Bundeswehreinsatz im Roten Meer – Eskalation mit Ansage

Der Bundestag hat einen Marineeinsatz in den Gewässern der arabischen Halbinsel beschlossen. Der AfD-Bundestagsabgeordnete René Springer war zwölf Jahre Soldat auf Zeit bei der Marine und ein halbes Jahr im Afghanistaneinsatz. Er hat aus Gewissensgründen gegen die Operation Aspides gestimmt.

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26.2.2024
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Bundeswehreinsatz im Roten Meer – Eskalation mit Ansage
© IMAGO / BildFunkMV

Die Schifffahrt im Roten Meer ist aufgrund der Angriffe der vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen im Jemen stark eingeschränkt. Seit Mitte November attackiert die Miliz israelische, amerikanische und britische Handelsschiffe mit Raketen und Drohnen und bringt sie teilweise in ihre Gewalt. Deutsche Frachter waren bislang kein erklärtes Ziel der Huthi, die damit ein Ende der israelischen Militäroperation im Gazastreifen erzwingen wollen.

Erst kürzlich befanden die EU-Außenminister, dass die Attacken der Miliz eine Bedrohung für den EU-Handel seien und riefen die Marineoperation namens „Aspides“ ins Leben. Mindestens vier Kriegsschiffe mitsamt Begleitflugzeugen sowie Hubschraubern und Drohnen sollen Handelsschiffe vor Huthi-Angriffen schützen, ihnen Geleit geben und für Seeaufklärung sorgen. Der Bundestag hat nun mit großer Mehrheit beschlossen, dass sich die Bundeswehr mit bis zu 700 Soldaten und der Fregatte Hessen an dieser EU-Operation im Roten Meer beteiligt.

Verhöhnung des Parlaments könnte man es nennen, wenn die deutsche Fregatte „Hessen“ schwer aufgerüstet bereits zwei Wochen vor dem offiziellen Beschluss des Bundestages in See sticht und Kurs auf das Rote Meer nimmt. Die erste Debatte über den Mandatstext der Bundesregierung zum Einsatz der Parlamentsarmee in den fernen Gewässern Arabiens hat noch nicht begonnen, da steht Boris Pistorius – den Grundwehrdienst hat er immerhin geleistet – an Deck der Fregatte im Mittelmeer und beteuert, er könne „nicht ausschließen, dass auch die Fregatte Hessen direkt Ziel von Angriffen wird“. Die Besatzung nickt und schaut recht angespannt. Eine Erzählung des Ministers soll sie beruhigen: Die internationale Schifffahrt durch das Rote Meer werde gefährdet. Freie Handelswege seien im Interesse bundesdeutscher Wachstumsträume einer ohnehin komatösen Exportwirtschaft. Noch eine Motivation des Ministers: Die Bundeswehr verteidige im Roten Meer die „regelbasierte internationale Ordnung“. Ein Konstrukt also, das weder im Völkerrecht greifbar ist, noch im Eid Erwähnung findet, den die jungen deutschen Soldaten für den Dienst an der Waffe schwören: Verwirrung und Ratlosigkeit an Deck.

