Bundesparteitag der SPD: Eine Partei schafft sich ab 

Am vergangenen Wochenende trafen sich die Delegierten der SPD zu ihrem Bundesparteitag in Berlin. Während Kevin Kühnert gegenüber der Presse von einem Erfolg spricht, attestiert Julian Marius Plutz den SPD-Delegierten in seinem Kommentar für FREILICH einen offensichtlichen Realitätsverlust.

Kommentar von
11.12.2023
/
2 Minuten Lesezeit
Bundesparteitag der SPD: Eine Partei schafft sich ab 
Julian Marius Plutz

Wenn man den großen Medien glaubt, war der Parteitag der SPD einer der größten und erfolgreichsten in der Geschichte. Doch nicht etwa in Franken, sondern in Berlin trafen sich die Delegierten der deutschen Sozialdemokratie, um über die Zukunft dieses Landes zu debattieren. So ist sich n-tv sicher, dass Kanzler Scholz „Wärme ausstrahlen kann“. In das gleiche brillante, thermische Bild reiht sich die Zeit ein, die „plötzlich diese Wärme“ gespürt haben will.

Ja, ja, Wärme im Dezember. Ist das schon der Klimawandel, oder handelt es sich um ein vorweihnachtliches Gefühl, das von allen katastrophalen Umfragen ablenken soll? Wie dem auch sei, alle schienen sich wohl zu fühlen. So auch Kevin Kühnert. Einst – Stichwort Vorweihnachtszeit – als Juso-Chef die Parole „An Nikolaus ist Groko-Aus“ propagierte und mit dieser Kampagne trotz fragwürdiger Gewinnung von neuen Mitgliedern scheiterte, wurde im Amt des Generalsekretärs bestätigt. 92,55 Prozent für ein formidables „Weiter so“. Traumschön. Angela wäre stolz.

Die Delegierten- und die Mitglieder-SPD

Arg auf Parteilinie gebürstet wirkt der heute 34-Jährige. „Wir werden siegen, aber nicht von alleine, sondern nur, wenn wir uns zusammenreißen und gemeinsam aus diesem Loch herauskommen“, ist sich der ehemalige Call-Center-Mitarbeiter sicher. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt; am Ende aber stirbt sie. Ganz besonders in einer Zeit, in der, neben vielen Medien, auch die Delegierten der SPD ganz offensichtlich den Bezug zur Realität verloren haben. So fordert Kühnert allen Ernstes die Abschaffung von Grenzschutz. Da bleibt der Juso-Satz „Das Vaterland interessiert mich nicht die Bohne“ weiterhin fester Bestandteil der politischen DNA der Sozialdemokratie.

Wenn ein Kanzler mit schlechten Umfragewerten, die selbst Demoskopen noch nicht kannten, von einer Partei für eine mittelmäßige, dafür besonders warme Rede gelobt wird, dann läuft etwas gehörig schief. Helmut Schmidt hatte völlig recht, als er einst meinte, es gäbe zwei Parteien: „Die Delegierten-SPD und die Mitglieder-SPD“. An diesem Wochenende hat die Delegierten-Partei gezeigt, dass sie vom Volk weiter weg ist, als Olaf Scholz von einer guten Rede, Olaf Scholz von einer mitreißenden Rede oder Olaf Scholz mit einer Rede, an die sich nach 90 Minuten überhaupt noch jemand erinnern kann.

Parteien sind Mittel zum Zweck - und die SPD ist ihr eigenes Mittel

Dafür sprach Dario Schramm, Juso, laut Vorwärts „die Stimme der Schüler*innen mit SPD-Herz“ – da wird es wieder Warm um die Pumpe – und Michael Roth. Der Bundestagsabgeordneter gilt als besonders engagiert, wenn es um Waffenlieferungen an die  Ukraine geht. Im ersten Wahlgang für das Präsidium scheiterte er, ganz zur Freude einiger Delegierter, die in frenetischen Jubel ausbrachen. Den zweiten Wahlgang schenkte er sich ganz und verzichtete auf eine erneute Kandidatur.

Diese drei Tage haben das Ende der Partei besiegelt. Da helfen auch keine geneigten Medien, die der SPD hinterhertrauern, als sie noch zu Dingen stand, die auch weite Teile der Bevölkerung vertreten konnten. Offene Grenzen, Schuldenmachen und einen ausweglosen Krieg zu unterstützen, sind längst keine Themen mehr, die für Wahlerfolge stehen.

Parteien sind Mittel zum Zweck für gute Politik. Die SPD ist längst ihr eigenes Mittel geworden, im Kampf gegen ihre selbst geschaffene Bedeutungslosigkeit. Man wird ihr, außer denjenigen, die mit der Sozialdemokratie Geld verdienen, nicht hinterhertrauern. Insofern lesen sich die Artikel in der FAZ, der Zeit und bei n-tv eher wie Nachrufe. Die SPD ist eine Partei, die sich selbst abgeschafft hat.


Zur Person:

Julian Marius Plutz, 1987 geboren, ist freier Journalist und schreibt unter anderem für die Achse des Guten, TheGermanZ und die Jüdische Rundschau.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.