Linker Terror, „Hammerbande“: Vor Ort beim Prozess gegen Hanna S.
Versuchter Mord, gefährliche Körperverletzung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung – das sind die Vorwürfe, wegen der sich eine Nürnberger Kunststudentin derzeit im sogenannten „Budapest-Komplex“ vor dem Oberlandesgericht München verantworten muss. War Hanna S. Teil der „Hammerbande“? Welchen Eindruck macht die Anfang Dreißigjährige? Ein Besuch im Gerichtssaal.
In den vergangenen Wochen und Monaten kam es immer wieder zu linken Solidaritätskundgebungen für S.
© IMAGO / Moritz SchlenkMünchen. – Die Sicherheitsvorkehrungen sind enorm, wenn man dem Prozess gegen ein mutmaßliches Mitglied einer linksextremistischen, kriminellen Vereinigung beiwohnen will. Nicht einmal ein eigener Stift ist erlaubt. Ein Handy mitzunehmen, ist ohnehin verboten. All diese Gegenstände muss man den Beamten der zweiten Schleuse übergeben, die dafür einen Zettel mit einer Nummer und einen Kugelschreiber des Gerichts herausgeben. Verhandelt wird der Fall von Hanna S., der vorgeworfen wird, als Teil einer Bande im Februar 2023 in Budapest gezielt Jagd auf Menschen gemacht zu haben.
Es war der „Tag der Ehre“, an dem die Taten geschahen. An diesem Datum treffen sich in der ungarischen Hauptstadt alljährlich Personen aus der rechten Szene, um an den Ausbruch deutscher und ungarischer Streitkräfte aus dem Budapester Kessel im Februar 1945 zu erinnern. Und auf diese Teilnehmer oder Menschen, die sie für solche halten, haben es Linksextremisten abgesehen. Die Gruppe soll mit äußerster Brutalität vorgegangen sein – unter Einsatz von Schlagstöcken, Reizgas und Hämmern. Insgesamt gibt es neun Verletzte. S. wird die Teilnahme an zwei Angriffen auf drei Menschen zur Last gelegt.
Typus Heidi Reichinnek
Schmächtig wirkt S., wenn sie unter Polizeibewachung und dem Beifall ihrer Anhänger den Gerichtssaal betritt. Seit Prozessbeginn mobilisiert die linke Szene, um möglichst viele Sympathisanten zu den regelmäßig stattfindenden Kundgebungen vor dem Gerichtsgebäude und im Zuschauerraum zu versammeln. Heute sind etwa 20 klatschende Linke gekommen. Abgesehen von den Prozessbeteiligten und den Beamten ist sonst niemand im Raum, insbesondere keine Presse.
S., die einen schwarzen Pulli, eine goldene Halskette und blond-gräuliche Haare trägt, winkt Richtung Zuschauerbereich. Ihre unausgeglichene Körpersprache und ihre hektischen, abrupten Bewegungen erinnern an den Typus Heidi Reichinnek. Als der 8. Strafsenat unter Vorsitz von Richter Stoll den Raum betritt, erhebt sich S. samt Sympathisantenkreis brav von den Bänken.
Es sind 32 Verhandlungstermine angesetzt. Momentan ist voraussichtlich Halbzeit. S. ist die erste Person, die in Deutschland wegen der Vorfälle in Budapest angeklagt wird. Weitere werden folgen. Bisher erregte der Prozessverlauf lediglich dadurch Aufsehen, dass der inhaftierten Studentin der mit 48.000 Euro dotierte Bundeskunstpreis verliehen werden sollte (FREILICH berichtete). Ihr Werk: Frauenhaare als Fußabtreter dargestellt. Nach öffentlichem Druck setzten die Verantwortlichen die Verleihung auf „ruhend“, bis ein rechtskräftiges Urteil feststeht.
Die Beweise
Ob es zu einer Verurteilung kommt, hängt von der Überzeugungskraft der derzeit im Verfahren aufgenommenen Beweise ab. Zahlreiche Videoaufnahmen, die zeigen sollen, wo und wann sich die Angeklagte mit ihrer Gruppe in Budapest aufgehalten hat, werden derzeit gesichtet. Das Netz der Kameras in Budapest ist verblüffend eng, angefangen vom Airbnb-Zimmer bis zur Tatörtlichkeit. Spezialisten der Polizei sind überzeugt, S. auf den Videos identifiziert zu haben. Asservate wie Schlagstöcke und ein Hammer mit Gummigriff – nicht zu verwechseln mit einem Gummihammer – werden in Augenschein genommen. Ärztliche Befunde der Opfer werden verlesen. Sie erlitten Knochenbrüche und blutende Wunden und leiden nach eigenen Angaben teilweise bis heute an den Folgen der Angriffe.