Unnötige Ausweitung des Einsatzgebiets und gefährliche Grautöne im Mandatstext

Die Angriffe der Huthi auf Handelsschiffe, die Israel über das Rote Meer mit allerlei Gütern versorgen oder einen Bezug zu den USA oder Großbritannien haben, sind klar auf das Gebiet des südlichen Roten Meeres und die Meerenge von Baab al-Mandab begrenzt. Einige Abgeordnete des Deutschen Bundestages staunten daher nicht schlecht, als sich im Antragstext der Bundesregierung nun sämtliche die arabische Halbinsel umschließende Gewässer als Einsatzgebiet für die Fregatte der Bundeswehr wiederfanden, darunter der Golf von Oman, die Straße von Hormus und der Persische Golf – also alle Küstengewässer des Iran umfassen. Der Verdacht liegt nahe, dass hier nicht die freie Schifffahrt oder internationale Handelswege verteidigt werden sollen, sondern eine gezielte Provokation gegenüber dem Iran vorbereitet wird. Dafür spricht zum einen, dass diese mysteriöse Ausdehnung des Operationsgebietes im Mandatstext der Bundesregierung nicht erklärt wird. Zum anderen wird eine zentrale völkerrechtliche Grundlage für das Durchfahren von Küstengewässern eines Staates außer Kraft gesetzt. Das Völkerrecht bestimmt eindeutig, dass es des Einverständnisses der Regierung des jeweiligen Anrainerstaates für ein Eindringen fremder Schiffe in seine Hoheitsgewässer bedarf. Im Mandatstext muss diese Zustimmung des Anrainerstaates nur noch „grundsätzlich“ erfolgen. Ein mögliches Einfallstor für völkerrechtswidrige Handlungen. Man stelle sich einmal vor, dass eine militärische Einheit des Westens ohne Zustimmung des Iran in sein zwölf Seemeilen umfassendes Küstenmeer eindringt. Die Eskalation ist vorprogrammiert.

Kaum wirtschaftliches Interesse

Im Antragstext der Bundesregierung heißt es, „der wirtschaftliche Schaden durch die Angriffe der Huthi-Miliz ist erheblich – auch für Deutschland“. Eine Behauptung, die zum aktuellen Zeitpunkt nicht belegbar ist und auch von führenden Wirtschaftsforschungsinstituten nicht bestätigt werden kann. So bemerkt das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW), dass „trotz merklichem Anstieg der Transportkosten keine spürbaren Folgen für die Verbraucherpreise in Europa zu erwarten“ seien. Außer einer „aktuell etwas längeren Lieferzeit für Produkte aus Fernost und erhöhten Frachtkosten, auf die sich das Containerschiffnetzwerk schnell einstellen dürfte, sind keine negativen Folgen für den weltweiten Handel zu erwarten“. Auch das Münchener ifo Institut stellt fest, dass „[d]ie Angriffe auf Handelsschiffe im Roten Meer […] im Moment keinen Einfluss auf die Versorgungslage mit Rohstoffen und Vorprodukten [haben]“. Unzweifelhaft verläuft durch das Rote Meer die zweitwichtigste Wasserstraße für den internationalen Seeverkehr. Rund zwölf Prozent des Welthandelsvolumens werden über diese Route abgewickelt, die insbesondere für den Öl- und Gasexport nach Europa und den Handel zwischen Asien und dem alten Kontinent von Bedeutung ist.

Der Binnenkonsum und die deutsche Exportwirtschaft scheinen also nicht sonderlich von den Einschränkungen betroffen zu sein. Zugleich zeichnet sich auch keine besondere internationale oder europäische Bereitschaft ab, im Roten Meer militärisch aktiv zu werden. Darauf wies der Hohe Beauftragte für Außen- und Sicherheitspolitik der EU, Josep Borrell, bereits hin: „Not all member states will be willing to participate but no one will obstruct“. Heißt: Von insgesamt 27 EU-Mitgliedsstaaten wird sich nur eine geringe Zahl (Deutschland, Frankreich, Italien, Griechenland und Belgien) überhaupt mit Soldaten und Militärgerät an der EU-Operation „EUNAVFOR ASPIDES“ beteiligen. Obgleich freie Seehandelswege auch für die chinesische Exportwirtschaft von hoher Bedeutung sind und China die Angriffe auf die zivile Schifffahrt im Roten Meer verurteilt hat, stimmte Peking weder der durch die USA eingebrachten Resolution im Sicherheitsrat zu – sondern glänzte durch Abwesenheit –, noch gibt es in China Überlegungen, eigene Militärschiffe zum Schutz chinesischer Frachter in das Rote Meer zu entsenden. Warum greifen China und andere exportabhängige asiatische Staaten nicht zu ähnlichen Maßnahmen wie die EU, zumal die Volksrepublik neben Frankreich, Italien, Japan und den USA im nahe gelegenen Dschibuti eine große Militärbasis unterhält?

