Der Jihad des US-Globalismus

Der Globalismus holt zum letzten Schlag aus. Wie sich die deutsche Rechte dabei positionieren sollte, erklärt der Publizist Marvin T. Neumann.
Marvin T. Neumann
Kommentar von
8.11.2022
/
11 Minuten Lesezeit

Der US-Kongressabgeordnete Jamie Raskin veröffentlichte vor Kurzem eine Pressemitteilung, in welcher der Demokrat betonend darlegte, weshalb der Sieg der Ukraine gegen die Russen von solch umfassender Wichtigkeit sei, dass der Verzicht für die Völker des Westens gegebenenfalls hingenommen werden müsse. Das Statement erscheint in einem hitzigen Zustand amerikanischer Diskussion um die Bewertung des russisch-ukrainischen Krieges. „Ukrainians today give the democratic world a chance for a critical and historic victory, and we must rally to their side. It is important to be on the right side of a just war, and it is even more important to be on the right side and win. Just as Ukrainian resistance gives us hope, a Ukrainian victory would give us an opening to a much better future for all humanity.“ Ein „historischer Imperativ“ liege laut Raskin in der Siegesbemühung des Zelensky-Staates.

Es ist beileibe kein Geheimnis, dass die selbstzerstörerische Sanktionspolitik des US-geführten Westens von einem moralischen Narrativ am leben gehalten wird. Wan immer jemand in Deutschland die Deindustrialisierung unseres Landes öffentlich infragestellt, bekommt er kurz darauf eine mediale Schelte. Anders geht es auch nicht. Wenn die Völker Europas, insbesondere Westeuropas den Glauben an die „gerechte Sache“ verlieren, dann könnte der von Washington befeuerte Wirtschaftskrieg mit dem Rest der Welt schnell nach hinten losgehen. Raskins PM dient als ein Paradebeispiel der moralischen Erpressungspropaganda des US-Hegemons: „Putin has claimed, as European colonizers did for hundreds of years, that the Ukrainian state and the Ukrainian nation do not exist. This obvious lie has been his rationale for an increasingly genocidal war of destruction, the openly avowed goal of which is the destruction of the Ukrainian people as such.“ Hier sieht man die antiweiße bzw. antieuropäische Lehre des US-Westens unserer Gegenwart: Jeder „bösartige“ weiße Politiker und Staatsmann stehe in der Tradition europäischer Kolonialisten und genozidaler Absichten. Der Hitlervergleich wäre an dieser Stelle quasi überflüssig gewesen. Der westliche Kampf, egal wo und gegen wen, ist in diesem Licht immer der Kampf gegen die Wiederkehr des faschistischen Tyrannen.

„Ukraine’s struggle embodies a democratic future. Its civilian and military leadership is young and diverse, representing a post-Soviet generation that has learned to treasure freedom and value democracy. Its president, who is Jewish and thus belongs to a small national minority, was elected with 73% of the population, and now has even higher levels of support, thanks to his extraordinary wartime leadership. Thousands of Ukrainian women are fighting on the front, and a woman serves as deputy minister of defense. Sexual minorities are represented within the Ukrainian armed forces.“ Die Ukraine repräsentiere das Bild westlich-liberaler Demokratien der Zukunft – gekennzeichnet von repräsentativer Dominanz ethnischer und sexueller Minderheiten. Ob die ukrainischen Nationalisten, die jeden Tag sterben, dafür tatsächlich kämpfen? Irrelevant, denn der materielle Motor ihres Widerstandes hat es längst so bestimmt.

