Maximilian Krah (AfD): „Wir müssen Kerninteressen für eine eigenständige Politik definieren“

Maximilian Krah hielt am 7. November die Eröffnungsrede des Gründungsseminars der konservativen Denkfabrik Deutschland 2050. Freilich-Autor Jonas Greindberg hat mit ihm über seine Vision einer konservativen Außenpolitik gesprochen.
Interview von
12.11.2022
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4 Minuten Lesezeit

Freilich: Sie haben soeben die Begrüßungsrede der Denkfabrik Deutschland 2050 gehalten und werden auch dessen Arbeitsgruppe „Alternativen zur Globalisierung“ leiten. Als Abgeordneter des EU-Parlaments sind Sie mit der Globalisierung aus einer europäischen Perspektive vertraut. Welche ideale Weltordnung schwebt Ihrem durchschnittlichen Kollegen im EU-Parlament vor?

Maximilian Krah: Dem durchschnittlichen Kollegen der Mitte und der Linken schwebt tatsächlich der Welteinheitsstaat vor. Der durchschnittliche Kollege in Brüssel glaubt an das Ende der Geschichte, den ultimativen Sieg des liberal-westlichen Modells und er glaubt, dass Europa berufen ist, dieses Modell durch Sanktionen und Kriege weltweit durchzusetzen.

Glaubt Ihr durchschnittlicher Kollege an eine multipolare oder an eine unipolare Weltordnung?

Selbstverständlich unipolar. Wenn Sie den Unterschied zwischen der Kantianischen Universalmoral und einer Moral der Vielfalt haben, wo es arabische, russische, chinesische und auch noch traditionell-europäische Werte gibt, dann überfordern Sie diesen durchschnittlichen Parlamentarier, das findet er auch instinktiv abstoßend. Er geht davon aus, dass die links-liberale Blase, die er in Brüssel erlebt, der absolute Gipfel der menschlichen Geschichte ist.

Welcher Hegemon leitet diese unipolare Weltordnung? Die USA oder die EU?

Aus der Sicht meiner Kollegen ist es eine Partnerschaft, weil sie noch nicht einmal imstande sind, ihre eigene Machtlosigkeit gegenüber den USA zu erkennen.

Der europäische Binnenmarkt garantiert den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Personen und Kapital. Sigmar Gabriel sagte, dass Deutschland „der größte Netto-Gewinner“ dieses Binnenmarktes sei. Wird es in einem von Konservativen geführten Deutschland auch weiterhin diesen Binnenmarkt geben?

Der Binnenmarkt selbst ist im Prinzip tatsächlich positiv: zum einen ist die wirtschaftliche Verflechtung so weit fortgeschritten, dass die Kosten seiner Abschaffung enorm wären. Andererseits haben wir in Europa sehr viele kleine Länder. Wenn wir aufhören würden zu koordinieren, dann würden die USA oder China kommen und jedem dieser kleinen Länder, je kleiner, desto besser, ein unverschämt gutes Angebot machen. Damit würde man die Zollunion aushebeln. Weil wir eben weltweit Handel treiben, müssen wir uns in irgendeiner Form abstimmen. Ich stehe allerdings dafür, manche Dienstleistungen, etwa des Handwerks, von der Dienstleistungsfreiheit auszunehmen, um das deutsche Handwerk zu schützen. Wir glauben daran, dass der Binnenmarkt im Prinzip gut ist, dass er aber Neujustierungen und Ausnahmen braucht.

Wie würden Sie die Weltordnung beschreiben, in der wir gerade leben?

Im Umbruch. Wir leben in einer Weltordnung, von der wir nur wissen, dass sie in 15, 20 Jahren anders sein wird. Wir sind aufgefordert, dafür zu sorgen, dass sie besser wird, dass sie unseren Idealen entspricht. Wir erleben, dass der links-grüne Mainstream in Brüssel uns gerade diese Möglichkeit nimmt durch seine geradezu sklavische Unterordnung unter den Hegemon, unter die links-liberal gedachte USA.

Wie sollte sich Deutschland in dieser Phase des Umbruchs positionieren, um zu den Gewinnern zu gehören?

Deutschland und die EU streben derzeit noch eine Unterordnung unter die USA an. Ein Beispiel hierfür ist die Zerstörung der Nord-Stream-Pipelines. Es sollte unter Menschen, die nicht ARD oder ZDF glauben, klar sein, dass Russland nicht seine eigenen Pipelines zerstören wird, wenn genau oberhalb der Sprengstelle amerikanische Schiffe kreuzen. Die Bundesregierung tut nichts dagegen, womöglich war sie eingeweiht, und in der Presse findet dieses Thema nicht mehr statt. Währenddessen kollabiert unsere Energieversorgung. Unsere Energieautonomie wird zerstört und die Regierung nickt es einfach ab. Gleichwohl hat ja Gerhard Schröder damals im Irakkrieg 2003 gezeigt, dass durchaus der Freiraum besteht, nein zu sagen.

Wir müssen jetzt schauen, mit welchen europäischen Staaten wir eine Interessengleichheit herstellen können. Wir müssen unsere Handelsbeziehungen stabilisieren, was Energieimporte aus Russland und den Handel mit China betrifft. Ungarn haben wir da bereits auf unserer Seite und auch Österreich, die Niederlande, Belgien und Frankreich sind da mögliche Partner. Dass wir immer eine enge Beziehung zu den USA haben werden, ergibt sich bereits aufgrund unserer kulturellen und geschichtlichen Verbundenheit. Aber dass wir uns von den Vereinigten Staaten in Wirtschaftskriege, etwa gegen China, hineinziehen lassen, das muss enden. Insofern glaube ich, dass wir mit Unterstützern Kerninteressen definieren und mutig verfolgen sollten, um ein wenig Freiraum zu gewinnen, der es uns erlaubt in der Umbruchphase eigenständige Politik zu machen.

Herr Krah, vielen Dank für das Gespräch!


Zur Person:

Maximilian Krah ist promovierter Jurist und AfD-Abgeordneter im Europäischen Parlament. Der gebürtige Sachse ist seit 2022 Mitglied im Bundesvorstand der AfD und kandidierte im selben Jahr zum Oberbürgermeister von Dresden.

Facebook: https://www.facebook.com/maximilian.krah/

Twitter: https://twitter.com/KrahMax


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