategischen Investitionsprojekten weichen. Auch die Bundesregierung, die China als „systemischen“ Konkurrenten sieht und neuerdings im Kielwasser der USA verstärkt auf Konfrontationskurs geht, will sich beteiligen. Sie hat jüngst eine erste Vorschlagsliste für 20 sogenannte „Leuchtturmprojekte“ an die EU-Kommission übermittelt.

In der strategischen Gegnerschaft zum aufstrebenden Reich der Mitte sieht sich die Bundesregierung Seite an Seite mit der EU-Kommission. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte vorgeschlagen, zunächst 300 Milliarden Euro für große Infrastrukturprojekte zu mobilisieren. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sieht die EU im „Systemwettbewerb“ mit China. Die Staatengemeinschaft, argumentiert sie, müsse in der Lage sein, Ländern „bessere Angebote“ zu machen – „transparent, auf Augenhöhe, ohne Knebelverträge“.

USA wollen 600 Milliarden Dollar investieren

Auch US-Präsident Joe Biden baut auf die Europäer. Beim G20-Gipfel sprach er davon, innerhalb von fünf Jahren 600 Milliarden US-Dollar in „hochwertige, nachhaltige und innovative“ Infrastrukturprojekte investieren zu wollen. Für dieses Vorhaben benötige Washington Partner.

Natürlich apportierte die Bundesregierung. In einem Berliner Strategiepapier wird mit Missbilligung registriert, dass Peking eine „rigorose Interessenpolitik“ betreibe und dabei „schädliche Auswirkungen auf die Partnerländer in Kauf“ nehme. „Die hieraus entstandene Abhängigkeit beeinträchtigt die Souveränität der betroffenen Staaten – was China politisch und wirtschaftlich für seine Interessen nutzt“, heißt es weiter.

Hier soll nach dem Willen der EU der „Global Gateway“ ins Spiel kommen. Aber Brüssel ebenso wie Berlin scheuen sich, eine eigene europäische Interessenpolitik zu formulieren. Ein Großteil der von der Bundesregierung eingereichten Vorschläge betrifft Projekte im Rahmen der „Energiewende“, die die Bundesregierung schon im nationalen Maßstab geradezu dogmatisch vorantreibt.

Solarkraftwerke, Lithium-Minen, Verkehrsprojekte

So sollen etwa in Botswana und Namibia mit europäischer Hilfe Solarkraftwerke entstehen. In Ghana will man die chinesische Konkurrenz beim Windkraftprojekt „Konikablo“ ausstechen. Auch in Bosnien und Herzegowina soll unter dem Banner des „Global Gateway“ eine Wende weg von der fossilen Energiegewinnung forciert werden. In Serbien wiederum soll eine Lithium-Mine entstehen. Gerade auf diesem Gebiet ist die EU bislang fast völlig von der chinesischen Konkurrenz abhängig. Weiters soll von Burkina Faso aus ein Bahnprojekt zur ghanaischen Küste gefördert werden.

Sogar zwischen Laos, Vietnam und Thailand, also im unmittelbaren chinesischen Einflussgebiet, sind Verkehrsprojekte des „Global Gateway“ vorgesehen. Und zwischen Chile und Australien soll mit europäischer Unterstützung ein Unterseekabel verlegt werden, um die Digitalisierung anzuschieben.

Allerdings: in schlechter Brüsseler Tradition droht sich die EU bei der Verwirklichung ihrer ehrgeizigen Ziele selbst im Wege zu stehen. Selbst das Papier der Bundesregierung registriert, dass es Widerstand aus Brüssel geben könnte – Teile der Kommission könnten ein Problem damit haben, dass „Entwicklungshilfe künftig geopolitischen Interessen untergeordnet wird“, heißt es.

Zuletzt habe der Krieg in der Ukraine den „Global Gateway“ ohnehin verzögert. Es sei wenig zielführend, dass die „Generaldirektion Internationale Partnerschaften“ der EU „bürokratische Abwehrkämpfe“ führe. „Global Gateway“ sei ein außenpolitisches Instrument, „das nicht primär entwicklungspolitischen, sondern strategischen Zielen dient“.

Die EU schädigt sich selbst massiv

Wie aussichtsreich das Projekt „Global Gateway“ angesichts solcher Geburtsfehler in der Praxis sein kann, muss sich zeigen. Die EU ist im Kielwasser der USA und infolge ihrer verheerenden Energie- und Sanktionspolitik gerade dabei, sich selbst massiv zu schädigen – gerade was ihre Energieversorgung angeht. Die galoppierende Inflation bedroht zudem die internationale Konkurrenzfähigkeit der Europäer und ebenso ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Innern. Inwieweit die EU unter derart unguten Vorzeichen in der Lage sein wird, die strategische Konfrontation mit den Chinesen durchzuhalten, bleibt eine Frage mit vielen Fragezeichen.

Hinzu kommt, dass in vielen Dritte-Welt-Ländern die Erinnerungen an die europäischen Kolonialherren von ehedem noch sehr lebendig sind. Die russische und vor allem chinesische Konkurrenz kann demgegenüber ohne diesen historischen Makel auftreten und steht zudem im Ruf, zuverlässiger und unkomplizierter zu sein als die Europäer, die sich mit dem Thema „Menschenrechte“ vielfach selbst ausbremsen. Vieles spricht dafür, dass der „Global Gateway“ eine Kopfgeburt von Brüsseler und Berliner Technokraten ist, während China mit seiner „Neuen Seidenstraße“ längst harte Fakten geschaffen hat.