Alarmierende Studie: Fast jeder dritte Erwachsene in Österreich hat Leseschwierigkeiten
Immer mehr Erwachsene in Österreich haben Probleme mit dem Lesen. Die Gründe dafür sind vielfältig.
Wien. – Die aktuelle PIAAC-Studie der OECD zeigt, dass in Österreich 29 Prozent der Erwachsenen Schwierigkeiten beim Lesen haben. Diese Zahlen spiegeln die Ergebnisse eines Tests wider, der die Lesekompetenz von Erwachsenen in 31 OECD-Ländern untersucht. Besonders auffällig ist, dass sich der Anteil der Personen mit Leseschwierigkeiten in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt hat.
Ein Drittel kann nur einfache Texte lesen
Die Studie zeigt, dass 29 Prozent der befragten Erwachsenen in Österreich höchstens einfachste Leseaufgaben bewältigen können, was der Kompetenzstufe 1 oder darunter entspricht. Im internationalen Vergleich liegt Österreich mit durchschnittlich 26 Prozent leicht darüber. Das bedeutet, dass rund 1,7 Millionen Erwachsene Schwierigkeiten beim Lesen haben, das sind um 700.000 Personen mehr als 2013. Besonders betroffen sind die älteren Altersgruppen, vor allem 46 Prozent der 55- bis 65-Jährigen.
Vielfältige Faktoren spielen eine Rolle
Die Ursachen für diese Entwicklung sind vielfältig, betonen die Experten. OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher weist darauf hin, dass der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund in Österreich ein Faktor sei, der aber nicht überbewertet werden dürfe. Die Studie zeige, dass es bei Migranten der zweiten Generation kaum Unterschiede in der Lesekompetenz im Vergleich zu Personen ohne Migrationshintergrund gebe.
Sonja Muckenhuber, Leiterin der Zentralen Beratungsstelle für Basisbildung, erklärt, dass die Probleme oft auf eine Vielzahl ungünstiger Umstände zurückzuführen sind. „Probleme beim Lesen haben nichts mit Intelligenz zu tun“, betont sie. Viele Betroffene kommen aus Familien, in denen Lesen nicht groß geschrieben wird. Wenn Eltern nicht lesen können, haben auch ihre Kinder oft Nachteile, etwa beim Verstehen von Informationsbriefen oder beim Einhalten von Schulterminen.
Gemeinsam gegen Leseprobleme vorgehen
Die Schule könne diese Probleme nur teilweise lösen, da die Klassen zu groß seien, um auf individuelle Bedürfnisse einzugehen, so Muckenhuber. Außerdem funktioniere nicht jede Leselernmethode bei jedem Kind. Daher sei es wichtig, dass auch die Eltern aktiv werden. Ein häufiges Problem sei, dass Leseprobleme in der Schule oft nicht rechtzeitig erkannt würden.
Für Erwachsene mit Leseschwierigkeiten kann das Fehlen grundlegender Lesefähigkeiten schwerwiegende Folgen haben. Muckenhuber berichtet von Fällen, in denen Betroffene Termine beim Arbeitsmarktservice (AMS) versäumten, weil sie die Einladungen nicht lesen konnten. Im Extremfall zögen sich die Betroffenen aus Scham zurück und isolierten sich, was bis zum Verlust des Arbeitsplatzes führen könne.
Wunsch nach Entstigmatisierung
Muckenhuber fordert eine Entstigmatisierung des Themas. Viele Erwachsene mit Leseschwierigkeiten seien beruflich durchaus erfolgreich. Ihre Forderung: Ein unverkrampfter Umgang mit dem Thema könnte es ermöglichen, gezielt Bildungsangebote für Erwachsene zu fördern. In kleinen Gruppen und mit Materialien, die auf die Interessen der Teilnehmer abgestimmt sind, seien schnelle Fortschritte beim Lesenlernen möglich.