Jungeuropa-Verlagsleiter Philip Stein: „Wir machen (fast) alles so, wie uns die Nase gewachsen ist“

Philip Stein ist Verleger und leitet den aufstrebenden konservativen Jungeuropa Verlag. Im Gespräch mit Freilich spricht Stein über das Jahr 2022 und aktuelle Probleme – und über das kommende Programm.
Interview von
20.11.2022
/
6 Minuten Lesezeit

Freilich: Herr Stein, obwohl das Jahr noch nicht zu Ende ist, kann man als Außenbetrachter bei einem Blick auf das Jahr 2022 und Jungeuropa schon von einem relativ erfolgreichen Jahr sprechen. Eine neue Reihe („Fundamente“) wurde gestartet, ein erfolgreicher Lesertreff veranstaltet und manche Bücher gingen direkt in die zweite Auflage. Können Sie also zufrieden auf das Jahr blicken?

Philip Stein: Am Anfang einer solchen Bewertung muss natürlich immer die Frage stehen, was der Gradmesser für Erfolg ist, also welche Kriterien hier eine Rolle spielen. Ein Gros der Leser wie auch der Unternehmer bzw. Selbstständigen würde hier vermutlich wirtschaftliches Wachstum als Maßstab setzen. Dieser Einschätzung folgend, müssen sowohl das letzte als auch das laufende Jahr in der Tat als großer Erfolg gewertet werden. Wir sind in den letzten zwei Jahren, was den Umsatz betrifft, um über 100 Prozent gewachsen. Das ist grundsätzlich eine sehr gute Sache – bringt aber auch Aufgaben und Probleme mit sich. Aktuell sind wir dabei sicherzustellen, dass auch unsere Lager- und Versandkapazitäten in diesem Ausmaß mitwachsen können.

Es ist, so verrückt das klingen mag, als kleines Unternehmen oft schwierig, diese Kapazitäten so zügig auszubauen, wie es das wirtschaftliche Wachstum erfordert. Kurzum: Aktuell schaffen wir mehr Lagerraum, mehr Büroräume, kaufen größere Bestände an Versandmaterial auf uvm. So ein „Umbau“ umfasst ja im Idealfall auch die Optimierung von zentralen Prozessen, etwa der Frage, wie die Ware nach dem Bestelleingang „abgewickelt“, also verpackt, frankiert und versendet wird. Einige unserer treuen Leser erinnern sich vielleicht noch an die selbstgeschriebenen Adressetiketten, die wir bis vor zwei Jahren noch „in Betrieb“ hatten. Viele Kundennamen kann ich bis heute mit einer konkreten Adresse aufsagen …

Was die Entwicklung unseres Programms betrifft, bin ich grundsätzlich auch zufrieden. Wobei wir dieses Jahr schon wieder zwei wichtige Titel schieben mussten – das nun angekündigte „Den Westen brechen“, das eigentlich zu Weihnachten erscheinen sollte, sowie ein Buch aus dem Russischen, geschrieben von Zakhar Prilepin, einem echten „Star“ der russischen Literatur. Klar, das hätte beides in diesem Jahr noch gut gepasst, also rein thematisch. Aber so ist das bei einem kleinen Verlag, der mit ein, zwei „Flaschenhälsen“ zu kämpfen hat. Wir würden gerne noch mehr Bücher machen, die Liste für 2023 ist schon wieder wahnsinnig voll. Das ist unser Kerngeschäft, hier wollen wir zulegen – und haben das in den letzten Jahren auch kontinuierlich getan.

Daneben gibt es noch viele weitere Projekte, die zum Verlag gehören, die leider aktuell auf der Strecke bleiben. Eines davon ist zum Beispiel eine große, bereits geplante und besprochene Dokumentation über Alain de Benoist. Wir haben, wie viele Leser wissen, dieses Jahr darüber hinaus noch das einzige rechte Front-Tagebuch aus der Ukraine geführt. Derlei „läuft so mit“, kostet aber auch viel Kraft und Zeit. Unterm Strich geht derzeit aber alles mit Volldampf voran. Jetzt gilt es, über die ersten festen Mitarbeiter nachzudenken. Dafür fehlt aber aktuell noch das Geld. Förderer? Irgendwo? Gerne melden!

Während andere Verlage stagnieren, startet Jungeuropa durch und ist angesagt. Der – salopp gesagt –  „heiße Scheiß“ für junge Leser scheint mittlerweile aus dem Hause Jungeuropa zu kommen. Was macht Ihr Verlag anders oder besser?  

Wir machen (fast) alles so, wie uns die Nase gewachsen ist – ohne Rücksicht auf Verluste. Das ist sicher einer der „Schlüssel“ dafür, dass wir aktuell durchaus „angesagt“ sind, wie Sie sagen. Wir verlieren Kunden, weil wir „Marx von rechts“ verlegen? Dann ist das eben so. Irgendwem passt unsere Venner-Begeisterung nicht, weil er den Knast von innen gesehen hat? Gute Reise! Jemand fühlt sich beleidigt, weil wir den Liberalismus und Kapitalismus angreifen und ausgetretene Pfade verlassen? Es gibt noch andere Verlage, wo du kaufen kannst! Diese grundsätzliche Einstellung prägt unser Verlagsprogramm seit jeher. Wir machen genau die Bücher, die wir machen wollen – mit ganz wenigen Ausnahmen, also Kompromissen. Das ganze Projekt „Jungeuropa“ ist – und bleibt hoffentlich noch lange – eine echte Leidenschaft junger idealistischer Männer. Manche von uns haben einen guten Riecher für gute Bücher – ganz simpel, oder?

