Belgien erwägt Armeeeinsatz gegen Drogenkriminalität
Belgien reagiert mit drastischen Maßnahmen auf die eskalierende Drogengewalt in Brüssel. So sollen Soldaten gemeinsam mit der Polizei in besonders betroffenen Stadtteilen patrouillieren.
Belgische Soldaten bei einer Militärparade in Brüssel.
© IMAGO / Werner LerooyBrüssel. – Belgien steht kurz davor, die Armee im Kampf gegen die eskalierende Drogengewalt in Brüssel einzusetzen. Sicherheits- und Innenminister Bernard Quintin kündigte laut Politico an, dass Soldaten künftig gemeinsam mit der Polizei patrouillieren werden. „Die Armee muss die territoriale Integrität verteidigen. Normalerweise tun Soldaten das an unseren Grenzen oder weit außerhalb davon. Aber der Krieg gegen die Drogenkriminalität fällt ebenfalls unter den Schutz unseres Territoriums.“
Gewaltwelle mit dutzenden Schusswechseln
Seit Monaten wird die belgische Hauptstadt von einer Serie von Schießereien erschüttert. Allein in diesem Jahr wurden 57 Vorfälle registriert, davon 20 im Sommer, wie Brüssels Oberstaatsanwalt Julien Moinil berichtete. Der unter Polizeischutz stehende Jurist hatte bereits zuvor zehn Millionen Euro für mehr Sicherheit gefordert. Doch die Mittel seien ihm nicht gewährt worden. Moinil warnte eindringlich: „Jeder in Brüssel könnte von einer verirrten Kugel getroffen werden.“
Justizministerin fordert Milliardenbudget
Vor den Haushaltsverhandlungen machte Justizministerin Annelies Verlinden deutlich, dass sie eine deutliche Aufstockung der Mittel für ihr Ressort benötigt. Sie verlangt eine Milliarde Euro zusätzlich für ihr Ressort.
Quintin, der aus Brüssel stammt, beschreibt die Sicherheitslage in seiner Heimatstadt als „katastrophal“. Bereits im Mai kritisierte er im Gespräch mit Politico die Dreistigkeit der Drogenhändler: „Ich übertreibe natürlich, aber derzeit befinden wir uns fast in einer Situation, in der ein Typ kommt, seinen kleinen Stuhl aufklappt, seinen kleinen Tisch aufstellt und seinen Sonnenschirm aufspannt.“
Soldaten sollen mit Polizei patrouillieren
Gemäß dem Plan sollen gemischte Teams aus Soldaten und Polizisten in der Stadt eingesetzt werden. Sie sollen vor allem an Metrostationen und in Problemvierteln wie Peterbos in Anderlecht Präsenz zeigen. Quintin betonte, die Umsetzung müsse „so schnell wie möglich“ erfolgen. Die politische Entscheidung sei bereits gefallen, einige Details müssten jedoch noch geklärt werden.
Auch Verteidigungsminister Theo Francken stellte am Samstag auf X klar, dass der rechtliche Rahmen für einen Einsatz bereits steht. Der entsprechende Entwurf werde demnächst dem Ministerrat vorgelegt. Francken schrieb: „Unsere Hauptstadt Brüssel ist in Sachen Sicherheit ein Desaster. Wir müssen die Kontrolle zurückgewinnen.“
Teil eines größeren Sicherheitsplans
Der liberale Politiker Frédéric De Gucht stellte den geplanten Militäreinsatz infrage und sagte: „Könnten wir vielleicht mit den zehn Millionen Euro anfangen, die Julien Moinil (Brüsseler Oberstaatsanwalt) für die Bekämpfung der Unsicherheit in unserer Hauptstadt gefordert hat? Dafür ist kein rechtlicher Rahmen nötig.“
Quintins Vorstoß ist Teil des „Großstädte“-Plans, der neben Brüssel auch die Städte Antwerpen, Gent, Lüttich, Charleroi und Mons einschließt. Neben verstärkten Patrouillen ist auch eine Ausweitung der Videoüberwachung geplant.