Freilich #35: Und tschüss!

Vom Hörsaal ins Freikorps: Der Einsatz von Studentenverbänden in Thüringen

Die Nachwehen der Revolution von 1918 und die erdrückenden Auflagen des Versailler Friedensvertrags sorgten im gesamten Deutschen Reich für Unmut. Ein Buch beleuchtet besonders die Rolle von Verbindungsstudenten im Kampf um die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung in den krisenreichen 1920er-Jahren.

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Vom Hörsaal ins Freikorps: Der Einsatz von Studentenverbänden in Thüringen

Demonstranten beim Kapp-Putsch 1920 am Potsdamer Platz.

© IMAGO / GRANGER Historical Picture Archive

Für die Frühphase der Weimarer Republik hat die Geschichtskultur der Bundesrepublik heute ein klares Bild: Kämpfe von rechts und links gegen die junge Demokratie sowie die generelle Empörung über die Annahme der Versailler Friedensbestimmungen trafen auf eine republikkritische bis offen feindliche Verwaltung und sorgten so für eine dauerhafte Schwächung der demokratischen Institutionen. Besonders mit Schuld beladen sind laut diesem Bild die bürgerlichen Kreise und die Akademiker, die der Weimarer Republik nicht nur ihre Unterstützung versagt, sondern sich der erstbesten totalitären Ideologie angedient haben, die ihnen entgegenzukommen versprach. Diese Sichtweise wird zumindest aus dem Historiker-Milieu der Parteien von der SPD bis zur Linken bis heute in die Bildungsministerien getragen.

Umso erfrischender ist es, wenn sich Forscher mit eigenen Untersuchungen gegen diese einseitige Verzerrung der Geschichte stellen. Ein Beispiel ist der spätberufene Historiker Dr. Bernhard Schroeter, der sich in seiner Abhandlung „Marburger Studenten im Freikorps-Einsatz in Thüringen und die Ereignisse von Mechterstädt“ mit einem der kontroversesten Themen der Zwischenkriegszeit beschäftigt. Beim sogenannten „Massaker von Mechterstädt“ vom 25. März 1920 wurden 15 Mitglieder einer kommunistischen Putschistengruppe getötet, die während der Gefechte mit dem Studentenkorps Marburg (StuKoMa) an den Vorträgen festgenommen wurden.

Direkt nach Bekanntwerden der Ereignisse begann die linke Publizistik, diese in eine antibürgerliche, antisoldatische und vor allem auch antiburschenschaftliche Erzählung einzubetten. Allein die dringend notwendige Gegen- beziehungsweise Ergänzungsdarstellung wäre Grund genug für Schroeters Buch gewesen. Er beginnt seine Erzählung jedoch bereits vor der Aushebung des StuKoMa und beschreibt detailliert die Situation in Thüringen und Marburg seit der Novemberrevolution. Dadurch gelingt ihm eine fast nahtlose Verbindung von Regional-, National- und Sozialgeschichte des Studentenmilieus. Somit ist der Text auch für Interessierte nur eines dieser Gebiete sehr ansprechend.

Gelassen in den Widerstand

Die Stärke von Schroeters Erzählung besteht klar in seiner Art „sine ira et studio“, die Ereignisse vom roten Terror, des Kapp-Putsches und die Geschehnisse von Mechterstädt, in ausgeglichener Art und Weise zu schildern. Entgegen dem Zeitgeist führt der Autor eine Kulturtechnik vor, die der politisierten Erinnerungskultur in Deutschland abhandengekommen ist: die Historisierung eines Ereignisses, also dessen Übertritt vom Gegenstand des Zeitgeschehens in das Reich der Geschichte, der Vergangenheit. Das linke Denken lässt diesen Prozess nicht zu: Die Vergangenheit muss zwangsläufig schlecht sein und die Gegenwart ein vergiftetes Geschenk, gegen das man Sturm laufen muss, um den Menschen zu erheben. Genug des Exkurses, den auch Schroeter nur kurz in den Schlussbemerkungen aufgreift. 

Experten- und Laienlektüre?

Welches Anliegen verfolgt das Buch? Spürbar wichtig werden in den Darstellungen des Autors folgende Punkte: 1) Die studentischen Freikoprs waren keine protofaschistische Mörderbanden. 2) Diese Freikorps kämpften explizit gegen die Spartakisten, um die Republik zu erhalten (für die mehrheitssozialistische Reichsregierung). Und 3): Der Schusswaffengebrauch der Mitglieder des StuKoMa bei Mechterstädt entsprach den damaligen Richtlinien, war aber keine geplante Mordaktion an den kommunistischen Aufständischen in Thüringen.

Mit dieser Haltung steht Schroeter – selbsterkennend – gegenüber den meisten seiner Kollegen für eine Minderheitenmeinung. Die kritische Quellenanalyse gehört für sein Buch jedoch in das Reich der Geschichtswissenschaft, für den Laien wartet er mit einer interessanten Erzählung aus einer Zeit auf, die manchem sehr fern, aber auch einigen ganz nah erscheint. Dr. Bernhard Schroeters „Marburger Studenten im Freikorps-Einsatz“, erschienen im WJK-Verlag, wird bereits jetzt als Standardwerk für die Rolle der Studentenverbindungen in der Zwischenkriegszeit gehandelt und sollte in keinem korporierten Bücherschrank fehlen. 

Über den Autor

Mike Gutsing

Mike Gutsing, Jahrgang 1999, hat Geschichte studiert und lebt in Mitteldeutschland. Das besondere Interesse des Korporierten gilt der deutschen Geschichte und Kultur.

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