Läuft alles auf eine Konfrontation mit dem Iran hinaus?

Bislang sind deutsche Handelsschiffe und Frachter von Staaten, die sich nicht am Konflikt im Nahen Osten beteiligen, von Angriffen der Huthi verschont geblieben. Aber wie reagieren die Rebellen darauf, wenn erst einmal die Fregatte der Bundeswehr vor Ort ist und Raketen oder Drohnen abfängt, die israelische, amerikanische oder britische Schiffe zum Ziel haben? Handelsschiffe derjenigen Staaten, die sich an der parallel von den USA geführten „Operation Prosperity Guardian“ mit Luftschlägen auf jemenitisches Staatsgebiet beteiligen, sind schon offiziell als Angriffsziel der jemenitischen Rebellen erklärt worden: „For our part, we do not intend to attack any party other than the Zionist, American and British enemies, because they are attacking us, and we do not have any intentions to target any internal party, unless it targets us to serve the Zionists.”

Und der Iran? Die Ausweitung des militärischen Einsatzgebietes auf erkennbar nicht relevante Seegebiete unmittelbar vor der Küste der Islamischen Republik, die nicht zur Abwehr der klar regional begrenzten Angriffe der Huthi im Roten Meer geeignet sind, könnte zu einer noch größeren Eskalation führen – zu einem direkten bewaffneten Konflikt mit dem Iran. Denn das „grundsätzlich“ mögliche Eindringen westlicher Militärschiffe in die Küstenmeere des Jemen oder Iran, selbst in friedlicher Absicht, könnten diese Staaten als Provokation als wahrnehmen. Wer versichert den Europäern, dass die iranische Staatsführung darin keine Bedrohung oder gar einen feindlichen Akt sehen könnte? Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte, dass sich an maritimen Provokationen Kriege entzünden. Mit der maßgeblich von der CIA vorbereiteten Aktion angeblicher Torpedo-Angriffe Nordvietnams auf das im Hafen von Tonkin liegende Kriegsschiff USS Maddox im Jahr 1964 begründeten die USA ihre Vergeltungsschläge gegen Nordvietnam. Jahre später, als der Vietnamkrieg bereits tausende Opfer gefordert hatte, stellte selbst das deutsche Magazin Der Spiegel fest, dass es einen solchen Torpedo-Angriff nie gab.

Verbale Vorboten einer Eskalation

In der ersten Debatte um das Mandat im Bundestag machten Politiker der etablierten Parteien bereits deutlich, dass die Zeichen auf Eskalation stehen. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union, Johann Wadephul, forderte in einem Anflug von Überheblichkeit für die Zukunft ein unilaterales Handeln Deutschlands, da man bei einem solchen wichtigen Einsatz nicht auf die EU warten dürfe. Kurz darauf gab er dann aber zu, dass die Marine die von den Huthi und dem Iran in der Region verursachten Probleme „natürlich in keiner Weise lösen“ werde. Deswegen müsse nun „Schluss sein mit Diplomatie“. Dabei hat es zu keiner Zeit eine erkennbare diplomatische Offensive der Bundesregierung oder der Unions-Opposition in Richtung Jemen oder Iran gegeben, sondern lediglich verbale Ausfälle und Drohungen. Im Gegensatz dazu scheint die chinesische Führung mit den Huthi verhandelt und eine stille Übereinkunft erzielt zu haben, die den chinesischen Handelsschiffen freie und sichere Fahrt durch das Rote Meer ermöglicht. Worte statt Waffen hätten auch der Bundesregierung gut zu Gesicht gestanden. Doch Diplomatie setzt eine kluge Staatsführung voraus.


Zur Person:

René Springer ist ein deutscher AfD-Politiker aus Ost-Berlin. Seit der Bundestagswahl 2017 ist der Elektrotechnik-Meister und studierte Politologe Mitglied des Deutschen Bundestages und seit Mai 2020 Sprecher für Arbeit und Soziales der AfD-Bundestagsfraktion.

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