„Moscow right now is a hub of corrupt tyranny, censorship, authoritarian repression, police violence, propaganda, government lies and disinformation, and planning for war crimes. It is a world center of antifeminist, antigay, anti-trans hatred, as well as the homeland of replacement theory for export. In supporting Ukraine, we are opposing these fascist views, and supporting the urgent principles of democratic pluralism. Ukraine is not perfect, of course, but its society is organized on the radically different principles of democracy and freedom, which is why Russia’s oligarchical leaders seek to destroy it forever.“ Diese Passage hätte praktisch von der Antonio Amadeu Stiftung stammen können. Abgesehen davon, dass die Vorwürfe oligarchischer Machtstrukturen, Polizeigewalt, Zensur, Desinformation und dem Planen von Kriegsverbrechen gleichermaßen auf die USA zutreffen, ist der zweite Satz von weitaus größerer Bedeutung für die moralische Propaganda. Moskau repräsentiere „antigay, anti-trans hatred“ und vor allem würde Moskau die Theorie des Großen Austausches exportieren. Demgegenüber sei die Ukraine auf den ideologischen Konzepten von „Demokratie und Freiheit“ gebaut und nur aus diesem Grund strebe Russland ihre Vernichtung an. Dieses Narrativ dominiert die westliche Propagandapresse seit Kriegsausbruch. Es ist die Selbstvergewisserung der moralischen Weltsicht unseres kunterbunten Bobo-Bürgertums. Russland steht demnach für alles, was man hierzulande als rechts klassifiziert und ist somit der geopolitische Akteur der inländischen Opposition. Und genau deshalb muss Russland besiegt werden. Der US-Westen selbst sieht Außen- und Innenpolitik im Einklang. Und genau so muss der Politikstil des Globalismus verstanden werden: Als Bestreben der totalen Transformation der Welt mit allen Mitteln.

Der FOX-Nachrichtensprecher Tucker Carlson kommentierte Raskins Äußerungen scharf. „Russland ist ein christlich-orthodoxes Land mit traditionellen sozialen Werten. Und aus diesem Grund muss es vernichtet werden, egal, was es uns kostet.“ Demnach sei der Stellvertreterkrieg des Westens in der Ukraine also „kein konventioneller Krieg, sondern ein Jihad“, also ein Glaubenskrieg, ein ideologischer Systemkampf. Raskin hätte dies als einer der wenigen in Washington laut ausgesprochen, doch viele in der Hauptstadt der USA würden ihm zustimmen. Der Krieg in der Ukraine ist für die westliche Machtstruktur der Kampf von GloboHomo, also ihres Hegemonialanspruchs – im Inneren wie im Äußeren. Was bedeutet das für die deutsche Opposition?

Der Dissens der Opposition

Im nationalkonservativen Milieu der AfD besteht ununterbrochen ein grundlegender Dissens in der Haltung zur amerikanisch geführten Weltordnung und den USA als Hegemon über Europa. Ein Teil hält den Status Quo analog des Kalten Krieges für praktisch unantastbar; man sieht eine Konfrontation der vermeintlich freien bzw. etwas freieren Welt unter US-Führung im Systemendkampf mit China, ummantelt von Russland und dem Iran. Ansätze zur Neuorientierung in einer multipolaren Weltordnung gelten als naiv oder schlicht unrealistisch. Der Historiker Dr. Stefan Scheil hält eine „herausgehobene Position in der NATO (…) außenpolitisch [für] das Beste, was noch rauszuholen ist“. Laut Dr. Scheil sei Deutschland „nicht in der Lage, eine eigene weltpolitische und verteidigungspolitische Rolle zu spielen. War es noch nie (…) und wird es auch nie“. Dazu fehle es an „Größe, Zugang zu Rohstoffen, Zugang zu Märkten, strategischer Verteidigungsfähigkeit und heutzutage auch noch an der Demographie“. Den Zusammenhang zwischen woker Innenpolitik und US-amerikanischer Hegemonie erkenne Dr. Scheil nicht: „Daß Russland heute weniger Woke ist als die USA ist Fakt. Ändert nichts daran, dass es kein attraktiver Partner für Deutschland ist.“ Ein Dr. Scheil sieht eine Zukunft für Deutschland also nur als besonders tüchtigen Vasall des US-Imperiums – in einer „dienenden Führungsrolle“ (Robert Habeck) sozusagen.

Im besten Fall werde die BRD dabei zum militärischen Rammbock der NATO in Europa, womit die USA sich mehr auf den Indopazifik konzentrieren und Deutschland – so die Idee – im Rahmen des westlichen Bündnisses mehr Raum für Eigenständigkeit gewähren könnten. Die geopolitischen Parameter bleiben aber dieselben: Washington befiehlt, Russland sei der Urfeind, die Rot-Chinesen die Sowjets 2.0 und der Iran ein islamistisches Regime, das für Israels Sicherheitsinteressen eines sehr nahen Tages „regimechanged“ werden müsse. Ein von „Werten“ und angloamerikanischen Narrativen bereinigtes Interessenprofil deutscher bzw. europäischer Außenpolitik ist damit nicht möglich. Und die Multipolarität ebenso wenig.

