Der Fall „Anastasia Rose“: Wer dient hier eigentlich wem?

Der Fall der Bundeswehr-Soldatin „Anastasia Rose“, die während ihrer Krankschreibung als DJane auflegte, sagt viel aus über den Zustand von Bundeswehr und Gesellschaft.
Kommentar von
11.12.2022
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3 Minuten Lesezeit

Auf ihrer Instagram-Seite posiert die 27-jährige Berufssoldatin, die sich als DJane „Anastasia Rose“ nennt, mit einem Flammenwerfer – einer inzwischen als geächtet geltenden Kriegswaffe. Das betreffende Foto ist „angepinnt“, also an obiger Stelle fixiert, so dass es bei neuen Postings nicht „nach unten rutscht“ und aus dem Blick gerät. Der Beobachter realisiert: Das Soldatenhandwerk ist hier ein Marketing-Element. Eines, das ihr, liest man die oben verlinkten Vorwürfe gegen die Entertainerin, dabei faktisch nicht halb so wichtig zu sein scheint wie die Tätigkeit, für die sie damit mindestens indirekt wirbt.

Der Fall an sich klingt zunächst einmal „nur“ auf amüsante Weise ärgerlich. Doch man geht fehl, sieht man ihn bloß als kuriose Meldung am Rande. Vielmehr kann man die Meldung als symptomatisch für den Zustand der Bundeswehr ansehen. In einem Land, in dem sich über Jahre hinweg Verteidigungsministerinnen lieber mit Gender-Ideologisierung und LGBT-Nischenpolitik befasst haben als mit einer vernünftigen Ausstattung der Truppe, in dem lieber Jagd auf vermeintliche Rechtsextreme in der Bundeswehr gemacht wird anstatt anzuerkennen, dass Militär immer auch zwingend auf konservative Werte angewiesen ist – in einem solchen Land ist ein Fall wie dieser alles andere als überraschend.

Von Linken bis hin zu Liberalen mögen es viele ungern hören: Es besteht ein Spannungsfeld zwischen konservativen Werten einerseits und liberal-individualistischen andererseits. Die freie Entfaltung des Individuums ist Grundbestandteil einer freiheitlich-demokratischen Ordnung, findet aber im Militärdienst notgedrungen ihre Grenzen. Mit diesem Spannungsfeld haben wir es hier zu tun: Eine Gesellschaft, die ihren Wertekorridor so weit in Richtung Radikalindividualismus verschoben hat, dass eine jede Selbstdefinition, so absurd sie auch immer sein mag, als solche von der Gesellschaft anerkannt werden muss, bringt fast automatisch auch Individuen hervor, die ihr eigenes Wohl über das einer Gemeinschaft stellen, der zu dienen sie sich verpflichtet haben. Eine Entwicklung, die unsere innere und äußere Sicherheit auf Dauer schleichend sabotiert, da sie den Werten Disziplin, Pflichtgefühl und Gemeinschaftlichkeit schrittweise die Grundlagen entzieht.

Soziale Netzwerke wie Instagram oder Tiktok fungieren als Motor dieser Entwicklung: In vielen Nutzern dominiert der Drang zur Selbstdarstellung. Darin übertreffen beide Anbieter noch die älteren Modelle wie Facebook oder Twitter, die textbasierter und daher weniger oberflächlich funktionieren. Bei Instagram und Tiktok hingegen stehen Äußerlichkeiten im Mittelpunkt: Follower gewinnt, wer sich selbst (gerade optisch) gut darstellt. Lässt sich damit irgendwann auch noch finanzieller Gewinn erzielen, so ist jeder zusätzliche Klick, jeder zusätzliche Follower auch Geld wert. Gleiches gilt für die mediale Aufmerksamkeit: Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass der Tagesspiegel am Ende seines Berichtes gleich noch einen Veranstaltungshinweis zu der „Bundeswehr-DJane“ mitliefert.

Unweigerlich gelangt man zu der Frage: Wer dient hier eigentlich wem? Der berühmte Satz von John F. Kennedy „Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann – fragt, was ihr für euer Land tun könnt“ wird durch solche Entwicklungen in sein Gegenteil verkehrt. Der Dienst an der Gemeinschaft wird zu einer Art Accessoire für die individuelle Selbstdarstellung, zu einer Art ästhetischem Werkzeug. Hier der schöne neue Mantel, da das schicke Handtäschchen, dort der Dienst in der Bundeswehr, der das Posen mit dem Flammenwerfer (scheinbar) besonders glaubwürdig macht und beim Follower Assoziationen an gutaussehende Hollywood-Actionfilm-Heldinnen weckt. Der Militärdienst als Glamour-Faktor.

Manch einer wird angesichts der Story aus Berlin geschmunzelt oder genervt mit den Augen gerollt haben. Aber festzuhalten bleibt: Das zugrundeliegende Problem ist tieferer, ja struktureller Natur. Fazit muss sein: Wir brauchen einen ganz grundlegenden Wertewandel, um unser Land endlich wieder effektiv schützen zu können und den Zusammenhalt der Gesellschaft zu stärken.


Zur Person:

Martin Reichardt ist Landesvorsitzender der AfD Sachsen-Anhalt, Mitglied des AfD-Bundesvorstands, Bundestagsabgeordneter und familienpolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion und diente von 1996 bis 2001 als Bundeswehr-Offizier.

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