Hamas vs. Israel und Mogadischu vs. Falludscha: Zweierlei Rollenmodelle

In der Nacht vom 3. auf den 4. Oktober 1993 fand am Horn von Afrika eine Schlacht statt, die im Verhältnis zur Größe der beteiligten Verbände eine ungleich größere Wirkung in der Nachbetrachtung, in den „Lessons Learned“ und in den Einsatzdoktrinen hatte – sowohl für die konventionellen Streitkräfte als auch für die kommenden Warlords, Insurgenten oder Terrormilizen.

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Hamas vs. Israel und Mogadischu vs. Falludscha: Zweierlei Rollenmodelle

Der israelische Premierminister Benjamin Netanyahu zu Besuch bei Soldaten. (Symbolbild)

© IMAGO / ZUMA Wire

Von nun an sollte die Clinton-Administration den Einsatz von Bodentruppen scheuen und begrenzten Luftangriffen den Vorzug geben; nachdem al-Qaida den umgekehrten Schluss gezogen hatte, um den Terror ins Herz des Westens zu tragen und so den Feind auf das eigene Territorium zu locken. Die Regierung Bush jun. nahm den Fehdehandschuh bewusst auf und entschloss sich zu umfassenden Strafexpeditionen. „Boots on the Ground“ („Stiefel am Boden“) und „Clear and Hold“ („Säubern und sichern“) wurden zur Doktrin der „Counter Insurgency“, der Aufstandsbekämpfung – später adaptiert durch Kontinentalstreitkräfte und Hilfstruppen.

Angesichts des bevorstehenden Krieges im Nahen Osten scheint sich eine teilweise Wiederholung anzubahnen. Die Hamas, strategisch festgesetzt im Gazastreifen, hat zu einem möglichst provozierenden Schlag ausgeholt, mit der Absicht, bei dem zu erwartenden Gegenangriff auf eigenem Terrain ein riesiges Mogadischu zu schlagen. Wohingegen Israel, in Ermangelung von Kontinentaldegen oder Auxiliarkohorten, ein riesiges Falludscha austragen muss.

In Unkenntnis des Kriegsrechts und vergangener militärischer Konflikte wurde die westliche Öffentlichkeit durch Superlativen an dämonisierenden Beschreibungen der Kollateralschäden wie des Einsatzes von Fernwaffen gegen strategische Infrastruktur während des Ukrainekrieges teils bewusst, teils unbewusst irregeführt. Dadurch wurde das Massaker beziehungsweise das regelrechte Gemetzel der Hamas wiederum relativiert. Die Fortsetzung besagter Unkenntnis bei Israels Antwort stellt keine gewagte Prognose dar. Letztendlich beabsichtigte die Hamas, ein zweites Mogadischu zu provozieren, dürfte jedoch vielmehr ein zweites Falludscha ernten.

„Tag der Rangers“ – „Schlacht um das schwarze Meer“

Der 3. Oktober 1993 ging auf Seiten der USA als die „Schlacht um das schwarze Meer“ in die Militärhistorie ein. Benannt nach dem Stadtteil Mogadischus, wo der Schwerpunkt der Kämpfe stattgefunden hat. Intern trug die Operation den Namen „Irene“ als Startschuss und „Gothic Serpent“ als Gesamtes. Die Somalier wiederum erinnern sich an den „Maalintii Rangers“ – den „Tag der Ranger“.

Um den Warlord Mohammed Farah Aidid – verantwortlich für die Ermordung von 23 pakistanischen Blauhelmsoldaten – zu fassen, sollte am Nachmittag eine gemeinsame Operation von Soldaten der Delta Force und des 75th Ranger Regiments stattfinden. Die Kommandosoldaten der Delta Force sollten sich aus MH-6 Little Birds abseilen und Aidid und seine Gefolgsleute im Zielgebäude gefangen nehmen.