Der Hass der Schläger muss enorm gewesen sein. Zum Einsatz kamen sogenannte Aktionshandys, die unter Vorlage falscher Personalausweise und lediglich zur Abstimmung der Gruppe zur Verübung der Straftaten beschafft wurden. Die Organisation der international tätigen und vernetzten Bande hat mafiös-professionelle Züge. Die Systematik der Taten ist Terror-ähnlich.
S. scheint von den Berichten über die Verletzungen der Opfer unberührt zu sein. Eine nennenswerte Regung ist von ihr an dieser Stelle des Prozesses nicht zu erkennen. Streckenweise wirkt sie gelangweilt oder scheint genervt den Kopf in den Nacken zu lehnen. Was in ihr wirklich vorgeht, bleibt unklar. Abgesehen von ein paar Angaben zu ihren persönlichen Verhältnissen verweigert sie die Aussage.
Offene Fragen
Genauso nebulös bleiben Antworten auf weitere Fragen: Da wäre das ungeklärte Verhältnis der Bande, die in Budapest gewütet hat, zur Gruppe um Lina E. – besser bekannt als „Hammerbande“. E. wurde wegen mehrerer ähnlicher Taten in den neuen Bundesländern zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Versuchter Mord wurde E. bisher nicht zur Last gelegt, aber mittlerweile wird auch deshalb gegen sie ermittelt, weil sie in Roßlau (Elbe) eine Tat begangen haben soll. Es gibt offensichtlich Verbindungen und Parallelen zwischen der „Budapest-Bande“ und der „Hammerbande“, angefangen von der Verwendung ähnlicher Tatwerkzeuge – allen voran des Hammers – bis zu personellen Überschneidungen. So soll Johann G., der Ex-Verlobte von E., in Budapest dabei gewesen sein.
Im Unklaren bleibt auch die Frage, wie die Bande ihre Opfer ausgesucht hat. Wurden die Menschen in Budapest lange Zeit im Vorfeld ausgespäht, bevor zugeschlagen wurde, oder griff man wahllos Passanten an? Eine ungarische Online-Zeitung spricht von „willkürlich oder aufgrund ihrer Kleidung ausgewählten Opfern“. Eine Antifa-Seite hingegen versucht, sieben der Angegriffenen einen rechten Hintergrund nachzuweisen. Insgesamt wurden allerdings neun Personen verletzt, was dafür spricht, dass unter den Opfern zumindest zwei Menschen sind, die keinen Bezug zur rechten Szene hatten. Zu diesen zählt auch der ungarische Tabakverkäufer T., der auf einer Videoaufnahme zu sehen ist, die den Angriff auf ihn dokumentiert. Möglicherweise ist es Hanna S., die auf dem Video zu sehen ist, und T., der am Boden liegt, den Arm festhält, damit er sich nicht gegen seine Peiniger wehren kann.
Offene Aufarbeitung
Der Budapest/Hammerbande-Komplex wird noch im großen Umfang aufzuarbeiten sein. Insbesondere die Verstrickungen in das Geflecht staatlicher Förderungen und linker Parteien wären wichtiger Gegenstand einer breiten parlamentarischen und wissenschaftlichen Untersuchung. Die italienische Tatverdächtige im Budapest-Komplex, Ilaria Salis, zog im Jahr 2024 als Kandidatin des grün-linken Wahlbündnisses Alleanza Verdi e Sinistra (AVS) ins Europäische Parlament ein und ist nun Teil der Linksfraktion. Berichte über Antifa-Personen, die als Angestellte im öffentlichen Dienst – zum Beispiel an der Universitätsklinik Magdeburg – oder über Henry A. von der Stadtverwaltung Leipzig sensible Daten an die „Hammerbande“ weitergeleitet haben sollen, sind bisher kaum bekannt.
Bis es zu einer Aufarbeitung in den Parlamenten und der Wissenschaft kommt, wird die Justiz weiterhin tätig sein. Zunächst ist sie mit der Kunststudentin aus dem linken Szeneviertel Nürnberg-Gostenhof beschäftigt, die zurzeit im Gefängnis München-Stadelheim sitzt, wo auch das OLG in ihrem Fall aus Sicherheitsgründen tagt.