Mit welchen Problemen musste Jungeuropa in diesem Jahr umgehen? Rechnen Sie mit schwereren Jahren? Haben Sie Sorgen, dass zum Beispiel gestiegene Papierpreise die Kosten für die Bücher so steigen lassen, dass Leser abspringen oder das Verlagswesen unwirtschaftlich macht?

Das Problem hat einen konkreten Namen: die Zeit. Wie ein Teil der Leser wissen müsste, sind sowohl meine Mitstreiter im Verlag als auch ich selbst an verschiedenen Fronten aktiv. Unser Problem sind weniger die steigenden Materialpreise (übrigens auch in den Bereichen „Verpackung“ und „Versand“) oder die fehlende Kaufkraft als die „freie“, für Bücher verplante Arbeitszeit. Wir sind jetzt an einem Punkt angelangt, der ein echter Scheideweg ist: den aktuellen Stand halten oder weiter wachsen – vermutlich auf Kosten anderer Projekte. Ob das ein „Luxusproblem“ ist, wird sich noch zeigen.

Mit den anderen Problemen, die alle Verlage gewissermaßen betreffen, werden wir derzeit ganz gut fertig. Ich rechne eigentlich nicht wirklich mit besonders schweren Jahren; man muss eben die Fähigkeit besitzen, sich notfalls anzupassen an aktuelle Entwicklungen. Ideen haben wir genug, eigentlich viel zu viele.

Der Verlag wird auch skeptisch betrachtet – manche Kritiker meinen, Jungeuropa würde „ja nur alte Bücher nehmen, sie mit einem Vor- und Nachwort versehen und für viel Geld verkaufen“. Andere kritisieren die Programmauswahl, die vor allem mit faschistischer Symbolik spiele. Herr Stein, was entgegnen Sie solcher Kritik?

Kein rechter Verlag in Deutschland übersetzt so viele Bücher wie wir, und selbst links der „Mitte“ müssen wir keine Vergleiche scheuen. Kurzum: Jeder, der ein wenig Ahnung vom „Geschäft“ hat, etwa was es bedeutet, eine Übersetzung druckreif zu kriegen und am Ende auch mit Gewinn zu verkaufen, kann über derlei „Kritik“ nur lachen. (lacht).

Mit der Fundamente-Schriftenreihe will der Verlag den Lesern einen Einstieg in die konservative Weltanschauung bieten. Die ersten vier Bände wurden bereits veröffentlicht – wie ist die Resonanz? Möchten Sie vielleicht schon verraten, wie die Reihe 2023 fortgesetzt wird?

Die Resonanz ist schlechter als erwartet. Das bedeutet nicht, dass die Reihe nicht verkauft oder gelesen wird, aber sie bleibt dennoch etwas hinter unseren Erwartungen zurück. Woran das liegt, weiß ich aktuell noch nicht so wirklich. Weiter geht es jedenfalls mit einem echten Aufreger: einem Band über den Islam und die (falsche) „patriotische“ Kritik an ihm – so der junge deutsche Autor, der sich Dr. Dr. Thor v. Waldstein als Sekundant (Vorwort) zur Seite geholt hat. Wird spannend – und kontrovers!

Apropos 2023 – auf was kann sich der Leser nächstes Jahr freuen? Plaudern Sie ruhig aus dem Nähkästchen!

Benoist, Prilepin und den Islam-Band habe ich schon erwähnt, hinzu kommen Bücher aus Ungarn, der Türkei, Tschechien, den USA, eine große Überraschung aus Frankreich (ähnlich dem kleinen Onfray-Coup damals), Drieu la Rochelle und ein Buch zum Spanischen Bürgerkrieg. Wenn wir wirklich alles schaffen, sind das elf Bücher.

Auch abseits der alltäglichen Verlagsarbeit konnte der Jungeuropa Verlag neue Erfahrungen sammeln. Der Verlag wurde zum Beispiel aufgrund einer möglichen Namensverwechselung verklagt, während er zivilrechtlich gegen eine schwarze Aktivistin vorging, die Ihnen einen vermeintlichen Mordaufruf in die Schuhe schob. Haben Sie solche Aktionen erwartet, als Sie vor ein paar Jahren den Verlag starteten? Wie kräftezehrend sind solche Nebenschauplätze?

Ich habe 2016 nicht wirklich darüber nachgedacht, nein. Dass man als Rechter höllisch aufpassen muss, keine Fehler zu machen, die juristisch belangt werden könnten (Stichwort: zweierlei Maß), ist jedem klar. Man rechnet zwar mit verrückten Angriffen von ebenso verrückten Leuten, doch die Realität ist dann oft noch absurder als gedacht. Klar, das ist kräftezehrend. Bisher haben wir hier aber eine gute Bilanz. Ich bin optimistisch. Die Solidarität unserer Leser ist darüber hinaus phänomenal. Jede Klage birgt auch das Potential, einen stärker und bekannter zu machen. Oder, Jasmina?

Vielen Dank!


Zur Person:

Philip Stein ist Verleger und Leiter des Bürgernetzwerkes „Ein Prozent“. Der gebürtige Hesse wurde 1991 in Fritzlar geboren und lebt nun mit seiner Familie in Dresden.


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