Zur Bedeckung seilten sich Rangers aus UH-60 Black Hawk Hubschraubern ab und sicherten die Ecken des Zielgebäudes. Ein erster Konvoi von Rangers sollte die Gefangenen in das Hauptquartier der US-Truppen am Flughafen bringen – südwestlich des Einsatzortes. Die verbliebenen Männer der Delta Force und der Rangers sollten mit einem zweiten Konvoi abrücken.

Die erste Phase des Plans konnte umgesetzt werden. Allerdings befand sich Aidid nicht unter den Gefangenen, sondern nur Gefolgsleute. Die zweite Phase wurde durch den Abschuss zweier UH-60 durch Panzerabwehr-Granatwerfer (RPG) verunmöglicht. Die Somalis wurden von Mudschaheddin aus Afghanistan entsprechend ausgebildet. „Black Hawk Down“ ertönte zweimal über Sprechfunk und erinnerte General William F. Garrison daran, dass Pläne nur bis zum ersten Feindkontakt halten.

Ein zweiter Leitsatz von Moltke dem Älteren kennzeichnete die Versuche, die Absturzstellen zu sichern und die eingesetzten Truppen geordnet in die Stützpunkte zurückzuführen: „Strategie ist ein System von Notbehelfen.“

Zwei Versuche, die inzwischen errichteten somalischen Blockaden mit Konvois aus Humvees und Lastwagen zu durchbrechen, scheiterten. In der Zwischenzeit meldeten sich zwei Scharfschützen der Delta Force freiwillig, um von der MH-6 Little Bird abzuspringen und eines der beiden Wracks zu sichern. Beide fielen nach heftigen Kämpfen und wurden posthum mit der Medal of Honor ausgezeichnet.

Um die 90 Mann in der Nacht nicht ihrem Schicksal zu überlassen, wurde ein Konvoi aus vier M-48 Panzern der pakistanischen Lancers und 28 Schützenpanzern der Königlichen Malaysischen Streitkräfte, Teilen der US 10th Mountain Division, Delta Force und Task Force Ranger gebildet. Dieser gepanzerte Konvoi startete vom zweiten Hauptquartier im Stadion im Nordosten der Stadt. Zwar wurde der Konvoi in zwei Hälften geteilt, jedoch konnten beide jeweils eine Absturzstelle erreichen.

Es folgte die dritte Phase der Schlacht: „Die Meile von Mogadischu“. Unter dem schweren Feuer der Somalis beschleunigten die gepanzerten Fahrzeuge mit den geborgenen Verwundeten und Gefallenen. Die im Fußmarsch begleitenden Delta Force und Rangers mussten sich mit Luftunterstützung durch AH-6 „Killer Eggs“ den Weg ins Stadium freikämpfen, was für die somalischen Milizen äußerst verlustreich endete.

Im Dezember 1993 trafen 1.300 Mann Verstärkung, 16 M-1 Abrams, 44 M-2 Bradleys, zwei F-18 Hornets und C-130 Gunships ein. Um an eine Aussage von General Douglas McArthur zu erinnern: Eine Katastrophe kann mittels zweier Wörter zusammengefasst werden – zu spät.

Nach dem Abzug der US-Truppen im Frühjahr 1994 mussten ein Jahr später auch die verbliebenen UN-Blauhelme abziehen. Pentagonchef Les Aspin trat zurück. Aidid wurde im Zuge des „Bananenkrieges“ 1996 getötet. Das Schlachtfeld wurde von 1.000 bis 1.500 Somalis bedeckt, während die amerikanischen Truppen 18 Mann verloren und zwei Drittel der 160 eingesetzten Soldaten verwundet wurden. Ein Rorke’s Drift des 20. Jahrhunderts.

Falludscha – Schlachten um die „Stadt der Moscheen“

Falludscha, im berüchtigten sunnitischen Dreieck, westlich von Bagdad gelegen, wird wegen seiner 120 Gebetshäuser mit Minaretten auch „Stadt der Moscheen“ genannt. Hier fanden im April 2004 und im November 2004 zwei Schlachten um die Wiedererringung der Kontrolle statt. In dieser Hochburg der Aufständischen wurde auch der Anführer des Aufstands und der al-Qaida im Irak, Al Zarqawi, vermutet.