Demgegenüber sieht beispielsweise der Publizist Dimitrios Kisoudis die Zukunft eines souveränen Deutschlands in einem geopolitisch relevanten Europa allein in der aufkeimenden Multipolarität und damit der äußeren wie inneren Zurückdrängung Washingtons: „Entweder fügt sich Deutschland, lässt sich deindustrialisieren und akzeptiert antiweißen (Anti-)Rassismus und Auflösung der Geschlechter als Leitideologien. Oder es sucht in der Multipolarität den Rückweg zu eigenen Ordnungsvorstellungen.“ Die Logik sieht hier eine innere Befreiung nur in Begleitung einer äußeren, da jene globalistische US-Weltordnung die innere Ordnung Deutschlands zentral berührt. Multikulti und „LGBTQ-Empowerment“ sind innere Manifestationen dieses global ausgerichteten Ordnungsmodells, verankert in transatlantischen Organisationen und Elitenproduktion. Die Botschaft lautet: Ein deutscher Geltungs- und Führungsanspruch im eigenen Sinne und die Abkehr vom linksliberalen Irrweg sind nur ohne die „liberale Weltordnung“ (u.a. Joe Biden) als monopolares System möglich.

Was die treuen Transatlantiker im schwarz-rot-goldenen Gewand, die in ihrer Unterwürfigkeit auf Kosten eines noch irgendwie ersichtlich deutschen Deutschlands besonders viel Realismus zu vertreten meinen, freilich übersehen (wollen), ist und bleibt die inhärente Verhaltenslogik des Hegemons einer solchen liberalen Weltordnung. Von der woken Doktrin der „liberal hegemony“-Lehre amerikanischer Eliten irritiert halten sie diese für oberflächliche Propaganda, um irgendwelche linken Klientelen zu befriedigen, aus denen der bürgerlich-progressive Elitennachwuchs stammt, die aber eigentlich gar nicht ernst gemeint sei. Sie belächeln die Thunbergs, Baerbocks, Neubauers und Langs – und verzweifeln an der Tatsache, dass diese Figuren über die Zukunft von Staat und Volk entscheiden. Die Destabilisierung des Nahen Ostens und die daraus resultierende „Flüchtlingskrise“, die von westlich finanzierten NGOs orchestrierte Schlepperei, die Institutionalisierung diverser kritischer Theorien – von Genderstudies bis zu antieuropäischen Kolonialstudien – all das sei allein die Schuld der internationalen Linken, denen sich komischerweise alle anderen westlichen Staaten im amerikanischen Einflussbereich gebeugt haben, während andere ehemals sozialistische Staaten teils explizit kulturnationalistisch gekippt sind.

Dass westliche Konservative unter dem liberalen Überbau stets Platz gemacht und der sogenannte Kulturkampf mehr Inszenierung eines Top-Down-Prozesses war, das ist dann bestenfalls eine Fußnote. Und selbst wenn die Besatzertreuen einmal durchdeklinieren, „Warum Konservative immer verlieren“ (Alex Kurtagic), fallen sie am Ende wieder auf den Verweis zurück, dass die militärische, ökonomische und kulturelle US-Dominanz über Deutschland und Europa nun einmal faktisch sei und niemand sonst uns vor dem Iwan oder den gelben Kommunisten beschützen könne. Kisoudis schrieb dazu passend: „Natürlich schützt der Hegemon indirekt auch immer die beherrschten Staaten, sofern er den Bereich seiner Hegemonie beschützt. Das Problem besteht darin, dass die US-Hegemonie über Europa als Vorstufe der Unipolarität die Transformation der Völker mehr und mehr beinhaltet, so dass Europa zwar militärisch ‚geschützt‘ wird, aber nicht in seiner Eigenart.“ Letztere ist für die Westbindungsapologeten am Ende zweitrangig, außenpolitische und kulturelle Erscheinungen („Black Lives Matter“, Kinder-Dragqueens, Migrantenquoten) existieren für sie unabhängig voneinander. Da dies aber die Realität der Macht-Dynamik und des Baus westlicher Gesellschaften unter amerikanischer Dominanz verkennt, sind sie gezwungen, den Lauf der Dinge schlussendlich hinzunehmen, wenn sie an den US-Militärbasen auf deutschem Boden festhalten wollen.