Nachdem am 31. März ein Lebensmittelkonvoi überfallen und vier Mitglieder der privaten Militärfirma Blackwater getötet und geschändet wurden, umzingelte die 1st Marine Division unter dem Befehl von General James „Mad Dog“ Mattis – dem späteren Pentagonchef unter Präsident Trump – die Stadt. Die 250.000 Einwohner verließen nach Aufrufen größtenteils das Gebiet, um in umliegenden Camps den Ausgang abzuwarten.

Der Auftrag lautete „Clear and Hold“ – Säubern und Sichern – und sollte im Zuge eines Zangenangriffs aus Nordwesten und Südosten erfolgen. Die Marines nutzten die Vorteile ihrer Nachtsichtausrüstung und die Unterstützung durch Gunships. Tagsüber übernahmen F-15 und AH-1 Super Cobra die Luftnahunterstützung, beigestellt wurden Verbände der irakischen Kurden und der irakischen Nationalgarde. Letztere erlitten hohe Verluste und in weiterer Folge liefen zahlreiche Nationalgardisten zu den Aufständischen über. Nachdem die US-Marines 50 Gefallene zu beklagen hatten, stellte die US-Führung die Offensive ein. Fortan übernahm die irakische Falludscha-Brigade das Feld. Das unbefriedigende Ende der ersten Schlacht um Falludscha sollte kurz nach der Wiederwahl von Präsident Bush jun. eine erfolgversprechendere Fortsetzung finden.

Die Operation „Phantom Fury“ war wesentlich methodischer und konsequenter angelegt als die Operation „Vigilant Resolve“. Ganz Falludscha wurde abgeriegelt und Männern zwischen 17 und 60 Jahren wurde das Verlassen des Blockaderings untersagt. Auch im Zuge der „Aufräumarbeiten“ – also der Durchsuchung aller Häuser nach Aufständischen und Waffenlagern – wurde die Blockade nicht gelockert, um ein erneutes Einsickern von Waffen und Aufständischen zu verhindern.

Die gesamte Stadt wurde zu einer „Free Fire Zone“ erklärt. Alle verdächtig oder bedrohlich Verhaltenden wurden zu legitimen Zielen. 155 mm Haubitzen, 120 mm Kanonen von M-1 Abrams sowie F-18 und Gunships sorgten Tag und Nacht für Feuerunterstützung. 4.000 Marines aus dem Nordwesten und 4.000 Marines aus dem Nordosten rückten systematisch vor und schlugen den Widerstand nieder. Mittels Phosphorgranaten wurden Insurgenten aus ihren Stellungen getrieben. Die 1st US Cavalry Division riegelte sämtliche Ausbruchsversuche nach Süden hin ab.

Der schwerste Häuserkampf seit der Schlacht um Hue in Vietnam im Jahre 1968 endete mit 1.200 getöteten und 1.000 gefangenen Aufständischen. Zivile Rückkehrer mussten Fingerabdrücke und Iris-Scans vornehmen lassen. 65 Prozent der Gebäude waren zerstört. Der Rest stark beschädigt. 60 der 120 Moscheen mussten zerstört werden, da sie als Widerstandsnester genutzt wurden. In „Schlachthäusern“ wurden die Opfer von Folter und Tötung geborgen. Die US-Truppen mussten 63 Gefallene hinnehmen.

Welche Schlussfolgerungen die israelischen Streitkräfte bei ihrer bevorstehenden Aufgabe, die Hamas zu neutralisieren, daraus ziehen werden, können Analysten in einigen Monaten beobachten. Jedenfalls haben die USA laut New York Times Experten für den Häuserkampf als Berater entsandt. Darunter der US-Marinekorps-General James Glynn. Ein „Semper fidelis“ für Israel.

Über den Autor

Gert Bachmann

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