Die Zukunft des US-Globalismus

Was der Kongressmann Raskin darlegt, ist eine ideologische Konzeption, nicht bloß des westlichen Stellvertreterkrieges gegen Russland, sondern die imperiale Systempolitik von Gegenwart und Zukunft unter amerikanischer Dominanz – für alle Völker Europas und letztlich der Welt. Demokratie in Deutschland ist unter dem US-Schirm längst nur noch als liberale Habermas-Demokratie möglich, und das heißt in Form von Dominanz allerlei Minoritäten über die autochthone Mehrheitsgesellschaft samt Delegitimierung und Zersetzung ihrer ursprünglich-eigenen Identität durch die Moderation der Medien und die Indoktrination der Akademien und Kulturindustrie.

Selbstverständlich ist es kein natürlicher Zustand, wenn die unqualifiziertesten Personengruppen über Quotenmargen absichtlich in die höchsten Reihen der Verwaltung gespült werden, Ausländer im Höchsttempo eingeschleust, eingebürgert, in die Versorgungsstrukturen getragen und alle herkömmlichen Anreize für Elitenbildung verkehrt werden (Stichwort Bodypositivity). Die Meritokratie, mit der die Vereinigten Staaten und der Nachkriegswesten bis heute in erster Linie assoziiert werden, ist nicht das Modell globalistischer Herrschaft. Der US-Globalismus setzt auf die „Herrschaft der Minderwertigen“ (Edgar J. Jung), welche die Außerkraftsetzung aller normativen Mechanismen benötigt, die eine Gefahr für die „diverse“ Gendersternchen-Bürokratie darstellen, und darin eine globale Interdependenz nach sich zieht. Der letzte westliche heilige Krieg „gegen Rechts“ ist das Neutralisierungsbestreben dieser naturgewachsenen Resilienz (zur Zeit noch primär) europäischer Völker im unmittelbaren Einflussbereich. Und dieser sonst in erster Linie innenpolitische Streitzug gegen jede Form traditionell-natürlicher Lebensart gibt sich propagandistisch im Gewand des Ukrainekrieges auch als realer Krieg im Äußeren. Zumindest in der Lesung westlicher Eliten.

Thilo Sarrazin, aufgrund seines „Deutschland schafft sich ab“-Buches noch immer viel zu hoch geschätzt in AfD-nahen Kreisen, ergriff in westbindungspatriotischer Manier zuletzt offen Partei für die US-globalistische Geschichtslehre in Bezug auf den Ukrainekrieg: „Wirtschaftlich brach die große Zeit Deutschlands und Japans erst nach 1945 an, als sie aufgrund ihres militärischen und moralischen Zusammenbruchs gezwungen waren, von ihren imperialen Träumen auf immer Abschied zu nehmen und sich auf ihre inneren Stärken zu besinnen. Die notwendige vollständige Niederlage Russlands im Ukrainekrieg wird nicht das Ende der russischen Geschichte sein, sondern ihr verheißungsvoller Neubeginn als friedlicher Vielvölkerstaat“. Um jene angebliche innere Stärke ist es im „friedlichen Vielvölkerstaat“ der BRD nach einem halben Jahrhundert Konsumterror, Kulturrevolution, Wirtschaftsmigration und McDonalds offensichtlich nicht sonderlich gut bestellt. Ironischerweise ist es diese Untergliederungsordnung und Reeducation, die Deutschland nun zur grünen Deindustrialisierung und kulturellen Selbstaufgabe treibt. Die bloße Existenz als Wirtschaftsstandort negiert, wie wir heute sehen, im Zweifelsfall die Existenz als Nation, nämlich dann, wenn der Hegemon andere Pläne schmiedet. Weshalb sich ein stolzes Volk wie jenes der Russen also bereitwillig zum selben passiven, kapitalistischen Objekt amerikanischer Geschichtsschreibung degradieren sollte, bleibt nur jenen Bürgerlichen ersichtlich, die geistig noch im Marshallplan leben, politische Kategorien für suspekt erachten und außerhalb individualistisch-materieller Kategorien nicht einmal zu träumen wagen.

Wenn der Anspruch der „Global Governance“ unter liberalistischen Vorzeichen für die Amerikaner als alleiniger Hegemon also gelingen soll, dann muss notwendigerweise in jedem Verwaltungsabschnitt des Globus mittelfristig dieselbe vermasste Bevölkerungs- und Verwaltungsarchitektur entstehen, gebaut auf dem Mythos der Überwindung des Europäers als ewigen Kolonialisten. Die US-Weltordnung baute auf Nürnberg 1945 auf, auf der daraus resultierten Geschichtsschreibung der Sieger und ihrer ideologischen Projektion auf die Besiegten. Die Besiegten, in dieser Form also der deutsche Nationalsozialismus und (oftmals verallgemeinernd verwendet) europäische Faschismus als Phänomen sind seither Sinnbild eines genuin europäischen Entwurfs einer globalen oder zumindest eurozentrischen Hegemonie. Wenn die US-westliche Ordnung selbstbezeichnend also in den Sieg über „den Faschismus“ gepflanzt wurde, dann blüht der daraus erwachsene Globalismus in dem Sieg über Whiteness, also der Wesenseigenart europäischer bzw. weißer Völker, die gemäß poststrukturalistischer Lehre die permanente Gefahr eines neues Hitlers in sich tragen würden. Ein a-liberales Europa, d.h. ein nicht US-dominiertes Europa gilt so als Antithese zum amerikanischen Status Quo der liberalen Ordnung und die Verkörperung eines potenziellen Rückfalls in die hitlersche Barbarei (selbst die transatlantisch ausgerichtete Meloni-Regierung Italiens gilt den westlichen Massenmedien bereits als faschistisch, nur weil sie gewisse Glaubenssätze in der Migrationsthematik nicht länger mitträgt). Ein entscheidender Grund, warum der Antifaschismus und die Nazi-Keule so relevant bleiben – auch gegen Putin –, und weshalb Europa als eigenständiger Player auf der politischen Weltbühne ausbleibt.

Ein tatsächlich eigenständiges Europa, mehr noch ein eigenständiges Deutschland als tragende Kraft eines geopolitischen Europas, steht den globalen Aspirationen des US-Hegemons diametral entgegen. Eigenständigkeit bedeutet in erster Instanz, sich als Subjekt über das Eigene zu definieren und sich damit also dem aufoktroyierten „Wertesystem“ als Gestalt amerikanischer Hegemonie zu entziehen. Genau das wird derzeit im Krieg gegen Moskau demonstriert. Deshalb ist woke Innenpolitik zwangsläufig nicht von der „wertebasierten“ Außenpolitik des US-Westens zu trennen. Im Rahmen der neuen Blockbildung, bei der der Westen eben jene woke Ideologie als Leitprinzip entwickelt hat, wird eine innere und äußere Kohärenz angestrebt, ersichtlich in allerlei Quoten und Migrationsströmungen. Deshalb muss jeder, der die Selbstbestimmung der europäischen Nationen in ihren inneren Ordnungsmustern und organischer Eigenart befürwortet, mit der ideologischen Deutungshoheit der Sieger aufräumen und innen wie außen eine Sezierung zwischen Europa als eigenem Kulturraum und den USA als globalem Imperialisten bestreben. Eine Trennung ist ohne Umorientierung nicht möglich; das bedeutet, auch geopolitisch ohne die USA als raumfremde Macht zu denken und dies als Standpunkt anzuführen und in dieser Ordnungsrevolution mit anderen Mächten respektvoll zu kommunizieren. Wer diesen Umstand noch immer verkennt, obgleich Personen wie Raskin ganz offen mit dieser Vision einer „freien Welt“ hausieren, für die jeder Einsatz gerechtfertigt sei – neben der Verarmung der europäischen Völker auch die Ausweitung des Krieges –, der bleibt unfreiwillig ein Agent der andauernden Vernichtung Deutschlands und unseres Kontinents als Kultur- und Wirtschaftsraum. Und er bleibt gläubiger Krieger dieses Jihads.


Zur Person:

Marvin T. Neumann, Jahrgang 1993, arbeitet als persönlicher Referent für den mitteldeutschen Bundestagsabgeordneten Hannes Gnauck. Zu seinen Interessengebieten zählen Geopolitik, politische Theorie und Literaturwissenschaft.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.